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Höhepunkte in Smålands Hochland

Wer hätte gedacht, dass es auch in Südschweden (fast) richtige Berge gibt, wo man im Winter Ski und im Sommer Downhill-Mountainbike fahren kann? Die NORR-Redakteure Philipp und Henrika zumindest nicht – bis sie den Isaberg in Hestra auf zwei Rädern entdeckten.

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Bisher hatte ich immer ein ziemlich klares Bild von Småland: Bullerby-Romantik, rote Häuser und Höfe, Seen und Wälder. Eine Piste mit Sechser-Sessellift gehörte eigentlich nicht dazu, und dass es auch in Südschweden richtige Berge mit geradezu alpinen Möglichkeiten gibt, war mir ebenfalls neu.

Wir befinden uns am Fuße des Isabergs nahe des kleinen Ortes Hestra. Es ist Ende September, Herbst liegt in der Luft, und die ersten bunten Farbflecken mischen sich in die Wälder rund um den Berg und den nahegelegenen Algutstorpasjön. Bis zur Skisaison ist es noch ein bisschen hin, stattdessen transportiert der Lift Mountainbiker mit dicken Helmen und Schutzausrüstung zum 308 Meter hohen Gipfel hinauf.

»Am Sonntag findet hier der schwedische Mountainbike-Enduro-Cup statt, und heute kann man die Strecken testen. Deshalb ist hier gerade besonders viel los«, erzählt Guide Kent Malm, der uns heute auf unseren vollgefederten Rädern durch die Umgebung führt. Campingplatz und Hüttendorf des Isaberg Mountain Resorts sind bereits am heutigen Freitag gut belegt. Überall bereitet man sich auf das Event vor. Auf dem Berg werden die Strecken getestet, am Start bauen Sponsoren und Ausrüster ihre Stände auf, vor den Campern wird fleißig geschraubt und gegrillt. Es herrscht Festival-Stimmung im Outdoor-Dorf.

Wir sind allerdings nicht für das Rennen hier, sondern um die Umgebung rund um den Berg zu entdecken und in seine Geschichte einzutauchen.

Wir sind zwar nicht für das Enduro-Rennen am Isaberg. Die Trails nahe der Liftstation werden trotzdem schon mal getestet.

Vom Erholungsort zur Outdoor-Destination

Der Isaberg ist Teil eines Gebiets, das – vielleicht ein wenig euphemistisch – als Småland-Hochland bezeichnet wird und sich südlich von Jönköping und der Südspitze des Vättern-Sees über die zentralen Teile der Provinz erstreckt. Geologisch entstand es infolge der letzten Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren. Der Rückzug der Gletscher hinterließ eine wellenförmige Landschaft mit Moränen, kleinen Seen und flachen Tälern, die an manchen Stellen über dreihundert Meter ansteigt. Trotz vergleichsweise geringer Höhe herrscht hier oft ein eigenes Mikroklima, das häufig kälter und im Winter schneereicher ist als in der tiefer gelegenen Umgebung.

Zwar gibt es mit dem Tomtabacken (377 Meter) und dem Taberg (343 Meter) noch zwei höhere Hügel, doch der Isaberg ist mit seiner markanten Form, seinen vielen Aktivitätsmöglichkeiten und Unterkünften der wohl populärste.

Seine touristische Geschichte reicht bis zum Beginn des letzten Jahrhunderts zurück. Nachdem Hestra seinen Bahnhof bekommen hatte, reisten mehr und mehr Städter, vor allem aus Göteborg, hierher, um sich in der gesunden Land- und Höhenluft zu erholen.

Im Hotel Hestraviken sind seit den 30er Jahren Gäste willkommen.

Schon bald eröffneten mehrere Gästehäuser, und um den frühen Besuchern ein Ziel zu bieten, ließ ein neu gegründeter Fremdenverkehrsverein auf dem Isaberg-Gipfel einen Aussichtsturm errichten. Man schrieb das Jahr 1919, und in über dreihundert Metern Höhe bot der Turm eine kilometerweite Aussicht auf Wälder und Seen, »die so herrlich ist, dass man sie wohl kaum näher als weit oben in Dalarna oder Norrland finden wird«, wie die Eisenbahngesellschaft in einer Broschüre warb.

