Naturfotos sind eine Gattung für sich. Von kitschig bis dramatisch ist alles dabei. Wie man gute, naturgetreue Aufnahmen macht, die ihren Namen verdienen und den Betrachter zum Staunen bringen, verrät unser NORR-Fotograf.
Bei Naturfotos geht man oft ähnlich vor wie bei Beauty-Bildern: Landschaften werden schöner oder dramatischer dargestellt, als sie sind. Bildbearbeitung macht es möglich, doch meine Sache ist es nicht. Dabei geht es weniger um ein richtig oder falsch – eher um die eigene Wahrnehmung. Wie in allen Bereichen der Fotografie ist das Motiv ausschlaggebend und bestimmend. Ein ödes Bild wird durch starke Nachbearbeitung nicht besser. Erzählt es hingegen eine interessante Geschichte, steht es für sich. Wie Reportagefotos sollten Naturbilder meiner Meinung nach nicht zu sehr verfremdet werden oder gekünstelt wirken. Sie sollten natürlich sein. Ehrlich. Die Natur bietet genug Dramatik, Licht und Details. Man muss manchmal nur ein wenig darauf warten, Glück haben und sich darauf einlassen, neue Dinge zu entdecken.
Details und Widersprüche
Mich fesseln oft die Details, die Widersprüche oder Zugehörigkeiten aufzeigen. Wie zarte Pflänzchen vor dahinrostenden ausrangierten Fischerbooten, wie ich sie jüngst auf Island aufgespürt habe. Sprießende Natur neben alter Technik. Oder ein vom Wasser glattpolierter kleiner Stein vor heranrollenden Wellen.
Bei Nahaufnahmen, die oft nur wenige Bildinhalte zeigen, ist konzentriertes Vorgehen, wie auch die Wahl der richtigen Kameraeinstellungen, wichtig. Schon bei der Aufnahme versuche ich, den Ausschnitt ganz bewusst zu wählen. Manchmal passt mein erster Eindruck durch den Sucher dann doch nicht und ich optimiere den Ausschnitt nachträglich in der Bildbearbeitung. Diese Feinarbeit ist ja auch völlig legitim, sollte aber nicht dazu führen, vor Ort schlampig zu arbeiten.
Aus der Situation heraus
Ich streife meistens umher, drücke hier und da ab und nehme, was ich vorfinde, als dass ich stundenlang an einem Fleck hocke und darauf warte, dass das Licht noch einen Tick besser wird. Daher ist der Ansatz bei all meinen Reise-, Landschaftsund Naturbildern auch meist reportagehaft, »aus der Situation heraus« geprägt. Auch andere Fotografen arbeiten so – wie zum Beispiel Ragnar Axelsson, Gueorgui Pinkhassov oder Olaf Otto Becker, von denen ich mich gerne inspirieren lasse.
Ein Beispiel für diese Vorgehensweise ist Bild 1, das während einer Besteigung des Hvannadalshnúkur auf Island entstand. Während der Fahrt zum Berg, machten wir einen kurzen Stopp am Seljalandsfoss, einem bekannten Wasserfall, hinter dem ein nasser Pfad entlangführt. Die Zeit war knapp und ich suchte in Windeseile nach einem Blickwinkel, der die Szenerie ganz anders einfängt als die unzähligen Bilder, die es von diesem 40 Meter hohen Wasserfall meist zu sehen gibt. Von der Rückseite sah ich durch das hinabstürzende Wasser einige Vögel davor umherfliegen. Ich zückte meine Kamera und wählte mit einem Teleobjektiv einen Ausschnitt, der einen Vogel in einem guten Größenverhältnis zur Gewalt der Wassermassen zeigte. Einerseits war ich so ganz nah dran am Geschehen und wurde selber gehörig nassgespritzt, andererseits war der Vogel noch recht weit weg. So wurde es keine klassische Nahaufnahme, sondern eher ein Detailbild – was dem Moment aber viel eher gerecht wurde.