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Oft wird Linda Åkerberg gefragt, warum sie allein in die Wildnis geht. »Das Wort ›Allein‹ spiegelt ein negatives Gefühl von Einsamkeit wider. Aber ich erlebe das genaue Gegenteil. Ich spüre Zugehörigkeit, sowohl zur Natur als auch zu mir selbst. Daher sage ich lieber, dass ich gern mit mir selbst in der Natur bin.«
Das Alleinsein in der Natur ist eine Möglichkeit, in sich selbst zu landen.
Als Linda im Jahr 2015 mit dem Wandern begann, befand sie sich in einer schwierigen Phase und brauchte Zeit für sich selbst, um darüber nachzudenken, wie ihr Leben zukünftig aussehen sollte. »Ich habe gemerkt, dass es mir Stärke gibt, solo unterwegs zu sein.« Linda ist schon, solange sie denken kann, immer ihren Weg gegangen. »Es ist unglaublich luxuriös, Zeit nur mit mir selbst zu verbringen. Es kommt in unserem Alltag sehr selten vor, dass wir zu 100 Prozent wir selbst sein können und uns nicht an andere Menschen anpassen müssen. Ich glaube, dass wir, egal ob wir uns mit Freunden, der Familie, Kollegen oder Fremden treffen, eine bestimmte Rolle einnehmen. Das Alleinsein in der Natur ist eine Möglichkeit, in mir selbst zu landen.«
Linda genießt dabei auch, die gesamte Wanderung vollständig an ihre Befindlichkeiten anpassen zu können. »Ich kann campen, wo ich will, schlafen, so lange oder wenig wie ich möchte und so weit oder so kurz laufen, wie es mir passt – ganz in meinem Tempo. So kann ich innerlich spüren, was ich selbst benötige.« Auch wenn Linda heute gerne gemeinsam mit anderen wandert, nimmt sie sich immer wie- der Zeit für ihre Solo-Touren.
»Man kann sich dabei nicht auf das Wissen oder Equipment einer anderen Person verlassen und muss den Mut haben, in schwierigen Situationen die richtige Entscheidung zu treffen. Anfangs kann es sich unangenehm anfühlen, aber es gibt unglaublich viel Kraft.«
Die herausforderndsten Momente für Linda auf ihren Alleingängen aber sind die Augenblicke, in denen negative Gedanken entstehen. »Wenn man solo unterwegs ist, ist es schwieriger, aus frustrierenden Gedankenspiralen auszubrechen, aber wenn man es einmal geschafft hat, dann ist die Belohnung umso größer.«
Lina Hallebratt
Vor zehn Jahren planten Lina Hallebratt und ihre Freunde, mit Skiern auf dem Vita Band von Grövelsjön nach Treriksröset zu fahren. Doch als die Abreise schließlich näher rückte, sprang einer nach dem anderen ab – und wer war am Ende noch übrig? Nur Lina. »Ich wollte unbedingt los, also war das Einzige, was ich tun konnte, es alleine zu versuchen. Und es lief unglaublich gut.«
Seitdem hat Lina unzählige Touren auf eigene Faust gemacht und ist eine von Schwedens erfahrensten Solo-Abenteurern. »Es ist tausendmal besser, alleine zu sein als in der falschen Gesellschaft. Erlebnisse mit anderen zu teilen kann toll sein, aber es ist schwer, jemanden zu finden, mit dem man völlig im Einklang ist. Man entgeht so einigen Konflikten, wenn man nur mit sich unterwegs ist. Ich denke auch, dass man viel aufmerksamer seine Umgebung wahrnimmt und präsenter im Jetzt ist. Die eigenen Sinne werden geschärft.«
Es ist tausendmal besser solo zu sein als in schlechter Gesellschaft
Ein weiterer Vorteil der Solo-Touren ist laut Lina, dass man einfacher in Kontakt mit anderen Menschen kommt. »Als ich eines Sommers eine Bergkette in den Karpaten überquerte, traf ich auf einige Hirten. Sie lebten sehr arm, teilten jedoch das, was sie hatten, mit mir. All diese Zusammenkünfte haben mir klar gemacht, dass die Welt gut ist und dass es viele nette, hilfsbereite Menschen gibt.«
Das Gefühl von Sicherheit ging jedoch abrupt verloren, als Lina auf einer Radtour durch Europa eines Nachts von einem Mann angegriffen wurde, der versuchte, sie aus- zurauben, während sie in ihrem Zelt schlief. »Danach war es erstmal nicht einfach, wieder zu campen. Ich erlitt eine Quetschung der Hand, aber auch psychische Schäden. Ich traf einen Therapeuten, der mir Werkzeuge an die Hand gab, um den Vorfall zu verarbeiten. Ich erkannte auch, dass ich schnell wieder aufs Pferd steigen musste. Ich ging wieder los, aber es war hart. Anfangs bekam ich Panikattacken, sobald nur ein Ast gegen das Zelttuch schlug.« Lina hat Wege gefunden, mit ihrer Angst umzugehen. So hat sie zum Beispiel nachts im Zelt viel Radio gehört, um sich zu beruhigen.
