Immer der Spur folgen
Inmitten majestätischer Gipfel thronen in der historischen Bergregion Funäsfjällen 300 Kilometer gut präparierte Loipen. Wir haben uns auf den Weg gemacht, um diese zu erobern und auf ganz normalen Langlaufskiern königlich durch das schwedische Hochgebirge zu schreiten.
Es ist Mitte Februar, und sowohl im Tal als auch auf den kahlen Bergen liegt reichlich Schnee. Wir können es kaum erwarten, in Bruksvallarna zu frühstücken – mit Blick auf die frisch präparierten Loipen, nur wenige Meter vom Fenster des Speisesaals entfernt. Das alte Bergdorf liegt mitten in einem der längsten zusammenhängenden Loipensysteme in Funäsfjällen, umgeben von Wäldern nahe der norwegischen Grenze.
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Die gestrige Skitour war eine schweißtreibende Fahrt hinauf zum Mittåkläppen, dem markanten Berg, der als Symbol für Härjedalen und seine alte Hüttenkultur gilt. Früher lebten die Menschen hier im Sommer, ließen ihre Kühe, Ziegen und Schafe weiden, um die Wiesen im Tal zu schonen, und gingen handwerklichen Tätigkeiten wie Melken, Käseherstellung und Butterherstellung nach. Auch wenn viele dieser Hütten heute ihren ursprünglichen Zweck verloren haben, sind sie als Kulturerbe erhalten geblieben.
Die spindeldürren Äste der Bergbirken sind über und über mit Raureif bedeckt
Der steile Aufstieg aus dem Tal hinauf auf den Mittåkläppen wurde mit einem atemberauben- den Blick auf einen großen Teil der südlichen Gebirgskette belohnt, darunter Skarsfjället, Sylarna und Helags. Wir setzten unsere Tour in Richtung Djupdalsvallen fort, um eine Pause einzulegen. Die Blockhütten auf der alten Alm waren stark eingeschneit, und von einigen waren nur noch die Dächer zu sehen. Dort trafen wir Klaus Lutzner aus Frankfurt, der seit zehn Wintern jeweils drei Wochen hier verbringt. »Funäsfjällen ist das ideale Gebiet für einen alten Bergfreund wie mich«, sagte er und bot uns dampfenden Kaffee aus einer verrußten Pfanne an. Ein paar Kilometer am Tag auf den Loipen reichen Klaus vollkommen aus. »Bislang schaffe ich das noch gut. Wahrscheinlich ist es die schwedische Bergnatur, die mich jung hält«, erzählte uns der fast 85-jährige Deutsche schmunzelnd.
Langlaufski in Funäsfjällen
Funäsfjällen ist mit 300 Kilometern Loipensystem eines der größten zusammenhängenden Skigebiete Schwedens und umfasst mehrere Dörfer und Skiorte. Sowohl Anfänger als auch erfahrene Langläufer finden hier optimale Bedingungen. funasfjallen.se
Historische Nostalgie
Funäsfjällen, eines der ältesten Skigebiete Schwedens, hat eine faszinierende Geschichte, die eng mit der Entwicklung des Outdoor- Tourismus und der Skikultur in Schweden verknüpft ist. Es besteht aus mehreren kleinen Dörfern in der Provinz Jämtland-Härjedalen. Der Reiseleiter Lars Gustav Wallenius errichtete damals im hoch gelegenen Bergdorf Bruksvallarna eine einfache Blockhütte, die Platz für etwa 20 Gäste bot. Diese rustikale Unterkunft wurde mit der Zeit vergrößert und in das Hotel Fjällgården umgewandelt. Schon seit den späten 1930er Jahren zieht die Unterkunft Skifahrer an, die die unberührte Natur und die weiten Berglandschaften der Region erleben möchten. Die Herberge hat ihren ursprünglichen, charmanten Charakter bewahrt und strahlt auch heute noch das rustikale Flair vergangener Tage aus. Für viele ist Fjällgården mehr als nur ein Hotel – es ist ein authentisches Stück schwedischer Berggeschichte, das die Traditionen und den Geist des Outdoor-Lebens in sich trägt.
Es ist ein wahr gewordener Traum mit Langlaufskiern in den Bergen zu fahren.
