Eis für die Zukunft
Aus Eiskernbohrungen lassen sich Rückschlüsse auf dieKlimageschichte ziehen. Doch die Gletscher schmelzen in raschem Tempo. Im Wettlauf gegen die Zeit versuchen Forschende auf Svalbard, das letzte Eis sicherzustellen.
Eigentlich gibt es für den Schneechemieforscher Andrea Spolaor keinen Grund zur Beunruhigung. Er und seine Kollegen und Kolleginnen wollen Bohrungen im Eis vornehmen –und alles ist bis ins letzte Detail geplant. An der Forschungsstation bei Ny-Ålesund im Westen von Spitzbergen stehen die Schneescooter bereit. Die Bohrmaschine samt Ersatzteilen ist verstaut, ebenso Campingbetten und Proviant für die gesamte Wissenschaftscrew. Andrea selbst hat schon 17 Expeditionen nach Spitzbergen hinter sich. Er glaubt zu wissen, was ihn erwartet. Und doch steht ihm diesmal eine Überraschung bevor.
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Im Alltag arbeitet Andrea am Polarwissenschaftlichen Institut des Nationalen Forschungsrats von Italien in Venedig. Er ist Experte für Eisbohrkerne. Nun soll er eine Expedition koordinieren, an der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Norwegen, Frankreich und Italien teilnehmen. Das Ziel? Mindestens zwei 120 Meter tief reichende Eiskerne aus einem der größten Gletscher Spitzbergens herauszubohren.
Ein Eisbohrkern ist ein großer, zylinderförmiger Eisbrocken und funktioniert wie ein historisches Archiv für das Klima. Denn jede Luftblase darin enthält eine kleine Atmosphärenprobe aus der Zeit, als das Eis sich gebildet hat. Indem man Eisschicht für Eisschicht untersucht, kann man zu Schlussfolgerungen darüber gelangen, wie das Klima vor Ort sich im Laufe der Jahrhunderte verändert hat. Man erkennt, in welchem Ausmaß der Autoverkehr zunahm, ob sich Vulkanausbrüche ereignet haben und wie der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre sich entwickelte. Diese Informationen sind für die Klimaforschenden von heute hochinteressant und deshalb sind Eisbohrkerne ein wichtiges Puzzleteil, wenn der Weltklimarat der UN Vorhersagen über das Klima der Zukunft treffen will.
Verkehrte Welt
Andrea hat Monate auf die Planung verwendet. Nun kann die Reise endlich stattfinden. Es stürmt. Die ganze Landschaft ist weiß. »Wir sahen nichts, aber stellten das GPS auf die Koordinaten für unser Basiscamp ein«, sagt Andrea. »Nach ein paar Stunden Fahrt auf dem Schneescooter waren wir da und konnten unser Lager aufschlagen.« Die Crew befestigt ihre Zelte im Schnee am Gletscher Holtedahlfonna, auf 1 150 Metern. Er ist einer der größten und höchsten Gletscher Spitzbergens. Das Thermometer zeigt 20 Minusgrade, aber der scharfe Wind sorgt für eine gefühlte Temperatur von 40 Grad minus. Am nächsten Tag soll die Arbeit beginnen. Die Gruppe ahnt noch nicht, mit welchen Problemen sie konfrontiert sein wird.
Auf Spitzbergen leben in etwa genau so viele Menschen wie Eisbären. Die karge Inselgruppe liegt so weit im Norden, dass sie gerade eben noch auf die Weltkarte passt. Hier findet man die nördlichste Forschungsstation der Welt. In regelmäßigen Abständen kommen die Eisbären, vom Duft menschlicher Speisen angelockt, in die Wohngegenden. Deshalb ist es nicht erlaubt, die Außentüren abzuschließen: Wenn ein Eisbär angreift, muss es immer möglich sein, ins nächstgelegene Haus zu flüchten.
Die Crew befestigt ihre Zelte am Gletscher Holtedahlfonna, auf 1 150 Metern.
Formal gehört Spitzbergen, Svalbard in der Landessprache, zu Norwegen und untersteht der norwegischen Gesetzgebung. Aber Menschen aus aller Welt können sich hier niederlassen und ein Gewerbe treiben. Sie brauchen dafür weder ein Visum noch eine Aufenthalts- genehmigung. Trotzdem werden nur 2 600 Einwohner gezählt. Die Inselgruppe besteht zu 60 Prozent aus Gletschern. Hinzu kommen 27 Prozent unkultivierbarer Steinboden und nur 13 Prozent Vegetation. Kein Baum wächst hier höher als bis zum Fußknöchel.