Der Aussichtsturm war nur der erste Schritt in einer langen und erfolgreichen Outdoor-Geschichte, die zunächst mit dem Wintersport verbunden ist. »Die Skipiste wurde im Jahr 1936 eröffnet. Die norwegischen Skistars, die bei der Eröffnung anwesend waren, machten großen Eindruck auf die Jungen aus der Umgebung, darunter auch mein Vater und mein Onkel. Unser Skiclub war der dritte im Land, und bald war der Isaberg als Das Åre von Småland bekannt«, erzählt Claes Magnusson vom Handschuhunternehmen Hestra, das ein paar Kilometer vom Berg entfernt seinen Hauptsitz hat.

Sein Großvater betrieb damals eine kleine Werkstatt, in der Handschuhe für die Holzfäller der Region hergestellt wurden. Er erkannte direkt das Potenzial des Wintersports und erweiterte das Sortiment um spezielle Modelle für Skifahrer, für die Hestra heute weltweit bekannt ist.

1936 wurde die erste Skipiste auf dem Isaberg eröffnet. Mit Blick über Smålands verschneite Wald- und Seenlandschaft.

Claes wuchs selbst auf den Pisten des Isaberg auf. Bis in seine Zwanzigerjahre hinein trainierte er dort fleißig für seine vermeintliche Ski-Karriere und bestritt zahlreiche Wettkämpfe. Besondere Erinnerungen hat er an das Finale des legendären Jugendwettbewerbs Kalle-Anka-Cup in den 1970er Jahren, das in Hestra stattfand und Skitalente aus ganz Südschweden anzog.

Bis heute strömen Wintersportler hierher – nicht nur aus der Region. Oft trifft man auf Dänen aus der Region Kopenhagen, für die der Isaberg das am nächsten gelegene Skigebiet ist, aber auch auf Deutsche und Niederländer, von denen viele in der Region ihre Ferienhäuser haben.

Mildere Winter sind natürlich eine Herausforderung, deshalb hat man am Isaberg wichtige Schritte unternommen, um die saisonalen Grenzen zu überbrücken: Eine Rodelbahn, ein Hochseilgarten und Abenteuergolf gehören etwa zu den neuen Attraktionen. Und natürlich das Fahrradangebot mit Downhill-Strecken, Trails rund um den Berg und einem der größten Pumptracks des Nordens.

Claes ist Vorstandsmitglied der Isaberg-Stiftung, die als Eigentümerin und Betreiberin die Entwicklung des Isaberg Mountain Resorts vorantreibt: »Es ist ein großer Vorteil, dass eine lokale und gemeinnützige Organisation hinter der Anlage steht. Alle finanziellen Überschüsse fließen in das Unternehmen zurück, und in der Stiftung gibt es viele engagierte Menschen, denen der Ort besonders am Herzen liegt.«

Die kurvige Fahrt führt durch lichte Kiefernwälder.

Naturerlebnis nicht nur für Radfahrer

Unser Guide Kent ist ein begeisterter Radfahrer und kennt die Gegend gut. Auch er arbeitet eigentlich bei Hestra, verbringt aber fast jede freie Minute im Sattel. Wenn er sich auf sein Mountainbike schwingt, geht es schnell, und schon bald lassen wir das Mountain Resort hinter uns.

Der Trail Pink Lady führt um den Algutstorpasjön herum. Zu Beginn schlängelt er sich spielerisch zwischen hohen Kiefern hindurch. In entspannter Geschwindigkeit gleiten wir hintereinander durch die Kurven, es geht sanft auf und ab. Immer wieder blitzt das Wasser des Sees hervor.

Obwohl es eher wolkig und trüb ist, wirkt der Wald freundlich und hell. Tageslicht fällt durch die dünnen Baumkronen, der Boden ist bedeckt von fast neongrün leuchtenden Moosfeldern. »Die Wälder sind hier oft lichter als anderswo,« erklärt Kent. »Das liegt an den sandigen Böden, auf denen es kaum dichtes Unterholz gibt.« Bei einer Pause legen wir uns ins weiche Moos und sammeln vor der Weiterfahrt noch ein paar Pfifferlinge, die zu dieser Zeit zahlreich aus dem Waldboden sprießen.

Pfifferling-Fund in der hellen Mooslandschaft

Auf der anderen Seite des Sees geht der Weg in eine Landstraße über. Irgendwann öffnet sich der Blick, und hinter Feldern mit grasenden Kühen, eingerahmt von grün-gelben Wäldern, erhebt sich der Isaberg mit seinem Aussichtsturm deutlich sichtbar an der Spitze.

