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Keine kleine Schwester

Nur eine kurze Bootsfahrt vom Festland entfernt liegt etwas unscheinbar die Insel Gällnö. Wer vorbei schippert, verpasst ein Astrid-Lindgren-Dorf mit kulinarischen Hochgenüssen.

Es ist leicht, Gällnö im Stockholmer Archipel zu übersehen. Der Grund ist paradoxerweise, dass die Insel so nah am Festland liegt, im Schärengarten außerhalb von Värmdölandet. Gällnö ist wie die kleine Schwester all der größeren Inseln dort draußen – doch als wir das Schärenoot verlassen und sie betreten, können wir das nicht mehr spüren. Wir sind in einem Bullerbü gelandet, wo die Wiesen nach Blumen duften, die Kirschbäume rosa und die Ställe rot leuchten, die Tiere frei im hohen Gras laufen und sich ein autofreier Feldweg zwischen Wiesen, Wald und Meer schlängelt. Hier gibt es nur etwa 30 Einwohner und eine aktive Landwirtschaft. Die authentische Schärenlandschaft lässt die Gedanken in alte Zeiten zurückschweifen. Und dann plötzlich – direkt vor unseren Augen – türmt sich eine hippe Bar auf, das schlagende Herz der Insel.

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Das Tavernenteam unter Leitung von Jonas und Robin ist mächtig stolz auf seine errungenen Erfolge.

Astrid Lindgren im Miniformat

Jonas Backlund und Robin Eriksson begrüßen uns mit offenen Armen. Robin grillt, Jonas mixt Drinks. Hier und da sitzen die Gäste ein wenig verstreut, essen Mittag in Form von Lammwurst oder Lachs, trinken Roséwein, Limonade und Bier unter blühenden, knorrigen Apfelbäumen. Im Jahr 2010 übernahmen die besten Freunde den Handelsposten der Insel. Heute betreiben sie auch die Herberge, die Bar und das Café. Jonas erzählt, dass er und Robin schon lange davon geträumt haben, gemeinsam etwas zu starten. »Aber wir hätten wohl nie gedacht, dass es so gut sein würde«, sagt er. Vielleicht liegt es an der Feinabstimmung, dass es so gut geklappt hat: der zurückhaltende Auftritt mit rauen Picknicktischen unter freiem Himmel und mehr Finesse im Detail. Vielleicht vor allem in dem, was auf den Teller kommt. Der Fokus liegt stets auf guten Rohwaren, biologisch und lokal produziert. Jonas und Robin haben viel Arbeit
investiert, um Lieferanten zu finden, die ihren Kriterien entsprechen. »Wir arbeiten mit rund 30 Lebensmittelerzeugern, die uns zu einem spannenden Sortiment verhelfen. Es erfordert viel Geduld, den Transport zu organisieren. Aber am Ende lohnt es sich«, sagt Jonas. Darüber hinaus importieren sie Käse aus Frankreich und haben seit einigen Jahren auch Bienen, um eigenen Honig zu produzieren. Die gleiche solide Arbeit steckt hinter der Getränkekarte. Jonas und Robin bemühen sich, Bier und Weine anzubieten, die man im Pub oder im Systembolaget nicht finden kann. »Wir arbeiten mit Mikrobrauereien und kleinen Winzern zusammen, die ihre Weine selbst als Naturwein definieren«, sagt Jonas.

Ruhe vor dem Sturm

Bisher herrscht auf Gällnö frühsommerliche Ruhe. In nur wenigen Wochen ist Hochsommer und mit ihm kommen mehr Gäste.

Man bemerkt schnell, dass alle Wege wieder zur Gällnö-Bar führen.

Dann ist die Bar Dreh- und Angelpunkt unter denen, die Sommerhäuser auf den umliegenden Inseln haben. Viele nehmen auch das Boot auf das Eiland, um hier zu Abend zu essen, oder legen auf dem Weg in den äußeren Schärengarten eine Pause ein, um etwas zu trinken. »Dennoch herrscht immer eine gewisse Ruhe. Das ist ein Teil von Gällnös Identität«, sagt Jonas. »Ich würde sagen, dass Gällnö typisch für Schweden ist. Das pittoreske Dorf sieht aus, als stamme es direkt aus den Erzählungen Astrid Lindgrens.« Etwas weiter entfernt liegt das Hostel, das sieben Jahre in Folge als Schwedens beste Herberge ausgezeichnet wurde. Das Hauptgebäude wurde 1902 erbaut und diente bis Mitte der 1960er Jahre als Schule. 1981 wurde es zur Jugendherberge umtransformiert. Seitdem wurden rundherum weitere Stugas gebaut. Im alten Schulhaus befindet sich auch das kleinste Hotel des Archipels: Frans August. Es besteht aus nur einem Raum und ist nach Frans August Jakobsson benannt, der das Land gespendet hat, auf dem sich heute die Herberge befindet.

Kekskrümel und Spargel

Auf Gällnö gibt es zwei Strände und einen überraschend dichten Blaubeerwald. Auf dem vier Kilometer langen Gällnöstigen kann man mehr über die Geschichte und Fauna der Insel erfahren oder einen Blick auf den alten russischen Ofen tief im Wald werfen, der an die Verwüstungen der Russen erinnert. Doch man bemerkt schnell, dass alle Wege irgendwann zurück zur Gällnö-Bar führen. Wir lassen uns im rustikalen Bootshaus nieder. Als Vorspeise wird Bruschetta serviert, anschließend Steak. Das Dessert ist eine spontane Idee der Küche: Eis mit Kekskrümeln und Spargel. Es schmeckt köstlich. Gällnö ist eine Oase, in der alte Kultur auf die Gegenwart trifft. Plötzlich fällt mir auf, dass das Eiland überhaupt nicht die kleine Schwester der bekannteren Inseln draußen im Archipel ist. Gällnö ist die ältere Schwester. Entspannter, weniger vorsichtig und ohne laut zu prahlen. Alle, die es wagen, genauer hinzuschauen, werden hier fündig.

Gällnö lässt sich zu Fuß oder auch auf dem Rad entspannt erkunden. Drahtesel bekommt man an der STF-Herberge.

Anreise und Unterkunft

Anreise: Gällnö liegt mitten im Archipel außerhalb von Värmdölandet. Die Bootsfahrt mit der Vaxholm-Fähre vom Zentrum Stockholms dauert etwa 90 Minuten, von Boda aus zehn Minuten. Cinderella-Boote, auf denen man im Voraus einen Sitzplatz reservieren kann, fahren vom Strandvägen ab.

Gällnö Hostel: Die Herberge eröffnet ihre Saison Mitte Mai und ist dann bis Oktober täglich geöffnet. Es gibt 36 Betten.

Hotel Frans August: Das kleinste Hotel des Archipels verfügt nur über ein Zimmer – mit gemütlichem Doppelbett und kleinem Balkon.

Gällnö Camping: Sein Zelt auf dem ruhigen Zeltplatz mit Frischwasserpumpe aufzuschlagen, ist schön und kostenlos.

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