Heute geht es in Richtung Ösjödalen und wei- ter nach Fjällnäs im Westen, wo wir die Nacht verbringen werden. Mit Wechselkleidung und einem Lunchpaket im Rucksack fühlen wir uns wie echte Bergwanderer auf einem Ausflug. Vom Fjällgården aus beginnt ein Netz von Skiloipen in Richtung Ramundberget und Tänndalen. Darüber hinaus kann man auf den markierten Winterwanderwegen auch weiter entfernte Ziele wie Sylarna in Jämtland erreichen. Die Möglichkeit, auf gespurten Loipen über den kahlen Berg zu gleiten, fühlt sich wie purer Luxus an. Besonders an einem Morgen wie diesem, mit strahlendem Sonnenschein, Raureif und einer zehn Zentimeter dicken Neuschicht auf der Schneedecke. Sieben Kilo- meter sind es bis zur Ösjöstugan im Nordosten, wo wir mit Rückenwind gut gleiten können. Die klassischen Loipen sind mit einer breiten Manchesterfläche zum Skaten kombiniert, und alles ist frisch präpariert.
»Was für ein Vergnügen! Es ist ein wahr gewordener Traum, mit schmalen Langlaufskiern in den Bergen fahren zu können. Ich hätte nicht gedacht, dass das möglich ist«, sagt Eva Andersson aus Gävle, die an einem der Loipenkreuze eine Verschnaufpause einlegt. Sie ist zum ersten Mal in Funäsfjällen, um zusammen mit Freunden die Loipen und die Natur zu genießen. »Wir fahren jeden Tag ein paar Kilometer Ski. Das Dorf ist perfekt als Basislager.« Heute gleitet sie von Bruksvallarna nach Ramundberget. Ihre Freunde haben sich für eine andere, leichtere Strecke in Richtung Tänndalen entschieden. Zwei von ihnen sind vorher kaum Ski gefahren. Eva und ihre Kumpanen sind eines von vielen Beispielen für das wachsende Interesse am Skilanglauf unter Menschen, die die schwedischen Berge bisher selten besucht haben. »Heute habe ich auch das Lunchpaket weggelassen und stattdessen in einer Waffelhütte zu Mittag gegessen. Das fühlt sich besonders luxuriös an«, sagt sie.
Waffelpause mit der Elite
Wir verabschieden uns von Eva und fahren weiter in Richtung Ösjöstugan, wo das Restaurant geöffnet hat und frisch gebrühter Kaffee und frisch gebackene Waffeln mit Früchten und Zimtschnecken locken. Auch Mikaela Sundbaum hat hier eine Kaffeepause eingelegt. Die ehemalige Eliteskifahrerin leitet seit einigen Jahren eine Skischule in Bruksvallarna. Sie hat einen freien Vormittag und genießt selbstgemachte Pfannkuchen und Moltebeermarmelade in der Sonne. »Ich liebe das Skifahren in den Bergen, und es macht mir genauso viel Spaß, es anderen beizubringen«, sagt Mikaela mit einem Lächeln.
Michaelas Schüler reichen von Anfängern bis zu Spitzensportlern. Die meisten wollen klassisches Langlaufen lernen. »Ziel ist es, eine gute Technik zu vermitteln, die es leicht macht, die Pisten ebenso geschmeidig hinunter wie hinaufzufahren. Gestern hatte ich eine Gruppe von Anfängern, die nie gedacht hätten, dass sie es bis hierher zur Ösjöstugan schaffen könnten. Aber ein paar Stunden Training im Skistadion in Bruksvallarna haben gereicht«, sagt Mikaela.
Dann fährt sie mit den Skiern weiter in Richtung Bruksvallarna und einer wartenden Gruppe von Schülern, während wir in Richtung Fjällnäs und Schwedens ältestem Berggasthaus weitergleiten. Die markierte Loipe, die ab Mitte Februar gespurt wird, führt über Kariknallarna und Skenörsfjällen und wird im Volksmund Solskensturen (dt. Sonnenscheintour) genannt. Die Loipe gilt als die landschaft- lich reizvollste Strecke für Tourengeher und Langläufer in Funäsfjällen und bietet weite Ausblicke auf die umliegenden Bergmassive. Die gesamte Tour ist etwas mehr als 15 Kilometer lang und an einem Schönwettertag wie diesem leicht zu bewältigen.
Weite Blicke und singendes Eis
Wir gleiten lange Zeit schweigend dahin, außer wenn wir anderen Fahrern begegnen, die
uns freundlich grüßen. Das Tempo ist nicht schnell – die Fahrt fühlt sich eher wie eine Art Meditation in Bewegung an, alles, um die Schönheit der Landschaft besser zu genießen. Jetzt hat auch der Wind nachgelassen, und es ist ruhig. Ein paar Spuren eines Schneehuhns kreuzen unseren Weg, und hoch oben am Himmel schweben einige große Raben auf den Aufwinden. In der Ferne sehen wir eine Gruppe von Gipfelskifahrern, die auf dem Weg sind, die Skarvarna zu besteigen – zwei sanfte Berge, die schöne Abfahrten bieten. Es ist eine beliebte Freizeitbeschäftigung, jetzt, wo der Winter allmählich endet und die Sonne zu wärmen beginnt.
