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Viel zu magisches Märchen?

Wälder voller Mythen und ein Berg mit atemberaubendem Ausblick. Der Ökopark Omberg in Östergötland verzaubert jährlich Hunderttausende Besucher. NORR erfährt auf einer Kajak- und Wandertour warum das hat Licht- und Schattenseiten hat.

Zwischen Klosterruinen und Gartenzäunen, die einem Märchen von Astrid Lindgren entsprungen sein könnten, schlängelt sich der Pfad in den Wald hinein. Zu beiden Seiten neigen sich die Zweige der hohen Buchen tief herab. Hier und da öffnen sich am Wegesrand weite Wiesen, auf denen Kühe und Schafe weiden, und überall explodieren die Herbstfarben. Dann geht der Buchenwald in einen geheimnisvollen Fichtenwald über, der wie ein prächtiger Saal mit kerzengeraden Säulen wirkt.

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Ich besuche den Ökopark Omberg nun zum zweiten Mal in meinem Leben und habe das Gefühl, auf einen riesengroßen Spielplatz zu kommen. Wanderwege, Mountainbikerouten, Grillplätze und Aussichtspunkte sind über das ganze Naturschutzgebiet verteilt. Deshalb ist der Ort auch sehr beliebt. Der Parkplatz am Hjässan (dt. Scheitel) ist voller Autos. Ich passiere eine Gruppe Rennradfahrer, eine Familie mit Kindern beim Pilzesuchen und einen alten Mann, der auf einer Parkbank döst. An Wochen- enden sind hier viele Menschen unterwegs. Die Wanderherberge ist seit Wochen ausgebucht, am Wasser stehen Wohnmobile und man sieht auch ein paar Reisebusse. Für die Natur dürfte das eine Belastung sein.

Grotten und Fabelwesen

Roger und ich wollen einige Tage hier verbringen, um auf dem Vättern zu paddeln und wandern zu gehen. Aber es gibt noch einen Grund, warum wir da sind, und der heißt Linda Staaf. Sie arbeitet als Guide in Omberg und ihr Name war im Jahr 2019 in Schweden in aller Munde, weil sie mit deutlichen Worten eine nachhaltige Entwicklung für das Gebiet forderte – doch davon später mehr.

Wir treffen Linda und ihre Freundin Madelene unten am Seeufer. Der Vättern breitet sich aus wie ein gigantischer Spiegel, der den zunehmend klaren Himmel verdoppelt. Wir paddeln am Ufer entlang und sehen, wie der Omberg sich vor uns auftürmt. Als wir nach Norden steuern, wird das Wasser eiskalt und kristallklar. Das Ackerland geht allmählich in Hügel über und bald paddeln wir unter einer hohen, senkrecht aufragenden Felswand. Der Omberg, der 175 Meter hoch über der Wasserfläche des Vättern aufragt, ist während der Eiszeit vor etwa 200 Millionen Jahren entstanden. Im Laufe der Jahrtausende haben sich hier ungewöhnliche Felsformationen gebildet und so paddle ich zum ersten Mal in meinem Leben in eine Grotte hinein. Als die Strahlen der Nachmittagssonne auf die Grottenwände treffen, verschwinde ich vollkommen im Berg. Mit den Händen ziehe ich mich an den Wänden vorwärts und mit größter Konzentration schaffe ich es, in dieser engen Steinhöhle zu wenden und wieder ins Freie zu gelangen.

Linda erzählt, dass das hier vor langer Zeit einmal ein Gefängnis war – ein sehr speziel- les. Ein Mischwesen aus Mensch und Uhu, die Omma, wurde in dieser Grotte gefangen gehalten. Es lebte seit Tausenden von Jahren auf dem Omberg und hatte einen heimlichen Verehrer, den Riesen Rödgavel. Der beschloss eines Tages, Omma zu entführen und in seiner Grotte einzusperren. Als Omma sich darüber beklagte, dass es in der Grotte zu warm sei, willigte Rödgavel ein, eine Felsspalte zu öffnen. Da verwandelte sich Omma in Nebel, entwischte aus der Spalte und legte sich als Schleier über den Omberg. Noch heute soll Omma hier bei nebligem Wetter zu sehen sein.

