Frischer Pfefferminztee, Kunst und Natur sind drei Leidenschaften von Frida Ottesen aus Stavanger. Sie ist Sprecherin für die norwegische NGO »Framtiden i våre hende« (dt. die Zukunft in unseren Händen) und schreibt auf ihrem grünen Blog über fair produzierte Kleidung und einen nachhaltigen Lebensstil. Wer, wenn nicht sie, wäre ein besserer Guide auf meiner Tour durch Norwegens viertgrößte Metropole, auf der ich neben der Historie auch die neuen und alternativen Seiten der Stadt kennenlernen möchte. Frida und ich treffen uns am Hafen. »Am besten starten wir in Gamle Stavanger, der Altstadt. Aber pass auf: Da gibt es so viel zu entdecken, dass man leicht hängen bleibt«, lacht Frida. Wir streifen durch die engen Kopfsteinpflastergassen mit ihren 173 weiß gestrichenen Holzhäusern, die aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts stammen.
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Buntes Kleinstadtleben
Vorbei an winzigen Ateliers und Kunsthandwerkerläden erreichen wir das Konservendosenmuseum, das in einer alten Fischdosenfabrik untergebracht ist. Die Sardinenfabriken brachten Ende des 18. Jahrhunderts den wirtschaftlichen Aufchwung in die Stadt. In der benachbarten Hütte erfährt man, wie die Arbeiter damals lebten. Wir inspizieren die niedrigen Räume mit den alten Möbeln, blättern in nostalgischen Magazinen und kosten die traditionellen Waffeln, die so schon damals auf den Küchenherden gebraten wurden.
Nachdem wir uns auf dem Bauernmarkt mit Ziegenkäse, Honig und Kräutern aus der Region Rogaland eingedeckt haben, bummeln wir die Fargegatan hinauf, eine charmante kleine Fußgängerstraße mit knallbunt angestrichenen Häusern, in der sich Läden, Cafés und Barbiere niedergelassen haben. »Hier trifft man immer jemanden, den man kennt. Und wenn nicht, dann setzt man sich einfach irgendwo dazu. Da sind wir aus Stavanger ziemlich offen – auch wenn das auf Großstädter vielleicht etwas befremdlich wirken mag«, lacht Frida. Tatsächlich treffen wir in der bunten Straße direkt drei ihrer Freundinnen und trinken in Fridas Lieblingscafé Bøker og børst, zusammen Tee.
Alte Schätze – neue Kunst
Seit Frida 2013 im Rahmen des Projekts Sweatshop die Arbeitsbedingungen von Textilarbeitern in Kambodscha am eigenen Leib erfuhr, kämpft sie gegen die Ausbeutung in der Bekleidungsindustrie und inspiriert ihre Mitmenschen zu ethischem Handeln – unter anderem durch regelmäßige Kleidertauschaktionen im Stadtpark. Jetzt führt sie mich zum Secondhandshop Fretex in der Breigata. »Das ist hier wie auf Schatzsuche. Man weiß nie, ob, wo und was man finden wird«, sagt sie. Wir stöbern uns durch die vielen Wollpullover mit den traditionellen Norweger- Mustern und überlegen, wer diese wohl einmal beim Fischen in den Fjorden getragen haben mag.
Ob an Häuserwänden oder Mauern, überall in der Stadt stoßen wir auf Straßenkunst. Der Künstler Martyn Reed gründete 2001 das Nuart Festival für Urban- und Street-Art. Jedes Jahr kommen internationale Graffiti-Künstler in die Stadt und toben sich an Stavangers Wänden aus. Im Geoparken, einem skurril-industriell anmutenden Spielplatz im Bohrinselstil, treffen wir die Jungs vom Urban Hands-Projekt, die gerade ein riesiges pinkfarbenes Einhorn an eine Mauer sprühen. Sie organisieren regelmäßig kostenlose Graffiti-Workshops für Kinder und Erwachsene.