In vielerlei Hinsicht ist Spitzbergen eine verkehrte Welt. Wer außerhalb des Dorfes spazieren geht, muss laut Gesetz ein Gewehr bei sich tragen. Andererseits ist es verboten, Katzen zu halten, damit der reiche Vogelbestand geschützt wird. Auch sollte man hier möglichst nicht sterben. Nach einem altem Gesetz ist das tatsächlich verboten. Denn der Permafrost reicht so tief, dass Leichname nicht begraben werden können. Aber das wird sich vielleicht bald ändern.
Svaldbard und seine Gletscher
Im arktischen Ozean zwischen der Nordküste Norwegens und dem Nordpol liegt Spitzbergen, das im Norwegischen Svalbard (dt. kühle Küste) genannt wird. Neben der Hauptinsel Spitzbergen und den Eilanden Nordaustlandet, Barentsøya und Edgeøya gehö- ren etwa 400 weitere Inseln zu dem Archipel.
1596 wurde der unbewohnte Archipel von dem Niederländer Willem Barentsz entdeckt.
Warm&Kalt: Der Nordatlantikstrom transportiert warmes Wasser an die Westküsten der Inselgruppe, während das Meer vor den Ostküsten des Archipels stärker mit Eis bedeckt ist, das sich im Nordosten teilweise bis in den Sommer hinein hält.
920 Kg wiegt ein Eisblock von 1 x 1 x 1 Meter in etwa. Die gesamte Eismenge auf Spitzbergen beträgt nach neuester Schätzung 6 200 km2 , also 5 700 Gigatonnen.
Temperaturcheck: Das Thermometer wurde erst im 17. Jahrhundert erfunden, doch dank der Eisbohrkerne ist es möglich, Informationen über das historische Klima zu erhalten und Rückschlüsse auf Wärme, Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre und vulkanische Aktivität zu ziehen. Weitere Möglichkeiten der Klimaforschung sind die Untersuchungen von Gesteins-, Torf- und Stalaktitenformationen sowie Baumringen.
Die arktische Region ist vom Klimawandel schwer betroffen. Mittlerweile taut jedes Jahr periodisch der Permafrost. Der Weltklimarat der UN hat über lange Zeit beobachtet, dass die Temperaturen in der Arktis mindestens doppelt so schnell steigen wie im Rest der Welt. Neuere Untersuchungen zeigen, dass die Erderwärmung dort im Durchschnitt viermal und an bestimmten Orten bis zu siebenmal schneller voranschreitet als anderswo. Auch das Vorkommen von Eisbären, Narwalen und Weißwalen nimmt proportional zum Schrumpfen der Gletscher ab. Andrea und sein Team sollen bei ihren Bohrungen so viel Eis wie möglich sichern bevor es, im schlimmsten Fall, zu spät sein würde.
Der Gletscher Holtedahlfonna liegt weit von der Küste entfernt. Deshalb ist das Risiko, auf einen Eisbären zu treffen, hier eher gering. Trotzdem wechselt sich das Team mit einem Wachdienst ab, bei Tag und bei Nacht, auch aus Brandschutzgründen. Der Ort für die Bohrungen ist sorgfältig ausgewählt. Im Jahr 2005 hatte ein anderes Wissenschaftlerteam einen Eisbohrkern aus demselben Gebiet entnommen. Jetzt war geplant, das neue Material mit dem alten zu vergleichen, weil die Gletscher sich in den letzten 20 Jahren so stark verändert haben. Die Forschenden hoffen, die Veränderungen im Detail untersuchen zu können. Mit der modernsten Technik von heute können außerdem Analysen durchgeführt werden, die damals noch nicht möglich waren.
Unerwartetes Schmelzwasser
Der erste Eisbohrkern ist genau das, was die Crew sich erhofft hat. Die Bohrmaschine liefert meterlange Eiszylinder. Um sie sicher vom Gletscher abtransportieren zu können, werden sie in der Mitte durchgesägt, was das Gewicht jedes Bohrkerns halbiert. Danach werden sie in Kühlboxen verpackt, die aus recycelten Fischernetzen gefertigt sind.
Wenn ein Eisbär angreift, muss es immer möglich sein, ins nächste Haus zu flüchten.
