Seit 1998 ist Piramida ein verlassener Ort. Doch die Wohnsiedlungen, eine Sporthalle und sogar ein Flügel sind noch da. Ein idealer Ort für musikalische Experimente mit alten Ölfässern und Kraftstofftanks.
Piramida ist eine verlassene Bergbausiedlung auf Spitzbergen. Eine Geisterstadt im kalten Nichts des Nordpolarmeeres, wo einst tausend russische Arbeiter und deren Familien lebten, bevor die Grube 1998 von einem Tag auf den anderen geschlossen wurde. Genau hier, wo das Ende der Welt so nahe scheint, hat das neue Album von Efterklang, das am 24. September erscheint, seinen Ursprung. Es heißt wie der Ort.
Neun Tage verbrachten die reise- und experimentierfreudigen Dänen in Piramida, um akustische Eindrücke zu sammeln. Sie trommelten auf rostigen Ölfässern und leeren Glasflaschen. Sie ließen die Möwen im Wind schreien und ihre Stimmen in hohlen Kraftstofftanks ertönen. Sie liefen über die klapprigen Stege und durchstreiften das kniehohe Gras zwischen den Baracken. Und immer war das Mikro dabei. Über tausend Audiospuren würden sie am Ende mit nach Hause nehmen. Das höchste Klangerlebnis erwartete die Band in der verlassenen Konzerthalle der Siedlung.
»In Piramida steht der wohl nördlichste Flügel der Welt«, erklärt Gitarrist Rasmus. Das Instrument sei auch der Grund gewesen, nach Spitzbergen zu reisen: »Wir haben Bilder davon gesehen. Es stand da so majestätisch und verlassen in dieser unwirklichen Umgebung. Wir hatten einfach das dringende Bedürfnis, einmal darauf zu spielen.«
Gleichzeitig gab es da diesen Plan, ein Album zu produzieren, das mit einem speziellen Ort verknüpft ist. Die surreale Stadt am eisigtürkisen Fjord, benannt nach
dem pyramidenförmigen Berg, an dessen Fuße sie erbaut wurde, war perfekt: Als Kulisse, als Symbol, und als Ton- und Inspirationsquelle für neue Musik.
Schließlich saß Rasmus mit seinen Kollegen Mads und Casper in einem 400 PS starken Zodiac-Boot auf dem Weg von Longyearbyen nach Piramida, eingepackt in Survival-Anzüge. Starker Wellengang sorgte dafür, dass die Fahrt durch den Isfjord ganze drei Stunden dauerte.
Die Bandmitglieder Rasmus, Casper und Mads vor einem alten Wohnhaus.
Als hinter den Wassertropfen auf der Taucherbrille dann endlich das Ziel auftauchte, hatten alle drei Bandmitglieder die gleiche Frage im Kopf: »Was in aller Welt machen wir hier eigentlich?« »Es gibt Orte, die einfach nicht für menschliches Leben gemacht sind«, meint Rasmus, der aus Kopenhagen stammt.
Beeindruckt habe ihn weniger die Verlassenheit des Ortes als vielmehr der Gedanke, dass hier überhaupt einmal Menschen dauerhaft sesshaft waren.
»Die Landschaft ist so überwältigend und allgegenwärtig. Man fühlt sich so klein und ausgesetzt.« Nirgendwo anders habe er so intensiv über das Verhältnis von Mensch und Natur nachgedacht.
»Efterklang« heißt Nachklang auf Deutsch. Ein Name, der mit Blick auf Piramida ganz besonders Sinn macht. Schließlich lassen die drei Dänen den Ort akustisch wieder auferstehen. Entstanden ist ein melancholisches und, trotz seiner experimentellen Entstehungsgeschichte, sehr zugängliches Album. Auf der Homepage der Band gibt es zwei Kostproben des neuen Werks: Den Trailer »Piramida«, eine kurze Dokumentation der Spitzbergen-Expedition, untermalt mit dem dort entstandenen Song »Dreams today«, und das Video zum Opening Song »Hollow Mountain«. Wer hätte gedacht, dass ein hohler Berg am nördlichen Ende der Welt so schön klingen kann.
efterklang.net