Reykjanes: Ein Hotspot für nachhaltigen Tourismus
Die westisländische Halbinsel Reykjanes gilt als eine der nachhaltigsten Reiseziele der Welt. NORR wollte wissen, was den Geotourismus in der Region auszeichnet und wie dort die natürlichen und kulturellen Schätze bewahrt werden.
Sprudelnde Quellen, karge Lavafelder, schroffe Klippen und schwarze Sandstrände. Südwestlich von Islands Hauptstadt Reykjavík streckt sich die stiefelförmige Halbinsel Reykjanes (freiübersetzt: Rauchspitze) in den Nordatlantik, eine einzigartige Naturlandschaft, geschaffen durch ein geologisches Phänomen: Die Halbinsel liegt direkt auf dem mittelatlantischen Rücken. Hier verläuft die Grenze zwischen der nordamerikanischen und der eurasischen Kontinentalplatte, die sich jedes Jahr um etwa zwei Zentimeter verschiebt. Die Folge: eine außergewöhnlich hohe vulkanische und geothermische Aktivität.
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Seit 2015 ist Reykjanes einer von zwei UNESCO-Geoparks auf der Atlantikinsel, und somit eine Region von großer geowissenschaftlicher Bedeutung, um die ganz besonders Sorge getragen wird und wo Menschen Erdgeschichte unmittelbar erleben können. Leistungen, diesen Naturschatz zu schützen und gleichzeitig zu Nutzen zu machen, wurde die Region Reykjanes in diesem Jahr bei den Sustainable Destinations Top 100 Awards mit dem dritten Platz in der Kategorie Earth Award ausgezeichnet. Damit werden vor allem die Umwelt- und Klimaschutzbemühungen der Destination hervorgehoben.
Erdgeschichte erleben
»Wir wollen eine nachhaltige Form des Geotourismus in unserer Region entwickeln, in dem wir die natürlichen und kulturellen Werte schützen«, erklärt Eggert Solberg Jonsson, Leiter des Geoparks in Reykjanes. »Die Besucher sollen sich Zeit nehmen, den besonderen Charakter der Gegend zu entdecken und dabei rücksichtsvoll mit der Natur umgehen. Wir arbeiten eng mit Visit Reykjanes und den Tourismusunternehmen zusammen, um vor Ort verantwortungsbewusste Angebote zu schaffen.«
Zahlreiche Infrastrukturprojekte wurden in den vergangenen Jahren realisiert: Neue markierte Wanderwege führen durch das geothermische Gebiet von Gunnuhver. Lehrpfade rund um den Leuchtturm von Reykjanes, wo sich der mittelatlantische Rücken aus dem Meer erhebt, machen die Naturwunder zugänglicher. Und Aussichtsplattformen wie zum Beispiel am Brimtetill, einem durch Meereserosion entstandenen Naturpool an der Südspitze der Halbinsel, versprechen spektakuläre Aussichten und schützen gleichzeitig die Landschaft vor ihren Bewunderern. Im Jahr 2015 wurde im in Keflavík das Visitor Center des UNESCO-Geoparks eröffnet, in dem Besucher interaktiv ihr Wissen über die Erdgeschichte und die geothermischen Phänomene der Halbinsel erweitern können. Als weiteres Projekt nennt der Geopark-Chef den neu etablierten Wanderweg, der das malerische Hafenstädtchen Grindavík mit Reykjanes’ größter Touristenattraktion verbindet, dem Thermalbad Blaue Lagune (isl. Bláa Lóni›).
Ressourcen nutzen
Die künstliche Lagune auf dem Lavafeld Illahraun steht bei Weltenbummlern ganz oben auf der Bucket List. Über eine Million Menschen pressen jährlich in dem dampfenden hellblauen Wasser ihre Körper aneinander – ein Anblick, bei dem man eigentlich zunächst nicht unmittelbar an Ökotourismus denkt. Dennoch gilt das Spa- Bad als Paradebeispiel dafür, wie man auf Reykjanes die natürlichen Ressourcen auf nachhaltige Weise nutzt und dabei ökonomische und ökologische Interessen miteinander verbindet. »Wir sind ein Pionier bei der Nutzung von Geothermie und decken beinahe den gesamten Energiebedarf der Region mit der Wärme aus der Erde«, erklärt Eggert Solberg Jonsson. Die Blaue Lagune liegt im sogenannten Ressourcen-park, einem speziellen Industriegebiet in der Nähe der beiden Geothermie-Kraftwerke Svartsengi und Reykjanes. Hier können Unternehmen aus den Bereichen Kosmetik, Biotechnologie und Aquakultur die erzeugte thermische Energie direkt nutzen und gleichzeitig voneinander profitieren. So ist das warme Thermalwasser der Blauen Lagune ein Abfallprodukt des benachbarten Kraftwerks Svartsengi. Und mit dem CO2-reichen thermischen Gas, das bei der Energieproduktion freigesetzt wird, füttert die Blaue Lagune die in der eigenen Kosmetiklinie verwendeten Algen. »Mit solchen Kooperationen verfolgen wir das Ziel einer Zero-Waste-Gesellschaft, in der alle Ressourcen so vollständig wie möglich genutzt werden«, so Eggert Solberg Jonsson.
Leben mit dem Vulkan
Für Þuríður Halldóra Aradóttir Braun vom Tourismusbüro Reykjanes spielen nachhaltiges Wirtschaften und Selbstversorgung auf der Halbinsel seit jeher eine wichtige Rolle. »Bis ins Mittelalter kam es hier immer wieder zu Vulkanausbrüchen und man konnte plötzlich von der Umwelt abgeschnitten sein. So lernten die Menschen hier schon früh, mit dem auszukommen, was sich in unmittelbarer Nähe befand.« Gebaut wurde etwa mit Treibholz und Naturstein – die Hvalsnes-Kirche ist ein heute noch existierendes Beispiel dafür – und auf den Tisch kam, was das nahegelegene Meer hergab. »Diese Lebensweise hat die Bewohner von Reykjanes bis heute geprägt«, meint Þuríður Halldóra Aradóttir Braun. »Und sie ist auch richtungsweisend für die Entwicklung des Tourismus. Wir wollen das Vorhandene nutzen, um den Einfluss auf die Natur so gering wie möglich zu halten. Das ist unser größtes Projekt.«