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Die Herausforderung, einen skandinavischen Wanderweg mit 112 Seen auf dem Mountainbike zu bezwingen, lockt drei polnische Radler auf eine abenteuerliche Fahrt auf dem Bohusleden. Nur der schwedische Sommer hat etwas andere Pläne für die Jungs.
Hinter beschlagenen Autoscheiben warten Daniel, Grzegorz und Piotr auf den Augenblick, an dem der prasselnde Regen in Lindome bei Göteborg etwas schwächer wird. In den nächsten zehn Tagen wollen die drei Polen den 360 Kilometer langen Wanderweg Bohusleden bewältigen. Allerdings nicht zu Fuß, sondern auf ihren Mountainbikes. Der Trail startet südlich von Göteborg und schlengelt sich idyllisch durch die Provinz Bohuslän bis nach Strömstad, nahe der norwegischen Grenze.
Eigentlich hatte Daniel geplant, in Lappland zu radeln. Dann stieß der 38-jährige Radprofi durch Zufall auf Informationen von anderen Mountainbikern, die über den Bohusleden berichteten. Auch wenn es hier keine echten Berge gibt, ist das Terrain durchaus anspruchsvoll. Mit dem Argument, dass der Weg 1 500 Kilometer näher an ihrer kleinen nordpolnischen Heimatstadt Lebork bei Gdansk liegt als die Touren in Lappland und dem reizvollen Gedanken, sich nach langen, sonnigen Tagen auf dem Sattel in einem der 112 am Weg liegenden Seen abzukühlen, konnte er auch seine beiden alten Schulfreunde Grzegorz und Piotr für den Trip in Westschweden erwärmen.
KAMPF GEGEN DEN MATSCH
Auf ein erquickendes Bad im See hat bei einer Durchschnittstemperatur von 12 Grad und der ausdauernden Regendusche momentan jedoch keiner der drei so richtig Lust. Der Zeitpunkt, an dem der Himmel aufbricht und ein paar Sonnenstrahlen freigibt, scheint weiter entfernt denn je. Die Jungs haben das Warten satt und spannen eine Plane vor ihrem Auto auf, um sich und ihre Mountainbikes trotz der stetig aus den Wolken schüttenden Wassermassen für den Trail zu präparieren. Obwohl sich weiterhin kein besseres Wetter anzukündigen scheint, schwingen sie sich auf ihre Räder und starten ihren Ritt. Weit kommen sie an diesem Tag nicht mehr. Der Regen schießt mittlerweile unbarmherzig aus einem schrägen Winkel auf die Radler hinab. Nach kurzer Zeit sind sie nass bis auf die Knochen. Die drei Freunde retten sich kurzerhand in die nächstgelegene Windschutzhütte. Unter diesen Bedingungen Rad zu fahren ist sinnlos. Auch ein Lagerfeuer wird wetterbedingt aus dem Abendprogramm gestrichen.
Die ersten Streckenabschnitte am nächsten morgen sind trotz des Niederschlags relativ leicht zu meistern. Sie führen durch urbanes Gebiet mit gut ausgebauten Wegen. Aber bald ändert sich das Terrain und offenbart nach und nach glitschige Steine, tückische Wurzeln und rutschige Brücken. Ein paar Kilometer hinter Angered geraten Daniel, Grzegorz und Piotr auf einer Brücke ins Trudeln und stürzen alle drei samt Drahteseln in ein sumpfiges Flussbett. Am Anfang ist es noch lustig, aber nach und nach häufen sich derartige Missgeschicke und die ersten Schimpfworte fliegen durch die Luft. Grzegorz und Piotr, die als Hobby-Biker nicht mit voll gefederten Rädern unterwegs sind, wollen Daniel davon überzeugen, die als schwierig markierten Streckenabschnitte zu umfahren. Der Ausschnitt der Karte, den sie sich vor Antritt ihres Abenteuers ausgedruckt haben, entpuppt sich aber als zu klein. Auf der Suche nach einer trockeneren Umleitung komplett in der Walachei zu stranden, ist zu riskant. So sind die drei gezwungen, auf dem nach wie vor erbarmungslos nassen Bohusleden weiter durch den Matsch zu strampeln.
Fortsetzung
Fahrt ins Unbekannte
Was fasziniert euch so am Mountainbiken?
Daniel: Auf dem Rad hat man die Chance an Orte mit wunderschöner und unberührter Natur zu gelangen, ähnlich wie beim Wandern. Die meisten Wanderpfade kann man auch mit dem Bike bewältigen, nur schneller. Krasse Anstiege und technisch anspruchsvolle Downhill-Strecken sind eine coole Herausforderung. Und am Ende des Tages mit meinen Kumpels am Feuer zu sitzen, lange Gespräche zu führen und Bier zu trinken gibt dem ganzen Trip immer eine spezielle, absolut fantastische Atmosphäre.
Wo und wie oft seid ihr denn sonst mit euren Bikes unterwegs?
