Weiter zum Inhalt

Skitour durch Norwegen: In den Trollbergen

Schnee, Wind und Kälte begleiten NORR-Leserin Annika Winter und ihre kleine Gruppe auf dem Weg zum Gipfel des Kjevagtinden auf der Lyngen-Halbinsel im Norden von Norwegen. Doch ganz plötzlich bricht die Sonne durch.

 

VON NULL AUF TAUSEND

Arktisches Wetter in Norwegen. Das feste Material meiner Kapuze schlägt laut an meine Ohren. Nichts anderes ist zu hören. Sprechen ist unmöglich. Ich verständige mich mit den anderen vier Mitgliedern unserer kleinen Gruppe durch knappe Handzeichen. Christoph, Anna, Philip, Chris und ich benehmen uns wie Taucher unter Wasser. Dabei befinden wir uns in diesem Moment mehr als 1000 Meter über dem Meer. Genau auf null sind wir vor unbestimmter Zeit mit unseren Skiern gestartet. Die Spitze des Kjevagtinden ist das Ziel.

Langsam schiebe ich meine beiden Bretter auf ihren Fellen zischend vorwärts. Schritt für Schritt. Immer weiter, immer nach oben. Doch der Wind ist stärker geworden. Er treibt spitze Nadeln in die wenigen freien Stellen unserer Gesichter, die sich jetzt hinter Tüchern und Brillen verstecken.

DAS HELLE NICHTS

Ich denke an nichts. Schritt für Schritt. An dem kleinen Felsen vorbei, der mir mit seinen dunklen Trollaugen böse nachblickt: Besucher sind heute nicht willkommen auf den Bergen der Uløya-Insel östlich des Lyngen-Fjords. Schritt für Schritt. Immer weiter. Schritt für Schritt. Und jetzt. Ist das der Gipfel? Ich weiß es nicht. Aber es ist das Ziel.

Der Rest der Welt ist irgendwo da draußen hinter dem Dröhnen des Sturmes versteckt. Raus aus den Skiern und bereit machen zum Abfahren. Ganz klein ducken wir uns an den Berg, knien auf der festen Schneedecke, um das Gleichgewicht zu halten. Meine starren Finger können die Schnallen der Schuhe kaum schließen. Doch nun, hinunter. Schwung für Schwung durch helles Nichts. Meine Skier tasten sich über hartes Eis und ziehen dann weiche Kurven in den Berg. Eine und noch eine. Ohne Grenzen in einen fast endlos weiten Hang. Bis irgendwann der dunkle Schatten des Meeres unter mir erscheint. Hinunter. Am Trollfelsen vorbei. Zwischen den dichter werdenden Sträuchern und den wenigen Birken hindurch. Ein heller Sonnenfleck auf dem Meer glitzert uns entgegen und zieht uns magisch an. Wie von selber finden die Skier ihren Weg ins Tal. Wärme umfängt uns – die letzten Schwünge hinterlassen tiefe Spuren im weichen Untergrund.

Und hinter den Kapuzen erscheint ein erstes Lächeln. Es schmeckt nach Salz und nach Meer.