Die Laufschuhe sind geschnürt und es kann losgehen, am Startpunkt der sechs Kilometer langen Route, die von der Temppeliaukio-Kirche im Viertel Töölö bis zum Freilichtmuseum Seurasaari führt. Doch zum Auftakt geht es direkt hinein in die steinerne Kathedrale, die man sich nicht entgehen lassen sollte: Die in den Fels gehauene Kirche ist einzigartig. Die Wände sind aus Granit gesprengt und die futuristische Kupferkuppel ist beeindruckend. Als sie in den späten 1960er Jahren gebaut wurde, erregte sie jedoch die Gemüter. Der Bau wurde als Geldverschwendung angesehen. Doch die kritischen Stimmen sind längst verstummt. Ihre Architekten, die Brüder Timo und Tuomo Suomalainen blieben allerdings ein One-Hit-Wonder. Keines ihrer späteren Werke erreichte die gleiche Größe. Nur wenige erinnern sich noch an ihre Namen.
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Glück am Strand und ewige Ruhe
Von der Kirche aus führt der Weg durch harmonisch anmutende rote Backsteinhäuser aus dem frühen 20. Jahrhundert bis zum Hietaniemi-Friedhof in der Nähe des Meeres, auf dem Finnlands Präsidenten und berühmteste Künstler wie der Architekt Alvar Aalto sowie die Mumin-Schöpferin Tove Jansson begraben sind. Von ihm aus aus gelangt man zum Hietaniemi, dem belebtesten Strand der Stadt, der an Sommertagen voller Leben ist. Der Kontrast ist verblüffend: Direkt nebeneinander ruhen Leichen in ihren Gräbern und Strandkörper auf ihren Handtüchern. Die Laufstrecke führt entlang der Uferpromenade zum Café Regatta. Das charmante Holzhäuschen ist ein beliebtes Ziel für Locals. Und offenbar auch einiger versuchter Raubüberfälle. Neben der Tür hängt ein Schild in finnischer Sprache: »Lieber Dieb. Wir verkaufen kein Bier, keinen Apfelwein und keine Zigaretten. Das Geld ist sicher im Schließfach untergebracht. Bitte mach dir keine unnötige Arbeit. Vielen Dank.«
Doch was steckt hinter der Beliebtheit des Regatta-Cafés? Das ist ein Rätsel. Das Café selbst behauptet, dass es für seine frischen Zimtschnecken und Blaubeerkuchen berühmt ist, aber viele meinen, dass die Hauptattraktion sein sympathisches Aussehen und die Lage am Meer ist. Neben dem Regatta befindet sich ein weißes funktionalistisches Ruderstadion. Es wurde für die Olympischen Spiele in Helsinki gebaut, die wegen des Zweiten Weltkriegs um mehrere Jahre verschoben wurden. Als diese schließlich stattfanden, stellte sich heraus, dass der Austragungsort zu windig war, und die Ruderwettbewerbe mussten an einem anderen Ort ausgetragen werden. Das vom Pech verfolgte Ruderstadion ist nur einen Katzensprung von Helsinkis berühmtester Statue, dem Sibelius-Denkmal entfernt.
Die Statue, die Finnlands berühmtesten Komponisten Jean Sibelius ehrt, kann auch als Instrument benutzt werden. Sie besteht aus über 600 geschweißten Metallrohren, in die man hineinschreien und verschiedene Töne erzeugen kann. Als die Statue 1967 enthüllt wurde, war sie jedoch ihrer Zeit voraus, und die Bewohner der Stadt schätzten sie nicht.
Das charmante Holzhäuschen ist ein beliebtes Ziel für Locals.
Sie hielten sie für zu abstrakt. Daher musste die Bildhauerin Eila Hiltunen ein kleines Relief von Jean Sibelius’ Gesicht neben der Skulptur anbringen. Eila Hiltunen ist heute eine der bedeutendsten Bildhauerinnen Finnlands; ihre Metallarbeiten sind unter anderem in Berlin, Rom, Montreal, Teheran, und New York zu sehen. Nun sprinten wir nach Seurasaari, einer Insel, auf der sich das gleichnamige Freilichtmuseum befindet. Die alten Holzhäuser, die aus allen Teilen Finnlands hierher verlegt wurden, sind wunderschön, aber um ehrlich zu sein, wird die Aufmerksamkeit der meisten Besucher von den furchtlosen Eichhörnchen gestohlen, die auf dem Gelände leben und schnell Bekanntschaft schließen.
Große Sprünge des Präsidenten
Am Ende der Insel befindet sich eine Treppe, die Kekkonen’s Fitness Stairs. Fitness-Treppen hinaufzulaufen, ist in Finnland beliebt, aber man sollte sich nicht täuschen lassen – diese ist nach Finnlands Präsidenten Urho Kekkonen benannt, der insgesamt 25 Jahre lang im Amt war. Sie ist mit nur sieben Stufen nicht hoch, sodass die Herausforderung nicht darin besteht, sie zu hinaufzusprinten, sondern sie mit einem Sprung zu erklimmen. Bis zu seinem 74. Lebensjahr war Kekkonen in der Lage, bis zur zweithöchsten Stufe zu springen. Einmal erreichte er tatsächlich die höchste. Der finnische Präsident war in seiner Jugend erfolgreicher Hochspringer. Während seiner politischen Karriere unternahm er lange Skitouren in Lappland. Sein Lieblingsbrot stammte auch aus Nordfinnland, wo es von einer alten Dame mitten im Wald gebacken wurde. Dieser Laib musste ihm einmal in der Woche nach Helsinki geliefert werden. Darüber kann man wohl nur den Kopf schütteln, einen Schluck Wasser nehmen und getrost den Rückweg antreten.
Temppeliaukio-Kirche
Die Felsenkirche auf dem Tempelberg im Stadtteil Etu-Töölö. ist eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten Helsinkis. Die Akustik im Inneren des Felsens ist derartig besonders, dass hier häufig Konzerte stattfinden. Ihre Wände sind bis zu acht Meter hoch – bis zur Kuppel sind es 13 Meter.
Seurasaari
Das Freilichtmuseum Seurasaari spiegelt das Leben im historischen Finnland wider. Der Eintritt ist kostenlos, wenn man nicht in die Häuser gehen möchte. In einigen von ihnen gibt es Mitarbeitende in historischer Kleidung, die traditionelle Handwerkskünste zeigen.