Doch die Schwierigkeiten beginnen in einer Bohrtiefe von 25 Metern. Die Bohrmaschine ist ganz neu, aber vorher sorgfältig getestet worden. Das Problem ist, dass sie auf Wasser trifft. Eine riesige Menge an Wasser. »Die Gletscherschmelze hat überall auf der Welt ein hohes Tempo erreicht und wir wussten, dass es das Risiko gab, auf Schmelzwasser zu stoßen. Aber wir hatten nicht gedacht, dass es so schlimm sein würde«, sagt Andrea.
Die Forschenden bohren am Rand des Gletschers und auf abschüssigem Terrain. Bei der Expedition im Jahr 2005 war hier kein Wasser gefunden worden. Man war davon ausgegangen, dass dieser Ort nicht vom Schmelzwasser betroffen sei. Das war ein Irrtum. Die Gletscher verlieren also nicht nur an Masse, sondern büßen dabei auch ihren Kühleffekt ein. Es dauert nicht lange, bis der erste Bohrmotor streikt. Zum Glück haben sie noch vier in Reserve. Nach zwei Stunden sind 300 Liter Wasser aus dem Loch abgepumpt, aber es fließt ständig neues nach. Bei einer Bohrtiefe von 50 Metern legt der hohe Wasserdruck den zweiten Bohrmotor lahm. »Da wagten wir nicht mehr weiterzumachen«, sagt Andrea. »Wir begriffen, dass uns nichts anderes übrig blieb, als den Ort zu wechseln.«
Zwei Tage später wird die Bohrkuppel mit dem dazugehörigen Gerät um 150 Meter versetzt. Es stürmt schon wieder, aber die Crew hat keine Wahl. Gleich nachdem sie die Bohrung beginnen, stellen die Forschenden fest, dass die Eisbohrkerne, die am dichtesten unter der Oberfläche liegen, nicht mehr so kristallklar funkeln wie früher. Ist das auch ein Symptom des Klimawandels?
Das müsse man noch beobachten, sagt Catherine Larose. Sie ist Mikrobiologin am Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung in Frankreich. Wie Andrea hat sie an vielen Expeditionen nach Spitzbergen teilgenommen. Diesmal, fand sie, waren Stimmung und das Gemeinschaftsgefühl über- raschend gut, gerade vor dem Hintergrund der schwierigen Umstände. »Wenn es um das Thema Wissenschaft geht, denken viele, dass zwischen den Forscherinnen und Forschern sowie den unterschiedlichen Ländern, die an den Expeditionen teilnehmen, harter Konkurrenzkampf herrscht. Meine tiefe Überzeugung ist, dass wir kooperieren müssen. Der Klimawandel ist ein zu großes Problem, als dass jeder nur für sich arbeiten könnte. Wir müssen uns gegenseitig helfen«, sagt Catherine.
Am neuen Bohrungsort gelingt es dem Team dann, sich so tief wie möglich in den Berg hineinzuarbeiten, ohne auf Wasser zu stoßen. Sie müssen auch nicht bis auf 130 Meter kommen, wie sie gedacht hatten. Weil die Eistiefe hier geringer ist, ist jede Schicht in den Eisbohrkernen komprimierter. Eine Bohrung von 74 Metern genügt, um das gesamte Klimaarchiv heraufzubefördern. Im letzten Moment entschließen sie sich zu dem Versuch, noch einen dritten Eiskern herauszuholen. So können sie besonders viel Material erhalten, mit dem sich weiterarbeiten lässt. »Ich rechne damit, dass diese Bohrkerne uns mindestens einen Rückblick auf die letzten 300 Jahre ermöglichen«, sagt Catherine.
Als das Forschungsteam anfängt, sich durch den Schnee zurückzukämpfen, ereignet sich ein weiterer Wetterumschwung. Nach der extremen Kälte wird es auf einmal ungewöhnlich mild. Im Basislager bewegen sich die Temperaturen um den Nullpunkt und in großen Teilen Spitzbergens beginnt es zu regnen. Sie haben ihre kostbare Last auf Schlitten geladen, aber auf dem Rückweg vom Gletscher fahren sie sich in einem Schmelzwasserbach fest, der auf dem Hinweg noch nicht da gewesen ist. Es dauert drei Stunden, bis sie wieder loskommen und das Eis in Sicherheit bringen können. »Wenn man Schneescooter fährt, kann alles Mögliche passieren. Und so war es dann auch«, sagt Andrea. »Zum Glück schwammen die Boxen auf dem Schmelzwasser, genauso, wie es gedacht war. Die Bohrkerne haben nicht mal einen Kratzer abbekommen.«
Auf Grönland und in der Antarktis werden Eisbohrkerne oft mit Traktoren oder Helikoptern transportiert. Da macht es dann nichts, wenn die Kisten mehr als 100 Kilo wiegen. Aber auf Spitzbergen ist Andrea froh, dass sie die Bohrkerne halbiert und in relativ kleine Behälter gelegt hatten. Die Boxen wiegen jeweils nur 30 Kilo und lassen sich per Hand anheben. Trotzdem ist er nervös. »Erst als der letzte Eisblock in der Kühlung lag, konnte ich mich entspannen. Es war ein enormer Stress«, sagt Andrea.
