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Das Glück der Südsee

Wie ein Archipel im Südpazifik mutet das Meer vor Fünen an, das mit vielen kleinen Eilanden gespickt ist. Eine Tour auf dem Stand-Up-Paddle-Board von Insel zu Insel durch eine eiszeitlich geformte Welt, in der sich so einige verborgene Schätze entdecken lassen.

Die Rückenflosse des Delfins taucht geschmeidig aus dem Wasser, nur um wieder unter der Oberfläche zu verschwinden. Das Meer glitzert geheimnisvoll. Gespannt warten wir, ob sich das imposante Tier noch einmal zeigen wird. »Es bringt Glück, wenn man Delle sieht«, sagt Frederik, der neben Melanie, Victoria und mir am Hafen von Svendborg steht, wo er einen Kajak- und SUP-Verleih betreibt und ebenso fasziniert den Großen Tümmler beobachtet, dem die Svendborger den Namen Delle gegeben haben.

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In den kommenden Tagen möchten wir das Gefilde südlich von Fünen, das mit seinen 55 Inseln auch als die Dänische Südsee bekannt ist, auf dem Stand-Up-Paddle-Board erkunden. Dass wir direkt einem Delfin begegnen würden, damit hatten wir nicht gerechnet. »Delfinfamilien halten sich wieder vermehrt auch in dänischen Gewässern auf«, berichtet Frederik. Es wird vermutet, dass Delle aus seiner Herde verstoßen wurde und sich ein neues Zuhause im Hafenbecken von Svendborg gesucht hat. »Wir tun alles, um darüber aufzuklären, dass es wichtig ist, Abstand zu halten und ihn nicht zu stören«, sagt Frederik. Zu Delles täglicher Routine gehört es, mit den Fähren aus dem Hafen zu schwimmen. Und genau wie er wollen auch wir uns heute zu einigen der Eilande im Südfünischen Inselmeer aufmachen.

Hinter Hjortøs Hafen liegt die idyllische Campingwiese mit zwei Windschutzhütten. Die Stand-Up-Paddle-Boards übernachten angelehnt an die Waschräume.

Delfinfamilien halten sich wieder vermehrt auch in dänischen Gewässern auf.

Eine Stunde zuvor waren wir bei Frederik eingetroffen, um uns dafür Stand-Up-Paddle- Boards zu leihen. Der passionierte Seekajakpaddler hatte uns stolz eine Karte über seine heimische Inselwelt gezeigt und uns eine Route skizziert: Von Tåsinge soll es nach Hjortø gehen, bevor wir morgen über Skarø zurück nach Fünen paddeln. Als Frederik jedoch unser Gepäck erspähte, das wir gedachten, mit uns zu führen, weiteten sich seine Augen entsetzt. Die darauffolgende Zeit hatten wir damit verbracht, akribisch zu eruieren, was wir wirklich auf den aufblasbaren Brettern vertäuen sollten und was zugunsten ihrer Schwimmfähigkeit an Land bleiben muss. So verabschiedeten wir uns von einem zwei- ten Zelt, Kleidung, zwei Weinflaschen und Schokolade. Ein Zelt, Isomatten und Schlafsäcke, eine Garnitur Wechselklamotten, abgezählter Proviant und Wasser dürfen mit.

Tropische Welten und Froschkonzerte

Nach dem Stopp bei Delle bringt uns Frederik nach Tåsinge. Am Jachthafen pumpen wir die Boards auf und befestigen die wasserdichten Taschen. Möwen kreischen über unseren Köpfen, als würden sie sich darüber kaputtlachen, dass wir uns auf diesen wackeligen Gefährten hinaus aufs Meer begeben wollen. »Wenn es zu windig wird, könnt ihr von Hjortø oder Skarø auch eine Fähre nehmen«, sagt Frederik.

Wenig später stechen Melanie, Victoria und ich in See. Der Däne sieht uns lange nach. Wir hoffen nicht, dass es daran liegt, dass wir Kurs auf die falsche Insel nehmen. Denn nachdem wir uns ob der ungewohnten Bewegung eine Weile hektisch paddelnd von Fünens Küste entfernen, sind wir uns nicht mehr sicher, welches der Eilande eigentlich Hjortø ist. An einem Holm landen wir an, um Kompass und Karte zu bemühen. Sonne und salzige Luft haben uns durstig gemacht. »Ich fühle mich wie Robinson Crusoe«, stöhnt Victoria.

