NORR-Leser Hauke Meyer wanderte auf dem Nordkalottleden durch drei Länder, von Sulitjelma bis nach Kautokeino.
Nordwärts schlagen wir unseren Weg ein, als wir an einem Morgen im August aufbrechen. Die Wolken hängen tief, das Thermometer zeigt knapp über null Grad. Es riecht nach Schnee, als wir noch einmal die Stiefel richtig schnüren und die Rucksäcke schultern. Von der Huskyfarm in Innset soll es auf unserer Tour über einige Pässe, durch grandiose Hochtäler, tiefe Schluchten und entlang reißender Flüsse gehen – auf dem eher unbekannten Nordkalottleden, oder der Nordkalottruta, wie ihn die Norweger nennen. Durch drei Länder führt dieser Fernwanderweg und kann sich das ein oder andere Mal nicht wirklich entscheiden, wo er eigentlich hingehört. Er beginnt im Süden im norwegischen Sulitjelma und führt entlang der norwegischen, finnischen und schwedischen Grenze, bis man nach 800 Kilometern Wanderung den nördlichsten Punkt in Kautokeino in Norwegen erreicht. Dabei gibt es die ein oder andere Möglichkeit, auf andere bekannte Wanderwege abzubiegen. Unter anderem auf den Kungsleden oder Padjelantaleden in Schweden. Die meisten Wanderer starten in Kautokeino und gehen Richtung Süden. Wir hingegen möchten es genau umgekehrt machen, gegen den Strom sozusagen.
Vorboten des Herbstes
Nachdem die ersten zwanzig Kilometer geschafft sind, erreichen wir völlig durchnässt die Gaskashytta. Hier schüren wir schnell den Ofen, genehmigen uns ein anständiges Abendessen und kriechen in unsere Schlafsäcke. Am nächsten Morgen scheint das schlechte Wetter verschwunden zu sein. Dafür sind die umliegenden Bergspitzen plötzlich weiß gepudert. Über Nacht hat es geschneit. Das kann um diese Jahreszeit schon mal vorkommen. Der Herbst beginnt hier früher als in südlichen Gefilden. Mitgebracht hat er den Wind, der zwar immer noch sehr kalt ist, uns dafür aber an allen Tagen einen sonnenklaren Himmel beschert. Die nächsten sechs Tage können wir diese grandiose Fjelllandschaft entlang des Wanderweges in vollen Zügen genießen. Um diese Jahreszeit sind die meisten Insekten bereits in ihren Winterquartieren. Die Flüsse führen nicht mehr so viel Wasser und die Wege sind dank der Sonne noch trocken genug.Nicht zuletzt deshalb – so erzählte es uns ein Norweger – gehen die Skandinavier oft erst ab August raus ins Fjell. So kann man sich mit allen Sinnen voll auf diese grandiose Weite der Landschaft einlassen. Auch wir sind nach unserer Wanderung wie verzaubert von dieser Welt: Die schier unendliche Weite dieser unberührten Natur, die Stille und Einsamkeit. Ganz entgegen des normalen Alltags stört kein Telefon, keine E-Mail, kein Lärm. Denn hier draußen gibt es keinen Handyempfang und keine Straße. Hier ist man nur mit seinen eigenen Füßen und seinen Sinnen zu Hause: mit den Augen und den Ohren, mit der Nase – und ab und zu doch mit dem Kribbeln einer Mücke auf der Haut.