Grotte für das Gletschereis
Nach 23 Tagen ist die Expedition abgeschlossen. Catherine ist für den Weitertransport innerhalb Europas verantwortlich. Die Eisblöcke werden vermutlich irgendwann im Spätherbst in Venedig eintreffen. Dort werden die Forschenden untersuchen, wie sich das Klima auf Spitzbergen verändert hat und welche Parameter die Gletscher am meisten beeinflussen.
Andrea wird sich die chemische Beschaffenheit des Eises näher anschauen und Catherine wird eine der weltweit ersten mikrobiologischen Analysen eines Eisbohrkerns durchführen. Das ist ein ganz neues Forschungsgebiet. »Auch früher haben Wissenschaftler schon Mikroorganismen im Eis untersucht, aber die Entwicklung der DNA-Technik in den letzten 15 Jahren ermöglicht inzwischen neue Analysemethoden. Geplant ist, die allererste Rekonstruktion der Veränderung eines Eiskerns im Jahresverlauf vorzunehmen, um zu sehen, wie die Zusammensetzung der Mikroorganismen unter verschiedenen Witterungen variiert. Ich finde das super spannend und ich hoffe, dass es funktioniert.«
Auch für den dritten und letzten Bohrkern gibt es schon große Pläne. Die internationale Organisation Ice Memory Foundation sammelt, bewahrt und verwaltet Eiskerne aus bedrohten Gletschern aller Welt, mit dem Ziel, sie für künftige Generationen zu sichern.
Das Problem ist, dass sie auf Wasser treffen. Eine riesige Menge an Wasser.
In den Jahren 2024 und 2025 soll eine 300 Quadratmeter große Grotte unter dem Schnee der Antarktis gebaut werden. Sie heißt Ice Memory Sanctuary und dient als Schutzraum für das letzte Gletschereis, das es noch gibt. Der Ort wurde dafür sorgfältig ausgewählt. Die Temperatur dort beträgt im Durchschnitt minus 54 Grad und sinkt teilweise sogar auf 84 Minusgrade. Die Eisproben sind damit gesichert, auch bei einem eventuellen Stromausfall. Kühlsysteme sind überflüssig.
Carlo Barbante ist Professor an Venedigs Universität, Chef des Polarwissenschaftlichen Instituts und Vizepräsident der Ice Memory Foundation. Als Kind konnte er im Sommer n den Alpen Ski fahren. Jetzt, nur wenige Jahrzehnte später, ist das undenkbar. »Es ist keine Übertreibung, wenn wir vom Kollaps der Gletscher sprechen«, sagt Carlo. Das neue Basislager für Eiskernbohrungen soll auf 3 200 Metern Höhe errichtet werden, neben dem französischitalienischen Forschungsstützpunkt Concordia in der Antarktis. Bis die Grotte fertig ist, wird das Eis an verschiedenen Orten der Welt verwahrt. »Das Ganze ist ein enormes Projekt, aber wir müssen jetzt handeln«, sagt Carlo. »Mir ist klar geworden, dass dieses riesige natürliche Klimaarchiv unter unseren Füßen verschwindet.«
Bislang haben Forschungsteams aus aller Welt Eisbohrkerne aus Ländern wie Frankreich, Bolivien und Russland zusammengetragen. Lange glaubte man, die Gletscher auf Spitzbergen seien noch so sehr intakt, dass ihr Eis nicht in das Projekt aufgenommen werden müsste. Aber die hohen Temperaturen der letzten Jahre haben diese Annahme zunichte gemacht und alles auf den Kopf gestellt.