Nach leichter Kursänderung finden wir einen ruhigeren Takt. Schweigend paddeln wir weiter, um den Blick über das fast tropische Meer zu genießen. Teilweise ist es so flach, dass wir bis auf den sandigen Grund schauen können. Das Fünische Inselmeer ist die größte überspülte Eiszeitlandschaft der Welt. Als der Meeresspiegel hier vor 9 000 Jahren durch geschmolzene Eismassen um 100 Meter stieg, setzte er das Land unter Wasser. Nur die höchsten Punkte blieben und wurden zu den Inseln der Dänischen Südsee. An den Stränden lassen sich immer noch Werkzeuge aus überschwemmten steinzeitlichen Siedlungen finden.

Das Fünische Inselmeer erinnert – oftmals türkis schimmernd und gespickt mit seinen vielen Inseln – an die Südsee. Ausgedehnte Bade- und Eispausen inklusive unvorhersehbarer Lachanfälle dürfen auf dem sommerlichen Paddeltrip natürlich nicht fehlen.

Hjortø, das mit knapp unter einem Quadratkilometer und sieben Einheimischen die kleinste bewohnte Insel im Südfünischen Inselmeer ist, nimmt schärfere Konturen an. Im Hafen sind zwei Boote fest gemacht. Auch wir landen an und ziehen die Boards ans Ufer. Auf der Zeltwiese duftet es nach Heu. Eine Gruppe Dänen sitzt auf Campingstühlen und verköstigt sich mit einigen Spirituosen. »Ungerecht, dass wir den Wein zurücklassen mussten«, bemerkt Victoria. Gerade als wir unser Zelt errichten und uns an unseren Wasserflaschen gütlich tun, kommt einer der Jungs zur Freude Victorias mit drei Gläsern Wein zu uns herüber. Ole, wie er heißt, erzählt, dass er und seine Freunde aus Kopenhagen einmal im Jahr hier einen Segeltörn machen. »So weit zu segeln, wie wir mögen und einfach irgendwo anzulanden – für uns ist das Südseefeeling pur«, schwärmt er.

Am Abend spazieren wir zum Westzipfel der Insel. Ein Schwarm Nonnengänse fliegt vor der untergehenden Sonne Richung Horizont. Andächtig sitzen wir beisammen, vor dieser fast surrealen Kulisse und blicken über die spiegelblanke Wasseroberfläche, die ganz still daliegt, aber sicher so viel mehr aus ihrer eiszeitlichen Vergangenheit erzählen könnte.

Ein Schwarm Nonnengänse fliegt vor der untergehenden Sonne Richtung Horizont.

Am nächsten Morgen laufen wir zum Badeplatz, der sich neben einer alten Mühle an einem Sandstrand befindet. Die Ostsee, in die wir eine nach der anderen kreischend hineinhüpfen, ist erfrischend kalt und weckt die müden Glieder. Auf dem Steg sitzend, wärmen wir uns noch eine Weile in der Sonne.

Zurück am Campingplatz treffen wir auf Anne, die im Kopenhagener Zoo arbeitet und sich diesen Sommer mit ihrem Hund eine Auszeit als Hafenwärterin auf der Insel gönnt. Besonders fasziniert ist die Dänin von einer Froschart, der Rotbauchunke, die nach der letzten Eiszeit in das nordwestliche Europa einwanderte, aber seit den 90er Jahren durch Trockenlegung von Feuchtgebieten und Umweltgifte vom Aussterben bedroht ist. Auf Hjortø lebte sie in einer vergleichsweise großen, isolierten Population. Im Jahr 1995 füllte jedoch eine Sturmflut die Tümpel der Insel mit Salzwasser. Die Insulaner konnten vier Exemplare retten und gaben die Tiere an Anne und ihre Kollegen im Kopenhagener Zoo. Nachdem diese, inklusive Nachwuchs, wieder ausgesiedelt werden konnten, wurde damit begonnen, froschfreundliche Schutzlandschaften auf Hjortø anzulegen. »Sie klingen wie Kirchen- glocken. Schon der Dichter Hans Christian Andersen hat ihre Rufe als die schönsten Töne der Natur bezeichnet«, erzählt Anne begeistert.

Vor uns liegt die Strecke zum Eiland Skarø. Der Wind, der immer stärker weht, peitscht die Wellen mittlerweile zu kleinen Schaumkronen auf. Da sich aufblasbare Boards bei starkem Gegenwind nur extrem widerspenstig lenken lassen, beschließen wir, sicherheitshalber mit der Fähre nach Skarø überzusetzen. Während wir auf das Boot warten, treffen wir Bengt, der als Fischer und Bauer sein ganzes Leben auf Hjortø verbracht hat. Im Sommer werden Kühe zum Weiden auf die Insel geschifft. Bengt passt auf die speisenden Paarhufer auf. »Für mich gibt es keinen schöneren Ort«, sagt er. »Die Ruhe ist ein Schatz, vor allem, wenn die letzte Fähre weg ist«, schmunzelt er.

