Auf dem historischen, aus acht Inseln bestehenden Festungsarchipel Suomenlinna, direkt vor der Küste Helsinkis, landen nicht nur reihenweise Touristen mit der Fähre an. Auch die 800 Einwohner der als Unesco-Welterbe ausgezeichneten Inselgruppe erreichen ihr Zuhause nur mit dem Boot, das zu Stoßzeiten alle 15 Minuten abfährt und je nach Wetterlage 10 bis 20 Minuten benötigt. Im Sommer sind die Fähren oft überfüllt. Die Infrastruktur der Insel gerät dann an ihre Grenzen und auch in der lokalen Umwelt hinterlässt dieser Ansturm seine Spuren. Seit einiger Zeit gibt es einen separaten Zugang der Fähre, der nur für die Einwohner Suomenlinnas reserviert ist. »Das hilft schon sehr«, sagt Aarni Kivinen, der von Suomenlinna stammt und vor fünf Jahren gemeinsam mit ein paar Kumpels die Linna Bar auf der Insel eröffnet hat. »Manchmal möchte man einfach nach Hause, da will man nicht erst 45 Minuten Schlange stehen, um aufs Boot zu kommen.« Die Insel selbst ist eine autofreie Zone, nur Servicefahrzeuge sind erlaubt.
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Ort für Touristen und Einheimische
Mit der Eröffnung ihrer Bar wollten Aarni und seine Freunde, allesamt Einwohner Suomenlinnas, einen ansprechenden gastronomischen Treffpunkt mit lokalem Charme schaffen. Wie Aarni betont, ist sie »einfach eine normale Bar«. Doch obwohl es sie erst seit wenigen Jahren auf Suomenlinna gibt, hat sie sich schnell zu einem populären Spot für Locals und Touristen entwickelt. Tourismus ist für den Erfolg der Betriebe auf Suomenlinna von entscheidender Bedeutung. Der Zustrom an Besuchern auf die Insel sorgt für eine intakte Ökonomie, insbesondere während der Hauptsaison im Sommer. Dennoch bemüht man sich in der Linna Bar, eine einladende Atmosphäre für die Einheimischen zu bewahren.
Auch in den ruhigen Wintermonaten bleibt sie geöffnet und die Preise für Locals werden gesenkt, um deren ganzjährige Unterstützung zu belohnen und rund ums Jahr einen gemütlichen Ort zum Beisammensein zu bieten. Die Lage der Bar haben Aarni und sein Team taktisch durchdacht. »Es ist schon bemerkenswert, dass ein Lokal, das nur 30 Meter von der Hauptstraße entfernt liegt, von vielen Touristen komplett übersehen wird«, sagt er. Dieser kleine Umweg stellt sicher, dass die Linna Bar ein geheimes Juwel für diejenigen bleibt, die wissen, wo sie suchen müssen. Einen Laden auf einer Insel wie Suomenlinna zu betreiben, bringt immense Herausforderungen für die Umwelt und Logistik mit sich. Zwar gibt es Pläne für nachhaltigere Lösungen wie die Entwicklung effizienterer Schiffe, aber diese Veränderungen sind langsam und kostspielig. E-Boote gibt es wenige, die Infrastruktur hinkt hinterher.
Die Helsinki Maritime Strategy 2030 sieht vor, den Schutz der Ostsee und der Natur in der Schärenlandschaft sowie innovative Verkehrslösungen wie elektrische Wasserfahrzeuge zu fördern. In der Praxis sieht das aber noch anders aus. »Es ist wirklich ein Teufelskreis«, erzählt Teemu Terttunen. »Die Leute schaffen sich keine elektrischen Boote an, weil es nicht genug Ladestationen dafür gibt. Der Staat argumentiert gegen den Neubau von Ladestationen, da scheinbar der Bedarf fehlt«. Um zum nachhaltigeren Bootstourismus in den Schären beizutragen, hat er gemeinsam mit drei Freunden die App Bout entwickelt.
Der Umweg stellt sicher, dass die Linna Bar ein geheimes Juwel bleibt.
Bout lokalisiert vakante private Boote, die jeder für einen Transfer buchen kann. Einwohner, die ein eigenes Boot besitzen, können sich so etwas dazuverdienen, die Schiffe werden effektiver genutzt und der Tourismus kann sich dank eines flexibleren Transfers auch auf Inseln verlagern, die anderweitig nicht mit öffentlichen Fähren erreichbar sind. Das kann Inseln, wie Suomenlinna, entlasten, und mehr Aufmerksamkeit für unbekanntere Eilande schaffen, was auch ihre Wirtschaft ankurbeln könnte. Auch wenn die ehemalige Inselfestung, die 1748 von den Schweden erbaut wurde, immer schon ein Tourismusmagnet war, steht man hier neuerdings vor noch größeren Herausforderungen. Immer mehr Menschen entscheiden sich für Ziele, die näher an ihrem Wohnort liegen. Das Reisen innerhalb des eigenen Landes bzw. Europas nimmt stetig zu. Dieser Trend wird langfristig vermutlich noch mehr Besucher nach Suomenlinna bringen. Mit diesem Wachstum kommt jedoch auch die dringliche Notwendigkeit für nachhaltigere Tourismuspraktiken wieder auf den Plan, um die einzigartige Umwelt und Kultur der Insel zu bewahren.
Neue Strategien für die Zukunft
Die Linna Bar, mit ihrem strategischen Ansatz, die Bedürfnisse von Touristen und Einheimischen in Einklang zu bringen, ist ein erfolgreiches Beispiel für nachhaltigen Tourismus auf Suomenlinna. In anderen Archipels ist man aber teilweise schon ein Stück weiter. In den Schären vor Turku beispielsweise, setzt man schon seit Längerem auf regenerativen Tourismus. Touristen können dort in Projekten mitwirken, die es ihnen nicht nur ermöglichen, nachhaltig zu reisen, sondern auch durch Mitarbeit im Landschaftsbau aktiv etwas zum Erhalt der Inselnatur- und Kultur beizutragen. Auf so ein interaktives Projekt wartet man in Helsinki noch. Aber Aarni, Teemu und ihre engagierten Freunde sind wohl die Richtigen, um das langfristig zu ändern.
Seefestung Suomenlinna
Das historische Unesco-Weltkulturerbe Suomenlinna mit seinen sechs Museen sowie vielen Restaurants und Cafés liegt vier Kilometer südöstlich vom Zentrum Helsinkis entfernt. Insgesamt besteht Suomenlinna aus acht Inseln.
Linna Bar
In der Linna Bar, die sich etwas versteckt hinter dem Militärmuseum von Suomenlinna befindet, gibt es neben Snacks, gutem Kaffee und Drinks auch immer wieder lohnenswerte Live-Gigs.
Bout App
Die App Bout ist ein Marktplatz für Bootsfahrten, der es ermöglicht, zwischen einer Vielzahl von vordefinierten Abhol- und Ablieferungsorten frei zu wählen. Dadurch wird eine sichere und unkomplizierte Fahrt gewährleistet.