Stockholms Schären-Museum, das Artipelag, verkörpert mit seiner äußeren Einbindung in die natürliche Umgebung jenes, was das Innere des Museums thematisiert. Das Verhältnis von Mensch und Natur, am Beispiel des Inselmotivs.
»Niemand ist eine Insel, in sich ganz; jeder Mensch ist ein Stück des Kontinents, ein Teil des Festlandes. (…)«
Das Zitat des Dichters John Donne bildet den Titel und Rahmen der aktuellen Ausstellung im Artipelag »Ingen männsika är en ö«. Eine Aussage wie diese kann viele Assoziationen wecken. Sie kann auf die Stellung des Menschen in der Welt und gegenüber seinen Mitmenschen verweisen. Ebenso vermag sie, auf einer bildlichen Ebene, das ambivalente Verhältnis zwischen Mensch und Natur zu untermauern.
Innen wie Außen
Der Mensch ist Teil der Natur und dennoch nicht gleichsam wild und ungebunden. Betritt man die Insel, auf der sich das Artipelag befindet, wird diese Ambivalenz deutlich spürbar. Inmitten der Natur schießen schräg und kantig die Fassaden des Museums empor und bilden einen Kontrast zur umliegenden Umgebung. Gleichzeitig hat Architekt Johan Nyrén das Gebäude so angelegt, dass es in den natürlichen Fortgang des Waldes eingebettet ist. So ragt innen im Eingangsbereich ein Fels aus dem Boden und die Farbakzente der Einrichtung entsprechen denen des moosbewachsenen Dachs. Natur trifft auf Konstruktion.
Die Besucher, die zum Artipelag kommen, erwartet entsprechend eine interessante Mischung: ein Ausflug in die Natur mit kunsthistorischem Input. Passend zum Ausstellungsthema verkörpert jeder Raum im Inneren des Museums eine eigene Insel. Angefangen beim späten 19. Jahrhundert, erhält man als Besucher eine Einführung in die sogenannte »Archipel-Kunst«. Die Schäreninseln zählen zu Schwedens ältestem Naturerbe und bieten sich somit hervorragend als Leinwand seiner historischen Entwicklung an.
Mensch vs. Natur
Im Laufe der Industrialisierung nahm das Verhältnis zwischen Natur und Mensch an Spannung zu. Sichtbar wird dies im Inselkontext vor allem an der gewählten Perspektive. In J.A.G. Ackes »Östrasalt« (siehe Titelbild) steht der Mensch stark und selbstsicher im Mittelpunkt, umspült von Wellen, die ihm scheinbar nichts anhaben können. Die Köpfe der drei Männer heben sich farblich vom Rest des Körpers ab, wodurch ihre Genialität unterstrichen wird. Der Mensch ist nicht so ungestüm wie das Meer, er besitzt Intelligenz und einen nahezu mechanischen Körper.
Im Zusammenhang mit der Inselthematik in der Malerei lassen sich zudem gesellschaftliche Geschlechterrollen nachvollziehen. Im Gegensatz zum muskulösen Körper des Mannes, wird die Frau im 19. Jahrhundert organisch und gut genährt dargestellt. Sie ist nicht erhaben über die Natur, wie der Mann, sondern eins mit ihr. Das Gemälde »Röd Strumpa« des Künstlers Anders Zorn erweckt genau diesen Anschein. Interessant ist allerdings die Tatsache, dass für die Inszenierung dieses Moments in der Natur, extra eine rundliche Arbeiterin aus der Karamell-Fabrik von der Stadt auf die Insel gebracht werden musste. Was so natürlich scheint, ist ebenfalls konstruiert.
Der Körper der Natur
Von Insel zu Insel geht es über Strindberg, Jansson, Liljefors und Håfström immer weiter in der Zeit, bis die Vergangenheit schließlich ein Ende findet und wir uns außerhalb des Gebäudes im Hier und Jetzt wiederfinden.
Ebba Bohlins Skulptur »Entendre« ist eine Insel auf der Insel. Das schwimmende Ohr verleiht der Natur ein eigenes Organ, macht es zum Körper. Was würde man mit diesem Ohr hören, wenn die Natur in sich hineinhorcht? Und wie kann man sich die Natur als menschlichen Körper vorstellen? Betrachtet man die Menschen, wie sie die Meere mit ihren Abfällen füttern, muss bei der Natur wohl an einen kranken Körper gedacht werden. Das Ohr steht somit auch als Symbol dafür, der Natur besser zuzuhören und sie zu pflegen.
Die Ausstellung vereint Innen und Außen, Mensch und Natur und zeigt eine Vielzahl unterschiedlicher Techniken in der Kunst. Wer am Nachmittag die Insel verlässt und mit dem Boot zurück in die Stadt fährt, hat eine Menge erlebt und neben der Geschichte Schwedens vielleicht auch etwas mehr über sich selbst gelernt. Der Mensch ist keine Insel, aber vielleicht kann er ein Boot sein und sich mit ihr verbinden.
Mehr Informationen zum Artipelag und vergangenen Ausstellungen gibt es hier.