Vom Naturreservat Ettö hat man einen besonderen Blick auf den Isaberg, der sich im Wasser des Algutstorpasjön spiegelt.

Kurze Zeit später erreichen wir das Naturschutzgebiet Ettö. Durch ein Törchen im Zaun gelangen wir auf Weiden mit alten Eichen und Birken, die in Wassernähe in Feuchtgebiete und Schilflandschaften übergehen. Misthaufen deuten darauf hin, dass wir hier wohl nicht allein sind. Langsam rollen wir in Richtung Seeufer, wo wir an einem Holztisch Kaffee trinken, mit Blick über den dunklen See, in dem sich der Berg spiegelt.

Neben etlichen anderen Bikern begegnen uns während der Fahrt um den See immer wieder auch Wanderinnen und Läuferinnen. Die 2015 eröffnete Pink Lady richtet sich bewusst an verschiedene Gruppen. »Share the Trail«, erinnert ein Schild am Streckenrand. Ob es dennoch Konflikte gibt, wenn Mountainbikes mit hoher Geschwindigkeit auf Laufende treffen, wollen wir von Kent wissen:

»Das habe ich hier eigentlich noch nie erlebt. Mein Eindruck ist, dass man gerne Rücksicht aufeinander nimmt«, meint er. »Schließlich profitiert man gemeinsam von den Wegen. Und der Besucherdruck ist auch nicht so stark, dass man getrennte Wander- und Radwege schaffen müsste.«

Isabergs Trails sind für alle da – egal ob zu Fuß oder mit dem Rad.

Vom Spa auf die Abfahrt

Abend und Nacht verbringen wir in Hestraviken. Das ehemalige Herrenhaus aus der Jahrhundertwende wurde 1931 im Zuge des wachsenden Tourismus in ein Pensionat umgewandelt und hat sich im Laufe der Jahrzehnte zu einem der renommiertesten Hotels und Restaurants der Gegend entwickelt. Es liegt direkt am Fluss Nissan, der den Algutstorpasjön durchfließt, Hestraviken passiert und dann in den Vikaresjön übergeht.

Nach der Radtour entspannen wir uns im gerade neu eröffneten Riverside Spa. Von Sauna und Pool blicken wir über die dunkle Nissan und nehmen ein Bad im schwarzen Wasser des Flusses. Nach dem Abendessen im Restaurant geht es in unsere stilvoll eingerichtete Lodge auf dem Gelände, wo wir schließlich müde ins Bett fallen, wohl wissend, dass am nächsten Tag noch eine besondere Herausforderung wartet.

Hestravikens Riverside Spa liegt direkt am Fluss Nissan.

Denn am Samstagmorgen sitze ich schließlich selbst im Sessellift auf dem Weg zum Gipfel, mit Schutzausrüstung und Vollvisierhelm. Anstelle von Kent bin ich mit meinem Sohn Henry unterwegs, der mit mir die Downhill-Möglichkeiten von Isaberg testen will.

Die Bedingungen dafür sind verschärft: Alle regulären Abfahrtstrails für jedes Fahrniveau sind wegen des Trainings für den Enduro-Cup gesperrt. Stattdessen führen die Wege kreuz und quer durch den Wald, über Steine, Wurzeln und Geröll, mit Sprüngen von Steinblöcken hoch wie ich selbst, durch enge Schluchten, deren Steigung schon zu Fuß schwer zu bewältigen ist. Gleich mehrmals muss ich absteigen und mit dem Rad bergab klettern, während Henry, der immer mehr Freude am herausfordernden Gelände findet, ungeduldig auf mich warten darf.

Schnell finden wir auch heraus, dass nicht alle Strecken auch wieder am Lift enden, sondern gerne auch am ganz anderen Ende des Berges. Im Gegensatz zum Mountainbike-Downhill, bei dem es ausschließlich ums Abfahren geht, fährt man beim Enduro stets mit eigener Körperkraft zum Startpunkt der Strecke. Doch das hat letztlich auch Vorteile: Erstens bin ich zumindest bergauf schneller als der Teenager. Und zweitens erlebe ich den Berg tatsächlich von allen Seiten, kenne schließlich alle Aussichtspunkte über die hügelige Landschaft mit ihren roten Häusern und Höfen, Wäldern und Seen.

Von hier oben ist also sowohl mein Selbstbild als auch mein Småland-Bild wieder perfekt.

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