Panik im Bermudadreieck

Nach einer schaukeligen Fährfahrt klettern wir mit den Boards unter dem Arm auf Skarø an Land und stärken uns in dem Café Sommersild mit geräuchtertem Lachs und Kartoffeln. Auf kleinen Pfaden schlendern wir anschließend über die Insel. In den Gärten der bunten Fachwerkhäuschen duften unzählige Rosen. Victoria und ich stöbern an Flohmarktständen am Wegesrand in alten Schätzen. Frederik hat uns von einer Manufaktur vorgeschwärmt, die Eis aus lokalen Zutaten, gesüßt mit Birkensaft, herstellt. Wenig später lassen wir uns in dem heimeligen Hinterhof von Skarø Is auf Sofas nieder und schlecken zufrieden an unseren Eiskugeln.

Die Luft riecht nach Salz und eine kühle Brise kühlt unser verschwitztes Haupthaar.

Als wir wieder auf die Boards steigen, scheint der Wind sich etwas gelegt zu haben. Doch weit kommen wir nicht. Sobald wir das schützende Hafenbecken verlassen, spüren wir, dass eine vehemente Brise an den Boards rüttelt. Im Augenwinkel sehe ich, dass Melanie auf eine Sandnase zusteuert, auf der sich eine Schar Möwen niedergelassen hat, sichtlich erbost darüber, dass wir sie mit unserer ungebetenen Anwesenheit stören. »Leute, ich traue mich da nicht rüber«, sagt sie. Vor uns liegt eine offene Passage, die auch die Fähren aus Svendborg nutzen. Wir beratschlagen, was wir tun können und beschließen, dass wir die Querung zum Festland dennoch versuchen werden. Victoria soll vorauspaddeln und ich werde Melanie mit einer Schleppleine ziehen.

Paddelschlag für Paddelschlag geht es vorwärts, auf den Knien hockend, um ja nicht die Balance zu verlieren. Die See rollt kreuz und quer auf uns zu. In regelmäßigen Abständen schippert ein Boot vorbei und nur wenig später türmen sich noch höhere Wellen vor uns auf. Ab und zu werfe ich Melanie ein aufmunterndes »Guck mal, gleich sind wir da!« zu, vor allem, um mich selbst davon zu überzeugen, aber ich blicke in ein versteinertes Gesicht.

Doch allmählich rückt das Festland tatsächlich näher und auch die See beruhigt sich nahe der Küste. Melanie wird abgeleint und ab jetzt können wir Fünens windgeschütztem Ufer fol- gen. Die Sonne strahlt, so als wäre sie glücklich über das soeben von uns gemeisterte Unter- fangen. Das Meer hat ein tropisches Türkis angenommen, das uns verzaubert. Die Luft riecht nach Salz und eine leichte Brise kühlt unser verschwitztes Haupthaar. Unser Endziel, der Campingplatz Rantzausminde, ist in Sicht.

»Der Wind heute war nicht ohne«, bemerkt Frederik als wir ihn auf dem Campingplatz treffen. »Vor Skarø liegt das Bermudadreieck, da gehen häufiger Leute verloren«, scherzt er.

Als wir Fünen verlassen, werfen wir einen Blick zurück auf das Inselmeer. Delle können wir nicht entdecken, doch wir sind uns einig, dass der Delfin uns Glück gebracht hat – auf der Reise durch die Dänische Südsee. Sicher ist er gerade irgendwo da draußen – und jemand anderes darf seine Rückenflosse entdecken.

Anreise

Mit dem Zug nach Odense und weiter nach Svendborg. Auf Fünen gibt es zudem ein weitläufiges Busnetz, das die An- und Abreise von und zu vielen, auch kleinen Orten und Dörfern möglich macht. 

dsb.dk, fynbus.dk

Paddeln

Frederik von Lifeplan Kajak & Friluftsliv vermietet See- kajaks und Stand-Up-Paddle- Boards. Auch geführte Tou- ren durch den Svendborg- sund sowie ein Shelter direkt am Verleih zur stadtnahen Übernachtung im Freien sind buchbar.

kajakogfriluftsliv.dk

Fähren im Inselmeer

Verschiedene Boote ver- kehren regelmäßig zwischen den vielen kleinen Eilanden und ermöglichen auch die Mitnahme von Stand-Up- Paddle-Boards. 

aeroe-ferry.dk

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