Kreativität und Kombucha
Schließlich landen wir im Osten der Stadt, dem alten Arbeiterviertel Stavangers. Hier ist auch die Tou-Scene zu Hause, eine Künstler-Community in der ehemaligen Tou-Brauerei, die einst in das leer stehende Gebäude einzog und seitdem rund ums Jahr unterschiedliche Events organisiert. Auf dem Gelände liegt auch das Fourtou, ein beliebter Streetfood-Laden, vor dem die Einheimischen täglich Schlange stehen. Bevor Frida und ich uns verabschieden, trinken wir noch einen lokal produzierten Kombucha in Fridas Lieblingsladen Fermenten, in dem es eine riesige Auswahl an fermentierten Produkten gibt. »Stavanger ist zwar klein, aber wir stehen nie still, hinterfragen, denken um und verändern«, sagt meine Begleiterin.
Am Abend wandere ich auf einem kleinen Küstenpfad um Godalen. Ich lasse mich auf einem Felsen am Wasser nieder und blicke noch einmal auf die mächtigen Berge am Fjord. Dank Frida habe ich heute diese wandelbare Stadt näher kennengelernt, mit ihrer ganz eigenen Geschichte, die sich ständig weiterschreibt. Ich bin gespannt auf das nächste Kapitel.
NORR Stavanger-Guide
Unterkunft
Scandic Hotel Stavanger
Das Scandic bietet auch in Stavanger durchdesignte Zimmer sowie originelle Speisenkonzepte mit regionalen Komponenten und Bioprodukten. Fahrradverleih und Ladestation für Elektroautos sind vorhanden.
Clarion Collection Skagen Brygge
Das Hotel, direkt an der Wasserkante im Zentrum mit Blick auf den Hafen, ist Mitglied der Nordic Choice Hotels, die sich vielseitig ökologisch und sozial engagieren. Ein großes Abendbuffet ist inklusive.
Essen und Trinken
Fermenten
In einem Mix aus Restaurant und Laden mit regelmäßigen Workshops und Musikevents gibt es Biogerichte mit vielen vegetarischen und veganen Optionen. Spezialitäten sind Kombucha und Sauerkraut.
Egget
Im Egget ändert sich die Speisekarte stetig. Eine Preisliste gibt es nicht. Auf den Tisch kommt, worauf die Köche beim Einkauf Appetit verspüren. Die Zutaten sind lokal erworben und immer frisch.
Renaa
Der Spitzenkoch Sven Erik Renaa schwingt im nach ihm benannten Restaurant den Kochlöffel und bereitet traditionelle nordische Speisen mit modernem Touch, aus Zutaten der Saison von Bauern aus der Region.
Fortou
Das Fortou-Take-away mit seinem aus aller Welt inspirierten Streetfood hat Kultstatus. Die Schlange vor dem kleinen Graffiti-Schuppen ist stets lang. Wer mag, setzt sich mit dem Essen auf ein Bier ins benachbarte Øst.
Cafés
Bøker og børst
Das gemütliche Café in der Fargegatan ist der Treff für Locals, die hier bei ökologischem Fairtrade-Kaffee und Tee, Säften und frisch gebackenem Kuchen plaudern und Brettspiele spielen.
Frøken Phil
Im Frøken Phil gibt es fair gehandelten Kaffee und Tee, lokal produzierte Säfte, viele Sorten Eiscreme und auch einige warme Speisen. Besonders empfehlenswert: das vegane Chili sin Carne.
Jacobs Brød
Die ökologische Bäckerei in Stavangers Osten ist neben frischem Brot und Kuchen bekannt für ihre Suppen und die besten Pizzen der Stadt, für die sich der Fußmarsch aus dem Zentrum lohnt.
Kunst und Kultur
Gamle Stavanger
Die 173 kleinen weißen Holzhäuser der Altstadt bilden das historische Herz Stavangers. An jeder Ecke findet man Rosengärten, kleine Ateliers und Kunsthandwerk.
Norsk Oljemuseum und Geoparken
Im Erdölmuseum kann man sich mit der Erdölindustrie und Offshore-Förderung auseinandersetzen. Der dazugehörige Geopark ist ein industrieller Spielplatz zum Klettern, für Graffiti, Theater und Konzerte.
Tou Scene und Nuart Festival
In den leer stehenden Gebäuden der Tou-Brauerei ist ein Treffpunkt für Künstler mit 450 Events im Jahr entstanden. Höhepunkt der Straßenkunst ist das im August/September stattfindende Nuart Street Festival.
touscene.com, nuartfestival.no
Fargegatan
In den knallbunten Holzhäusern der Fargegatan (Øvre Holmegate) findet man Cafés, kleine Geschäfte und Barbiere. 2005 verlieh der Künstler Tom Kjørsvik dem Local-Treffpunkt von Stavanger diesen Anstrich.