Das Tempo ist nicht schnell. Die Fahrt fühlt sich eher wie eine Art Meditation an
In der Svalåtjärnsstugan machen wir eine lange Mittagspause und genießen die Sonne, bevor wir uns über das weite Hochplateau nach Westen wenden. Hier sind wir allein unterwegs, bis wir ein paar Kilometer vor Fjällnäs den lichten Bergbirkenwald erreichen. Nun geht es bergab, und wir pflügen vorsichtig den Hang hinunter in Richtung Malmagensee und unserer Abendunterkunft. Der Weg führt direkt auf das gelbe, mit kunstvollen Schnitzereien verzierte Holzhaus zu, das in der Abendsonne leuchtet und vor dessen Eingang eine Sammlung von Skiern stilvoll geparkt ist. Es verströmt echte Gebirgsnostalgie, denn schon Ende des 19. Jahrhunderts kamen die ersten Schneetouristen hierher, um sich im schwedisch-norwegischen Grenzgebiet zu erholen. Das Gasthausgefühl ist geblieben, wenn auch in exklusiverer Form unter dem Namen Fjällnäs Est 1882. Außerdem erwartet die Besucher eine der besten Küchen des schwedischen Fjälls, in der ausschließlich lokale Zutaten auf der Speisekarte stehen.
Nach einem Bier vor dem flammenden Kamin in der Lounge ist es an der Zeit, das Spa unten am See zu besuchen, das über eine Sauna und einen heißen Außenpool verfügt. Nach dem Saunagang tauchen wir ins kalte Wasserbecken ein – eine erfrischende Abkühlung nach der Hitze des Schwitzbades. Zum Abend- essen gibt es, passend zur Umgebung, Saibling und Rentierfilet mit köstlichen Beilagen.
Polarlichter vor dem Schnarchen?
Vor dem Schlafengehen leihen wir uns Tretschlitten aus massivem Birkenholz und machen uns auf den Weg, um unter dem klaren Sternenhimmel mit den breiten Kufen über die Schneedecke zu gleiten. Das blaue Eis knackt und scheint einen eigentümlichen Gesang anzustimmen. Funken fliegen, als wir am Straßenrand entlang schlittern, in der Hoffnung, ein Nordlicht zu sehen.
Am nächsten Morgen wartet das Dorf Funäsdalen auf uns, das wir über Hamra und Tänndalsvallen erreichen wollen – eine fast 25 Kilometer lange Etappe. Zunächst über- queren wir bei leichtem Gegenwind den See und folgen dann dem Tännån-Tal in Richtung Osten. Die spindeldürren Äste der Bergbirken sind über und über mit Rauhreif bedeckt. Wir begegnen mehreren fröhlichen Gruppen, von Familien mit Kindern über Rentner bis hin zu Elite-Skifahrern, die sich in hautenge Kleidung gezwängt haben – das Wetter und die Stimmung sind bestens.
Die Loipe führt uns über die Hållan- und Vivallen-Hütten immer weiter nach Norden, wobei einige Steigungen zu bewältigen sind. Entlang der landschaftlich reizvollen Strecke, die von altem Wald und ausgedehnten Moorgebieten geprägt ist, gibt es mehrere Rasthütten und Unterstände, die zum Verweilen einladen. Schließlich geht es bergab in Richtung Funäsdalen, wo wir eine Unterkunft und ein Abendessen im beliebten Bergrestaurant und Delikatessengeschäft Skoogs gebucht haben. Doch diekt nach dem Skifahren trinken wir erst einmal einen Kaffee im Café Hemma hos Edith auf dem Dorfplatz. Erik Rosander und Veronica Westerlund backen und rösten hier Kaffee in einer ausgesprochen gemütlichen Umgebung, in der die Zimtschnecken und Mandelcroissants auf den Blechen duften.
Vor dem Schlafengehen leihen wir uns Tretschlitten aus massivem Holz.
Morgen werden wir wahrscheinlich mit dem Skibus zurück nach Fjällnäs fahren, um auf präparierten Loipen bis zum Rasthaus Malmagsvålen zu gelangen. Vielleicht machen wir aber auch etwas ganz anderes. Fest steht auf jeden Fall, dass ein weiteres Ausflugsziel mit Panoramablicken vor uns liegen wird, das wir königlich gleitend zu erreichen versuchen. Das Hochdruckgebiet bleibt laut Vorhersage des Wetterberichts wohl bestehen – die Möglichkeiten hier oben sind einfach grenzenlos.