Linda Staaf setzt sich für eine nachhaltige Nutzung des Ökoparks Omberg ein. Die Grotten und Wälder sind sagenumwoben und ziehen viele Menschen in ihren Bann. Dennoch hat man an den meisten Stellen das Gefühl, hier gänzlich alleine unterwegs zu sein.

Wir paddeln am Ufer entlang und sehen, wie der Omberg sich vor uns auftürmt.

Omberg ist ein historischer Sagenort und in alten Schriften findet man allerlei Geschichten über Wichtel und Elfen, über zornige Trolle und polternde Riesen, die an vielen Stellen hausen. Inzwischen hat sich der Vättern im Abendlicht zur Ruhe begeben. Wir paddeln zurück in Richtung Abendessen und Wärme. In den Kajaks sind wir allmählich völlig ausgekühlt und ich trage schon alle Kleidungsstücke, die ich dabei habe, in Schichten auf dem Körper.

Böse Schlagzeilen

Omberg ist einer der meistbesuchten Orte Östergötlands. Schon im Jahr 1924 notierte der Schriftsteller Torsten Fogelqvist: »Es gibt in Schweden drei Ausblicke, die ich besonders liebe – die Aussicht über den Torneträsk, den Tornsjö und die vom Gipfel des Ombergs.« Früher war der Omberg hauptsächlich mit Fichtenwald bewachsen, aber seit der Eröffnung des Ökoparks ist ein Teil davon
in Wiesen und Laubwälder umgewandelt worden. Der Park wird, wie viele andere, vom staatlichen schwedischen Forstunternehmen Sveaskog betrieben. Welche Zwecke dahinter stehen, dazu gibt es verschiedene Ansichten. Auf der einen Seite lässt sich die Bewahrung einer empfindlichen Naturlandschaft und die Wiederherstellung von Auen- und Feuchtgebieten verbuchen. Auf der anderen Seite steht die Tatsache, dass die Abholzungsquote auch in Ökoparks 36 Prozent beträgt. Manche würden hier von Greenwashing reden. Sveaskog hat bereits große Mengen an Alt- wald in Schweden gefällt.

Wir wandern durch hügeligen Buchenwald. »Ich liebe meinen Beruf als Guide, weil ich dadurch anderen Menschen zu fantastischen Erlebnissen verhelfen kann«, erzählt uns Linda. Angefangen hat sie bei Friluftsfrämjandet, der schwedischen Organisation zur Förderung von Outdoor-Aktivitäten, die es schon seit 1892 gibt. Dann baute sie über zehn Jahre ein PR-Unternehmen für den Ökopark Omberg auf. »Ich habe hart dafür gearbeitet, Omberg bekannt zu machen. Jetzt haben wir so viele Besucher, dass ich mich nicht mehr mit der Vermarktung befasse«, berichtet sie.

Das führte im Herbst 2019 zu missverständlichen Schlagzeilen. Da konnte man lesen: »Linda Staaf lehnt Flugtouristen ab.« Linda sagt: »So klingt das sehr drastisch. Ich habe nur aufgehört, Märkte auf der anderen Seite der Welt zu erschließen, weil es zur Steigerung des Flugverkehrs beitragen würde. 50 fliegende Amerikaner verursachen so viele Emissionen wie 900 deutsche Autotouristen.«

Sie beobachtet außerdem, dass viele Leute über Nachhaltigkeit reden, aber nur wenige etwas tun. »Firmen begnügen sich oft mit Klimakompensationszahlungen. Doch wenn man sich als Tourismusveranstalter gezielt an Gäste aus der näheren Umgebung wendet, kann man konkret die Emissionen verringern, für die man mitverantwortlich ist«, sagt Linda. Doch bei Nachhaltigkeit geht es auch um die Balance zwischen zwei Zielen: mit dem Tourismus Geld zu verdienen und die Natur nicht
zu schädigen. Abschreckende Beispiele findet man in Norwegen, etwa auf den Lofoten, wo durch Autoverkehr, Parkplatzmangel, zu wenig öffentliche Toiletten und schlecht funktionierende Müllbeseitigung enorme Probleme entstanden sind, was das Verhältnis zwischen Einwohnern und Touristen erheblich verschlechtert hat. »In Omberg sind wir eine Gruppe von Unternehmern, die sich regelmäßig treffen, um über Nachhaltigkeit zu reden. Um Probleme lösen zu können, bevor sie entstehen. Wir arbeiten auch mit der Kommune und den Grundeigentümern zusammen«, sagt Linda.