Norsk Hermetikmuseet
In einer alten Fabrik befindet sich das Norwegische Konservenmuseum. Im Arbeiterhaus erfährt man, wie die Angestellten lebten und kann traditionelle Waffeln kosten.
Stavanger Kunstmuseum
Im Kunstmuseum kann man norwegische Kunst vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart in vielen unterschiedlichen Ausstellungen erleben. Samstags kostet der Eintritt nur die Hälfte.
Coole Ware
Moderne Vintage
Die Besitzer des kleinen Antik-Shops für Möbel, Design, Kunst und Vinylplatten erwerben ihre Schätze größtenteils von Höfen aus der umliegenden Region Jæren.
Fretex Breigata
In dem Secondhandshop gibt es Kleidung für jeden Anlass. Zudem findet man hier viele Wollpullover mit den traditionellen norwegischen Strickmustern.
Mido Fair Fashion
Ethisch korrekt hergestellte und ökologisch verträgliche Bekleidung kann man in dem kleinen Fairtrade-Laden Mido erwerben. Momentan ist er nur an ausgewählten Tagen geöffnet.
Bondens Marked
Auf dem Domkirchenplatz findet samstags der Bauernmarkt statt. Farmer aus Rogaland bieten Gemüse, Wurst, Ziegenkäse, Pflanzen, Wollprodukte und Blumen an.
Nachtleben
Øst
Die auf dem alten Gelände der Tou-Brauerei gelegene Bar offeriert zwölf Biersorten aus dem Zapfhahn und lokale sowie internationale Flaschenbiere. Wer mag, probiert sich bei einer Verkostung durchs Gesamtsortiment.
Hanekam
Im Hanekam mitten auf der Fargegatan tanzen Stavangers Skater und andere Ausgehfreudige zu Punk, Elektro und Hip-Hop und schlürfen kreative Cocktails sowie kurz und länger gereiste Biere.
Checkpoint Charly
Die Kultbar Checkpoint Charly gehört zum Urgestein des Stavanger Nachtlebens. Rock- und Indiefans sollten dieses alteingesessene Etablissement am Wochenende für Konzerte und DJ-Sets aufsuchen.
Urban Outdoor
Godalen
Godalen mit seiner Badestelle und tollen Ausblicken kann man erwandern oder erjoggen. Ab dem Breidvik-Hafen folgt man immer dem Küstenpfad und trifft im Sonnenuntergang grillende Einheimische.
Botaniske Hage
Der botanische Garten mit seinen Kräuter- und Gemüsebeeten bietet sich für Lauftouren oder Spaziergänge mit Picknick an. Vom Ullandhaugtårnet hat man einen schönen Blick über die Stadt.
Mosvatnet und Vålandsskogen
Die Spazier- und Joggingrunde um den vogelreichen See Mosvatnet ist drei Kilometer lang. Wer mag, verlängert in den Wald Vålandsskogen, in dem der Aussichtsturm Vålandstårnet thront.
5 Naturwunder nahe Stavanger
Lysefjord
Auf dem 1,5 Fahrstunden entfernt liegenden Lysefjord kann man mit dem Kajak zwischen mächtigen Bergen, alten Bauernhöfen, Wasserfällen und Seehundkolonien paddeln.
Preikestolen
Die berühmte Felsenformation Preikestolen erreicht man nach ca. 1,5 Stunden Fahrt und einer 3,8 Kilometer langen Wandertour. Belohnt wird man mit einem spektakulären Ausblick.
Kjerag
Der 1 084 Meter hohe Kjerag mit seinem in einer Felsspalte verkeilten Stein befindet sich gut 2,5 Fahrstunden von Stavanger entfernt. Die schweißtreibende Wanderung hinauf zieht sich über zehn Kilometer Länge. .
Jæren
Surfer tummeln sich vor den Sandstränden von Sola, Hellestø und Bore, 15 bis 30 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Auch ohne Board ist die ländliche Küstenlandschaft Jæren lohnenswert.
Flor & Fjære
Auf der kleinen Insel vor Stavanger blühen dank des besonderen Klimas exotische Pflanzen in den buntesten Farben. Das tropische Palmen-Eiland erreicht man nach 20-minütiger Bootsfahrt.