Die kleine Hafenstadt Hvide Sande am Ringkøbing-Fjord wurde von Menschen gegründet, für die das Meer unentbehrlich ist – den Fischern. Noch heute lebt die raue Stadt an der dänischen Nordseeküste von der Fischerei. Kutter machen sich bei Sonnenaufgang auf den Weg hinaus aufs Meer und ihr Fang lässt sich wenig später in den kleinen bunten Buden am Hafen erwerben. Langhaarige, noch halb nasse Menschen rollen nicht selten mit einem Fischbrötchen in der Hand auf einem Longboard durch das Hafenviertel. Mit ihrer Lage am Fjord, der nur durch eine schmale Landbrücke vom Meer getrennt liegt, ist die Region nämlich auch ein beliebtes Revier für Surfer.
Herausforderung für jeden
Jedes Jahr Mitte September findet in Hvide Sande das »Waterz«-Festival statt. Windsurfer, Wellenreiter, Kiter, Kajakfahrer, Wakeboarder und Standup-Paddler aus aller Welt kommen dann an die Westküste Dänemarks, um in Wettkämpfen gegeneinander anzutreten, Material zu testen, die neuesten Tricks zu lernen und Zeit miteinander zu verbringen. Auch Festivalbesucher ohne jegliche Vorkenntnisse im Wassersport können hier ein SUP-Paddel ins Wasser stechen, sich einer kräftigen Böe mit dem Windsurfsegel entgegenstellen oder mit dem Wakeboard über die See fegen.
»Wir möchten jeden dazu ermutigen, an einem der Workshops teilzunehmen und zu erfahren, wie es sich anfühlt, auf dem Wasser zu sein«, sagt Katrine Kock Frandsen, die gemeinsam mit vielen Freiwilligen das »Waterz«-Festival in ihrer Heimatstadt organisiert.
»Mit dem Festival wollen wir Menschen und Meer zusammenbringen. 2016 waren wir im Rahmen des »Waterz«-Festivals sogar Gastgeber der PWA-Windsurf World Tour im Slalom, die damit auch das erste Mal in Dänemark ausgetragen wurde. Das macht uns natürlich super stolz«, sagt Katrine. Die Besucher können sich dank Food Trucks mit lokalen Speisen stärken. Abends gibt es Livemusik und eine grosse Party mit DJs inklusive einer tobenden Surfertanzfläche.
Dänemark wird aktiv
In der Nähe der Südmole, an der sich bei guten Bedingungen scharenweise Wellenreiter sammeln, um mit ihren Boards die herein-rollenden Sets abzureiten, befindet sich auch das West-wind Surfcafé von Hvide Sande. Hier hat während des Festivals die dänische Organisation Plastic Change ihre Zentrale, die jeden Morgen eine Plastiksammelaktion am Strand organisiert. Küstenbesucher werden mit Tüten ausgestattet und gehen auf Jagd nach Plastik, das dort haufenweise angespült wird, oder sich als Rudiment des intensiven Sommertourismus an den Stränden auftürmt.
»Das Meer gibt uns Menschen hier so viel – für die Fischer ist es eine existenzielle Einnahmequelle, für uns Surfer ein unendlicher Abenteuerspielplatz«, sagt Lisbeth Engbo von Plastic Change. »Vielen ist nicht bewusst, dass an der dänischen Nordseeküste jährlich 1 000 Tonnen Plastik angespült werden. Meeressäuger, Vögel und Fische können sich in den alten Fischernetzen, Seilen und Tüten verfangen oder schlucken die Plastikteile hinunter. In den meisten Meeresvögeln, Fischen und Schalentieren sind heute Spuren von Plastik zu finden. Wir stehen vor einer Plastikmüllkrise.« Lisbeth und ihre Kollegen haben unter anderem das Konzept »Plastikfreier Ozean« entwickelt, das aus fünf verschiedenen Projekten besteht, die die dänische Bevölkerung dazu aufrufen, selbst etwas gegen das Plastik im Meer zu tun.
Die kostenlose App Beat the Microbeat, die Usern verrät, welche Kosmetika Plastik enthalten, ist eine der fünf Maßnahmen. So wird es Konsumenten erleichtert, plastikhaltige Produkte zu erkennen und bewusst zu meiden.
Ein weiteres Projekt ist der Fotowettbewerb »Beauty and the Beast«. Fischer, Segler, Surfer oder Angler, die häufig am, im und auf dem Meer unterwegs sind, sollen die Umweltverschmutzung durch Plastik mit Fotos dokumentieren.
Symbole der Gefahr
Das Projekt »Küste ohne Plastik« animiert jeden dazu, Strände von Plastikmüll zu befreien. An verschiedenen Orten entlang der dänischen Westküste finden im Rahmen von Festivals und anderen Aktivitäten gemeinsame Sammelaktionen statt. So befreien auch die Wassersportler in Hvide Sande während des »Waterz«-Festivals den Strand von Hunderten Säcken Plastik. Ihre Beute wird später sortiert und in kleine Teile gespalten.
Die Aufgabe dieses Kunststoffes ist nämlich noch nicht vorbei. Im Gegenteil, ihm wird eine moralische Mission zuteil. Das dänischisländische Architekturbüro Krads designt Sitzgelegenheiten und Mülleimer aus dem recycelten Plastik.
Gerade haben die kreativen Skandinavier den ersten Prototypen einer Bank produziert. Die Sitzbänke und Abfallbehälter sollen fortan als warnendes Symbol für Umweltverschmutzung durch Plastik entlang der dänischen Nordseeküste stehen. Dabei sollen sie auch zeigen, dass Plastik über ein großes Recyclingpotenzial verfügt.
Nicht zuletzt dienen diese Kunstwerke auch als Denkanstoß, selbst neue Lösungen zu finden, um das Meer nachhaltig vor Plastik zu schützen.