Daniel: Südpolen, Tschechien, Deutschland und die Balkanländer sind unsere Hauptdestinationen. Ich mache solche größeren Trips recht häufig, vielleicht fünf bis sechsmal im Jahr.
War der Bohusleden eure erste Tour in Skandinavien?
Daniel: Vor drei Jahren war ich mit dem Mountainbike schon einmal in Norwegen und bin von Trondheim nach Oslo geradelt.
Hattest du damals etwas mehr Glück mit dem Wetter?
Daniel: Wie soll ich sagen, auch auf der Tour war das Wetter eher kapriziös.
Wie habt ihr euch gepäcktechnisch auf den Trip vorbereitet?
Daniel: Wir wollten all die Annehmlichkeiten der Zivilisation so wenig wie möglich nutzen, also mussten wir die Ausrüstung präzise planen. Lebensmittel, Bike-Klamotten, eine Plane zum Schlafen unterm freien Himmel und ein Erste-Hilfe-Set durften nicht fehlen. Obwohl wir nicht mal ein Zelt mitgenommen haben, war es uns nicht möglich, all die Dinge im Rucksack zu verstauen. So haben wir zusätzlich unsere Gepäckträger und die Satteltaschen beladen. Im alpinen Terrain wäre das ein Desaster gewesen, aber auf dem Bohusleden funktionierte das einigermaßen gut.
Was stand auf eurem Outdoor-Speiseplan?
Grzegorz: Wir haben vor allem das gegessen, was wir aus Polen mitgebracht haben: Instant-Suppe und Nudeln. Wir haben aber auch Pilze gesammelt und Beeren gepflückt, die wir in den Tee getan oder zu Kompott verarbeitet haben. Wenn wirklich etwas Unentbehrliches fehlte, haben wir einen von uns in die Zivilisation abgesandt – manchmal musste man dafür eben 24 Kilometer extra radeln.
Habt ihr noch andere Mountainbiker auf dem Bohusleden getroffen?
Grzegorz: Der Bohusleden ist hauptsächlich für Wanderer ausgelegt und das waren auch die einzigen Personen, die wir getroffen haben. Zwei Nächte haben wir uns eine Windschutzhütte mit ein paar Wanderern geteilt. Alle waren extrem überrascht, dass wir das Risiko auf uns nehmen und den Trail mit dem Rad befahren. Selbst zu Fuß ist der Weg an einigen Stellen extrem anspruchsvoll.
War der Bohusleden zu anspruchsvoll?
Daniel: Wir hatten ja ursprünglich den ambitionierten Plan, von Lindome nach Strömstad zu radeln. Aber auch wenn der höchste Punkt des Bohusledens nur etwas mehr als 200 Meter über dem Meeresspiegel liegt, mussten wir regelmäßig Pausen einlegen. Es war ermüdender, als wir dachten. Das Vorhaben, die 360 Kilometer in zehn Tagen zu schaffen, schwand langsam dahin. Die meisten Mountainbiker, die den Bohusleden befahren, machen einen Wochenend-Trip weiter im Süden. Der südliche Teil des Wegs ist viel leichter zu fahren, da er durch recht urbanes Gebiet führt. Je weiter man in den Norden durchdringt, umso wilder und problematischer wird der Pfad. Die Distanz und das Gebiet als solches wären nicht das Problem gewesen. Aber wir hatten leider von Anfang an Pech mit dem Wetter.
Was war das Unangenehmste während eurer Tour?
Daniel: Auch wenn sich die Sonne dann und wann einmal zeigte, blieb das Wetter meist regnerisch und kalt. Nicht besonders schön war da die Gewissheit, dass die Route häufig durch feuchtes Gebiet, Sumpf und zahllose Bäche führen würde. Wir mussten oft extrem hart in die Pedalen treten und häufig blieben unsere Reifen im Matsch stecken. Die größte Unannehmlichkeit, die uns über den gesamten Weg verfolgte, war aber das Wasser in den Schuhen. Und es gibt absolut nichts, was man dagegen tun kann. Wenn man über rutschige Brücken balanciert und dabei seine Balance verliert, können nicht einmal Gummistiefel helfen.
Hattet ihr viele Pannen?
Daniel: Leider blieb keiner von uns vor einer Reifenpanne verschont. Pannen-König war allerdings Piotr. Er hatte gleich vier Stück.
Aber es gab auch Momente, in denen ihr euren Trip genossen habt?
Daniel: Auf jeden Fall. Nur Dank der Schönheit der Natur sind wir immer weiter geradelt. Es gibt immer eine Feuerstelle in der Nähe oder einen Grill, um sich ein leckeres Abendessen zu zaubern. Man kann auf dem Bohusleden definitiv seine Batterien aufladen, auch ohne Sonne.
Plant ihr, den nächsten Part des Bohusleden anzugehen, oder andere skandinavische Etappen des North Sea Trails zu fahren?
Grzegorz: Unbedingt. Aber definitiv erst, nachdem wir den Wetterbericht gecheckt haben.