Um zum Gletscher Holtedahlfonna zu gelangen, mussten die Forscherinnen und Forscher einen anderen Gletscher passieren, der in tiefer gelegenen Zonen schon so weit abgeschmolzen ist, dass sie sich nicht sicher waren, ob sie das Gebiet um den Berg überhaupt passieren können. Dieses Mal fuhren sie sich nur im Schmelzwasser fest. Doch schon in wenigen Jahren kann es zu riskant sein, das Gebiet überhaupt zu besuchen, geschweige denn zu durchqueren.
Je mehr sich die Erde erwärmt, desto mehr beschleunigt sich der Schmelzprozess, und es ist zu erwarten, dass der Holtedahlfonna in Zukunft für Forschungsteams nicht mehr zugänglich sein wird. »Vielleicht war das die letzte Chance, Eisbohrkerne aus diesem Gletscher zu holen«, sagt Andrea. »Ich freue mich sehr darüber, dass es uns gelungen ist.«
Das Ice Memory Sanctuary in der Antarktis
An der französisch-italienischen Concordia-Station, der einzigen internationalen Forschungsstation auf dem antarktischen Plateau, wird derzeit eine eigene Schneehöhle gebaut. Die vom italienischen Antarktisforschungsprogramm (PNRA) und dem französischen Polarinstitut betriebene Concordia-Station ermöglicht eine natürliche Speicherung bei -50 °C und bietet einen Standort mit einer Fläche von 300 m². Die erste Höhle soll zwischen 2024 und 2025 für die ersten Eisspeicherkerne zur Verfügung stehen. Trotz der zusätzlichen Komplexität des Transports in die Antarktis ist diese strategische Wahl aus mehreren grundlegenden Gründen von entscheidender Bedeutung, denn hier wird eine Langzeitkonservierung garantiert und die Proben können ohne Energieverbrauch für die Kühlung gelagert werden und sind somit auch vor technische Problemen, Wirtschaftskrisen, Konflikten, Terroranschläge usw. geschützt.
20 Jahre, 20 Gletscher
Das 2015 von französischen und italienischen Gletscherforschenden ins Leben gerufene Ice Memory Program zielt darauf ab, in den nächsten zwanzig Jahren in zwanzig Gletscher weltweit Material zu sammeln. Die ersten Bohrmissionen wurden in Frankreich, Bolivien und Russland abgeschlossen. Die Arbeit gliedert sich in drei Kategorien: Das Sammeln von Eisproben, die aufgrund ihres wissenschaftlichen Werts ausgewählt wurden. Diese Proben gehören der gesamten Menschheit und sollen sparsam und angemessen verwendet werden.
Zudem sollen Analysen an Referenz-Eisbohrkernen durchgeführt werden, um aktuelle Erkenntnisse zu gewinnen und eine Datenbank einzurichten, die der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft offen steht.
Vier Fragen an unsere Reporterin Anna
Was hat dich am Aufenthalt auf Svalbard am meisten fasziniert?
Es ist eine unglaubliche Landschaft. Die Bäume werden nur knöchelhoch und man muss einen bewaffneten Eisbärenwächter dabeihaben, wenn man das Dorf verlässt. Sowohl im Restaurant als auch in der Kneipe gibt es Waffenschränke im Eingangs- bereich. Das ist schon verrückt.
Was war das Anspruchsvollste da- ran, diese Reportage zu schreiben? Ich liebe es, Wissenschaftler zu interviewen, aber manchmal kann
es etwas schwierig sein, nerdige Fachbegriffe in etwas Verständliches zu übersetzen, mit dem jeder etwas anfangen kann.
Was ist für dich das Spannendste an der Arbeit des Forschungsteams? Die Logistik. Der Versuch, solch schwere Eiskerne über so weite Strecken zu transportieren, erfordert wirklich Planung. Nach dem Abstieg vom Gletscher ist es wichtig, dass die Kühlkette funktioniert, sonst be- steht im schlimmsten Fall die Gefahr, dass alle Arbeiten verloren gehen.
Wie berühren dich die Ergebnisse, die die Forscher herausgefunden haben, persönlich?
Ich schreibe viel über Wissenschaft und Klima und bin oft tief bewegt, so auch dieses Mal. Es ist schwer, das nicht zu sein, wenn die Gletscher der Welt buchstäblich vor unseren Füßen schmelzen. Außerdem habe ich eine kindliche Vorliebe für Eis. Es gehört zu den schönsten Dingen auf der Welt, die ich kenne.