»Ich werde glücklich, wenn ich das sehe«, strahlt Graf Michael Ahlefeldt. »Überall fröhliche, lächelnde, küssende Menschen. Und schau, wie sauber es ist.« Zum dritten Mal findet das Heartland Festival in den Gärten und Ländereien rund um sein Schloss statt, die malerische Wasserburg Egeskov im Süden der Insel Fünen. An der Freude des 54-Jährigen spürt man, dass viel Herzblut in dem dreitägigen Kulturereignis steckt. 1994 hatte der junge Graf als Erbfolger das Anwesen übernommen und es mehr und mehr für die Allgemeinheit geöffnet. Heute ist Egeskov mit seinen Museen und historischen Parkanlagen das meistbesuchte Touristenziel auf der dänischen Insel und das Heartland Festival ein weiterer Meilenstein in dieser Entwicklung.
Glück der Zukunft
Auch die Initiative zum Festival, das in seinem dritten Jahr 18000 Besucher anlockte, stammt ebenfalls vom kunst- und kulturbegeisterten Schlossbesitzer. Der Graf kam damals selbst mit seiner Vision auf den Festivalveranstalter Live Nation zu: ein Festival auf Egeskov, aber nicht irgendein weiteres Musikevent, sondern eine Kombination aus Kunst, Kultur und kulinarischen Erlebnissen sowie eine Plattform für wichtige gesellschaftliche Themen.
Musikalisch erstreckt sich das Spektrum von Ikonen wie Van Morrison und Patti Smith über jüngere Weltstars wie Mø, Lykke Li und Rag’n’Bone Man bis zu aktuellen dänischen Hip-Hoppern und Electro-Acts. Bei den Livetalks kann man hören, was der Schriftsteller Salman Rushdie zum Thema »Identität«, die Künstlerin Jenny Wilson zur #MeToo-Bewegung und der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff zu Migrationsströmen zu erzählen haben – oder wie aus Sicht eines Evolutionsbiologen das Glück der Zukunft aussieht. Auf der Tasteland-Bühne demonstrieren kulinarische Koryphäen, wie destilliert, fermentiert und schokoliert wird. Nicht zuletzt verwandelt sich der gesamte Schlosspark zu einer riesigen Open-Air-Galerie mit einer Vielzahl an Kunst- und Designobjekten, Video- und Lichtinstallationen sowie einer Yogawiese direkt am Wassergraben.
Es steckt spürbar viel Liebe in diesem Festival, das in seiner kreativen Breite für Hipster, Alt-Hippies und etablierte Kulturmenschen gleichermaßen attraktiv ist. Wer mit Nachwuchs anreist, kann diesen entspannt im Hjerteland abgeben, dem eigenen Kinderfestival mit Spielen, Konzerten, Back- und Grafitti-Workshops und einem riesigen Pool mit Schaumstoffresten. Zur Familienfreundlichkeit trägt auch bei, dass es auf dem Heartland-Areal geradezu erschreckend kultiviert zugeht. Grölende Gruppen oder sichtbaren Alkohol- und Drogenmissbrauch sucht man hier vergeblich. Auf dem Campingplatz gibt es Ruhezonen und gar einen »Glamping«-Bereich mit luxuriösen Tipi-Zelten inklusive Federbetten. An den vielen Wasch- und Duschwagen stehen morgens entspannte Dänen mit Badelatschen, Kulturtäschchen und Handtuch geduldig Schlange.
Kleine Hobbits und stolze Pfauen
Welche Bedeutung das Heartland auch für die Bevölkerung in der Umgebung hat, demonstrieren die über 4 000 Freiwilligen, von denen der Großteil aus der Gemeinde stammt. Überall wimmelt es von fröhlichen, hilfsbereiten Security-Kräften. Schüler transportieren auf Fahrradanhängern das Gepäck vom Parkplatz zum Zeltplatz und vor dem Servicezelt lädt der Tolkien-begeisterte Bürgermeister Hans Stavnsager zu einer Lesung aus Der Kleine Hobbit ein. »Das Festival ist nicht nur ein wirtschaftlicher Faktor, sondern auch wichtig für die Identifikation und die beste Werbung für unseren Standort. Es lockt unzählige Besucher aus Kopenhagen, Arhus oder anderen großen Städten hierher, die von der Kombination aus Landleben und Kultur fasziniert sind. Vielleicht können sich ja einige von ihnen vorstellen, hierherzuziehen.«
Selbst Patti Smith zeigt sich von dem Ort beeindruckt, als sie mitten im Konzert ihre Egeskov-Eindrücke zum Besten gibt. Wie alle großen Stars wohnt auch sie während des Festivals direkt im Schloss, zu Hause beim Grafen, in Räumen aus dem Zeitalter der Renaissance. »Nach dem Frühstück habe ich einen Pfau getroffen«, erzählt die amerikanische Punk-Ikone und beschreibt, wie dieser in seiner ganzen Schönheit durch den Garten stolzierte. Man müsse sich vorstellen, dass auch er mal klein, nass und hässlich aus seinem Ei geschlüpft ist – ohne eine Ahnung, wie prachtvoll er mal werden würde. Deshalb widme sie ihm das nächste Lied. Ihm und »allen anderen Pfauen im Publikum«.