Sie ist überzeugt davon, dass man nicht auf andere warten sollte, um sich seine Träume zu erfüllen. »Oft sind die Gefahren nur im Kopf. Wenn du zum ersten Mal alleine campst, kannst du an Orten beginnen, an denen du dich sicher fühlst. Es gibt keine Tour, die durchweg fantastisch ist. Wenn es schwierig wird, kannst du dich daran erinnern, warum du das machst. Und wenn es zu anstrengend ist, kannst du überlegen, ob es möglicherweise daran liegt, dass du heute zu wenig gegessen hast oder etwas zu weit gelaufen bist, anstatt aufzugeben.«
Peter Persson
Peter Persson ist über Spitzbergen Ski gefahren, durch Alaska gepaddelt, im Regenwald Tasmaniens gewandert und unternahm unzählige Reisen in Schwedens Wildnis. Normalerweise ist er für Social Media bei dem schwedischen Outdoor-Geschäft Naturkompaniet zuständig und betreibt nebenher die Website und den Instagram-Account »In i vildmarken« (dt. hinein in die Wildnis) sowie einen eigenen Kanal auf Youtube, wo er seine Nöte und Strapazen teilt, Ausrüstung testet und Tipps zu verschiedenen Routen gibt. Mit seinen Videoclips möchte Peter andere dazu inspirieren, loszugehen.
Habe einen Plan für unvorhergesehene Vorkommnisse auf dem Weg.
Sein wichtigster Rat für unerfahrene Solo- Abenteurer ist: Fange klein an und steigere dich schrittweise. »Mache Tageswanderungen auf eigene Faust. Du kannst versuchen, die Nacht alleine zu verbringen, um sowohl dich als auch deine Ausrüstung besser kennenzulernen. Der nächste Schritt kann eine längere Wanderung sein, zum Beispiel auf dem Kungsleden oder Sörmlandsleden. Danach kannst du dich, wenn du es möchtest, auch in unbekannteres Terrain wagen. Überlege auch, welche Fähigkeiten du dazu benötigst. Es ist zum Beispiel gut, die Grundlagen der Navigation zu kennen und zu wissen, wie man sein Zelt sicher aufstellt.« Für längere Solo-Abenteuer in der Wildnis bereitet Peter auch sein Umfeld entsprechend vor.
»Ich sage immer jemandem zu Hause Bescheid, wo ich hingehe, was genau ich vorhabe und wann ich plane, zurück zu sein. Es ist wichtig, in jedem Falle Kontakt mit der Außenwelt aufzunehmen, falls einem etwas passieren sollte. Und einen Plan zu haben, für unvorhergesehene Probleme unterwegs, zum Beispiel wenn das Wetter plötzlich umschlägt.«
Laut Peter vertieft sich nicht nur das Naturerlebnis, sondern auch jede Emotion, wenn man alleine auf Tour ist. »Sollte sich das Gefühl der Einsamkeit einschleichen, dann kann es hilfreich sein, sich zu beschäftigen. Ich habe immer ein Fernglas bei mir. Du kannst auch ein Hörbuch hören, ein Tagebuch schreiben oder etwas anderes tun, um dich zu unterhalten.«