Viermal im Jahr werden ganz gewöhnliche Menschen in zahlreichen Ländern für einen Tag zu Chefköchen und Restaurantbesitzern – ganz ohne Bürokratie. Beim »Restaurant Day« darf jeder seine Gäste nach Lust und Laune bekochen.
Der Traum vom eigenen Restaurant oder Café treibt viele Menschen irgendwann im Leben einmal um. Für die meisten hört der Spaß aber schnell wieder auf, wenn sie sich mit den Vorschriften und Risiken beschäftigen, die ein solches Unterfangen mit sich bringt. Doch gerade die Bürokratie lieferte den Anstoß für ein kulinarisches Lauffeuer der besonderen Art. Im Mai 2011 fand in der finnischen Hauptstadt der erste »Restaurant Day« statt. Der viermal im Jahr stattfindende »Food Carnival«, bei dem jeder für einen Tag Chefkoch sein und eigene gastronomische Kreationen mit anderen teilen kann, ist mittlerweile mit weit über tausend Restaurants in über 30 Ländern vertreten – Tendenz steigend.
Eine andere Welt
Strikte Regulierungen haben in Skandinavien Tradition. »Die Bürokratie will eigentlich nur das Beste für die Menschen, erreicht aber das Gegenteil«, so Timo Santala, einer der Gründer des »Restaurant Day«. Während ein Freund von ihm an den Planungen für ein eigenes Restaurant verzweifelte, träumte er von seinem eigenen Fahrradimbiss mit Bier und Wein, Sandwiches und Tapas. Als sie frustriert die Köpfe zusammensteckten, entstand die Idee des »Restaurant Day«: Einen Tag lang »Restaurantbesitzer« und Chefkoch sein – ganz ohne Genehmigungen.
Gut vernetzt mit dem jungen, kreativen Finnland machten sich Timo Santala und seine Freunde auf die Suche nach Mitstreitern und wurden schnell fündig. Beim ersten offiziellen »Restaurant Day«am 21. Mai 2011 nahmen bereits über 40 Privatrestaurants im ganzen Land teil. Die umfangreiche Berichterstattung half dabei, das Interesse an einem weiteren »Restaurant Day« anzuheizen. Was sich erst im Nachhinein herausstellte: Ein Privatrestaurant, das höchstens einmal im Monat geöffnet hat, ist in Finnland legal. Ähnlich sieht es auch in vielen anderen Ländern aus.
Das Konzept ist denkbar einfach. An vier Tagen im Jahr kann jeder sein eigenes Restaurant eröffnen und über die Homepage registrieren. Über die App oder die Karte auf der Homepage kann man sich dann über die Restaurants in seiner Nähe informieren. Was man anbietet und wie man sein Restaurant gestaltet ist jedem selbst überlassen. Laut Timo Santala geht es beim »Restaurant Day« vor allem darum, den Leuten »eine andere Welt« zu zeigen, in der man den Menschen selbst, statt den behördlichen Richtlinien vertraut. »Wem Freiheit gegeben wird, der nimmt diese auch verantwortungsvoll an«, so beschreibt Santala den Grundgedanken seiner Idee.
Diese Freiheit hat bei den selbsternannten Chefköchen in der ganzen Welt eine große kreative Vielfalt zum Vorschein gebracht. Das Menü reicht von russischen Blinis, die in einem Körbchen aus der dritten Etage herabgelassen werden, über ein Wikinger-Menü in einem Tattoo-Laden bis hin zu einem Restaurant, das Katerpizza mit zugehöriger Kopfschmerztablette serviert und alte MacGyver-Folgen zeigt.
Es kann überall passieren
Dass sich der »Restaurant Day« so schnell über die Grenzen Finnlands hinaus ausbreiten konnte, liegt vor allem am guten Netzwerk von Santala und seinen Mitstreitern. Beim zweiten »Restaurant Day« waren bereits vier Länder dabei. Sogar auf Island ist der Tag des Privatrestaurants mittlerweile fest etabliert. Für Reykjavík trifft zu, was auch für andere Städte gilt: Verbreitet wird der »Restaurant Day«oftmals durch die junge, kreative Szene. Lokale Botschafter informieren vor Ort über das Konzept und dienen als Ansprechpartner für Presse und Öffentlichkeit. »Im Prinzip ist aber jeder, der ein eigenes Restaurant eröffnet, Botschafter für den »Restaurant Day«, so Santala.
Die Motivationen der teilnehmenden Köche und Köchinnen ist dabei so vielfältig wie die Restaurants. Ob der »Restaurant Day« auch eine politische Botschaft beinhaltet oder lediglich eine neue Form sozialen Get-togethers ist, wird von den Beteiligten sehr unterschiedlich beantwortet. Nach Timo Santala hat der »Restaurant Day« jedoch eine klare politische Orientierung: »Es geht um den Aufbau einer anderen Gesellschaft, als wir sie hier und jetzt haben.« Wichtiger als die politische Botschaft ist ihm aber, dass die Menschen den »Restaurant Day« einfach bei sich vor Ort ausprobieren, gemäß seinem Motto: »Es kann überall passieren!«