Dass möglichst viele Omberg-Besucher einen Guide buchen, wünscht sie sich selbstverständlich auch deshalb, weil das ihr Beruf ist, aber es gibt dafür noch mehr Argumente. Ein Guide kann bestimmen, auf welchen Wegen man geht, achtet darauf, dass Abfall mitgenommen wird, und fühlt sich auf andere Weise verantwortlich für die Natur.

Linda erzählt, dass hier vor langer Zeit ein Gefängnis war – ein sehr spezielles.

»Außerdem bieten Buchungen die Chance, das Besucheraufkommen im Blick zu haben und entsprechend zu reagieren, zum Beispiel dadurch, dass man in der Wochenmitte oder im Herbst Übernachtungspreise senkt, um die Gäste besser zu verteilen.«

Eigene Herzensstellen

Wir wandern auf einem Pfad, der hoch oben parallel zum Vättern verläuft. Man findet viele Informationen über die Eiszeit und historische Relikte. Schon in der Steinzeit wurde hier Ackerbau betrieben und es gibt Ruinen von Klöstern und Fluchtburgen. Im 12. Jahrhundert war es Zentrum für das Adelsgeschlecht der Sverker und im 17. Jahrhundert befanden sich hier königliche Jagdgründe. Über die Jahrtausende hat Omberg also viel erlebt.

Auf dem Gipfel machen wir Kaffeepause und die Diskussion über Nachhaltigkeit flammt wieder auf. Linda meint, dass man auch die Besucher weiterbilden muss und unerfahrenen Menschen Kenntnisse vermitteln sollte. Zudem rät sie, sich in den Ort, den man bereisen möchten, einzulesen, um ihm mit mehr Verständnis zu begegnen. »Auch staune ich immer wieder, wie bereitwillig Leute ihre Geheimtipps verraten. Wie sie alles in den sozialen Medien ausplaudern«, sagt Linda. »Meine Lieblingsplätze behalte ich für mich, sonst geht ihr Charme ja verloren. Mein Tipp ist: Besucht den Ort, wenn nicht alle anderen da sind. Kommt abends, im Herbst oder in der Woche und findet eure Herzensstelle.«

Der Kaffee ist ausgetrunken, die Lachsbrote sind verspeist. Die Herbstfarben der Bäume beginnen zu leuchten und auf den schmalen Pfaden bergab haben wir engen Kontakt zur Natur. Wir schlängeln uns hinunter zum Parkplatz, wo die Wochenendbesucher Räder, Campingkocher und Pilzsammelkörbe für dieses Mal zusammenpacken, und treffen auf Johan Kinnmalm, der in Omberg gerne Lachse angelt. Wir fragen, ob er uns seinen besten Angelplatz verraten kann. »Haha, den behalte ich schön für mich«, sagt er.

Omberg

Der Ökopark Omberg ist 30 Quadratkilometer groß, liegt am östlichen Ufer des Vättern und bietet zahlreiche Wanderpfade und Radwege. Von Aussichtsplätzen auf dem 175 Meter hohen Gipfel genießen Besucher einen traumhaften Blick auf den See. Mit dem Zug reist man bis Mjölby und dann weiter mit dem Lokalbus Nr. 665. Viele kommen mit dem Auto, da die E4 südlich am Omberg vorbeiführt. Die Wanderherberge Stocklycke liegt mitten im Park. 

upplevvadstena.se

Touren rund um Omberg

Tåkern

Der See Tåkern liegt vier Kilometer entfernt. Er ist bei Vögeln wie Vogelbeobachtern beliebt. 278 Arten wurden dort gesichtet. Da er als bedeutendster Vogelsee Nordeuropas gilt, lohnt sich ein Abstecher. 

takern.se

Östgötaleden

Wer eine längere Tour plant, kann den 1 400 Kilometer langen Östgötaleden abgrasen, der durch Wälder, Wiesen und Schären führt. 

ostgotaleden.se

Holavedsleden

Der Holavedsleden beginnt in Tranås und endet in Gränna. Auf 59 Kilometern schlängelt er sich durch urwüchsigen Wald mit etlichen Seen. 

jonkoping.se

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