Halbmondförmige Kurven schlängeln sich um die kleinen Inselchen. Schon im 12. Jahrhundert gab es hier in Sörmlands Schärenlandschaft eine wichtige, aber leider sehr enge und schwer befahrbare
Passage für die Schifffahrt, die für Kajakpaddler wie uns aber umso aufregender ist. Die gewundenen Passagen von Stendörren sind ein Labyrinth aus Wasser, Holmen, Felsen und Blumen. Ein Durcheinander, in das man hineinschlüpfen und sich darin verlieren kann.
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Einige Stunden zuvor waren wir bei Hälgö Kayak eingetroffen. Hier vermietet Klas Stockman seit 2002 mitten in Sörmlands grüner Natur Kajaks und Kanus. Klas kennt jeden Winkel der Sörmländer Schären und sagt, dass einer der Reize des Archipels darin besteht, dass es hier unzählig viele kleine unbewohnte Inseln gibt, aus denen man wählen kann. »Es ist einfach, hier deine eigene Insel zu finden, aber du bist ebenso schnell draußen auf dem offenen Meer«, erzählt er, kurz bevor wir ablegen. Klas berichtet von seiner Lieblingsinsel Rågö Stångskär » Sie ist idyllisch und wild zugleich, da sie draußen im tosenden offenen Meer liegt, mit ihren gelben Flechten, all den Blumen und sogar Kirschbäumen.«
Besser als jedes Hotelzimmer
Kurz nach uns begibt sich eine Familie in Kanus hinaus aufs Wasser Während wir zelten wollen und unser Essen auf einer Sturmküche zubereiten werden, haben sie eine bequemere Option gewählt – sie werden die Nacht auf Schloss Nynäs verbringen und haben ihr Abendessen bereits vorgebucht. »Jetzt seid ihr sicher neidisch!«, lachen sie uns hinterher. Aber wir sind es nicht. Denn schon nach kurzer Zeit des Paddelns wird uns klar, in was für einer Fundgrube wir uns befinden – mit schönen Zeltplätzen hinter jeder Biegung, die alle Hotels übertreffen die wir jemals gesehen. Wir haben keine geplante Route und nur ein Ziel: das Naturschutzgebiet Stendörren und die umliegenden Schären zu erleben.
Wir paddeln, wohin uns der Instinkt führt. Wir umrunden Rågön. Auf den Felsen machen andere Paddler eine Pause mit einem Bad und Kaffee. Es ist ein Archipel, der für Überraschungen gut ist. Plötzlich weitet sich der Horizont und wir blicken aufs offene Meer hinaus. Meine Arme schmerzen im Gegenwind, als wir über eine Schiffspassage paddeln und uns den Platz mit schnittigen Segelbooten teilen. Es fühlt sich an, als ob etwas weit draußen nach uns ruft. Am Nachmittag ziehen Wolken über den Himmel und das Wasser bekommt eine dunklere Farbe. Kahle Felseninseln und ein endloser Horizont übernehmen die Oberhand.
Ungeheuer des Meeres
Und es ist wirklich etwas, das ruft. Es ist eine Insel, von der wir überrascht feststellen, dass sie Kayak Klas Lieblingsinsel ist: Rågö Stångskär. Sie erscheint zunächst als kleiner Punkt draußen in sanften Wellen des Abends. Als wir uns nähern, sehen wir weiche Felsvorsprünge und eine Bucht mit behutsam plätscherndem Wasser. Doch irgendwo weiter weg dröhnt es, als ob unter all diesen Steinen ein Ungeheuer lebte. Der Ton bekommt eine natürlichere Erklärung, als wir die Kajaks an Land heben und auf die graue Oberfläche der Insel klettern. Sie ist schmaler als wir dachten und auf der anderen Seite schlägt das Meer an die Felsen, mit unerbittlichem Gebrüll. Seine wilde Enthüllung ist ein starker Kontrast zu der ruhigen Bucht dahinter. Es fühlt sich an, als ob wir zwischen zwei Welten stehen, auf dieser kleinen, glattenFelseninsel, mitten im Nirgendwo. Ein Sturm könnte das Eiland einfach verschlucken und mit den wilden Wellen hinunterspülen.
Barfuß suchen wir uns unseren Weg über die Felsplatten Rågö Stångskär ist auf den ersten Blick karg und nackt, aber Blumen in den Farben eines Regenbogens spielen in den Felsspalten. Kleine Seen im Mini-Format sind hier und da, verstreut, wie kleine Teiche, in die man eine Münze werfen könnte, um sich etwas zu wünschen. Die Vegetation ist wild, aber wir finden noch einen geeigneten Platz, um das Zelt aufzustellen.
Zwischen Ruhe und Wildnis
Wir sind gerade rechtzeitig nach Ende der jährlichen Vogelschutzsaison hier. Jetzt sehen wir gleich neben der Insel Schwäne in den Wellen schaukeln und hoch oben am Himmel einen Raubvogel segeln. Das Abendessen wird auf der ruhigen Inselseite zubereitet. Pünktlich zum Essen kommt ein kühler Sommerregen zu Gast. Der Himmel ist ein Sturm von Farben und gerade rechtzeitig für einen feurigen Sonnenuntergang erscheint ein Regenbogen, der sich von einer zu anderen Seite der Insel erstreckt.
Wir stehen mitten auf der Insel und beobachten das Wetterschaupiel. Wir sind bis auf die Haut durchnässt. Das Essen ist lange vergessen. In dieser Nacht schlafe ich tief, begleitet vom Rauschen der ungezügelten Wellen.
Wir erwachen am Ende der Welt. So fühlt es sich jedenfalls an. Nach warmem Porridge und Kaffee, ist es ist Zeit, Rågö Stångskär zu verlassen. Es fühlt sich seltsam traurig an. Wir steuern auf Hamnskär zu und nehmen dann Kurs auf das Naturschutzgebiet Stendörren. Die Sonne scheint doch die Wellen sind hier draußen in der Bucht eifrig. Als wir Stendörren erreichen, legen sich sowohl die Wellen als auch der Wind. Wir paddeln vorbei an schönen Naturhäfen und verstehen, warum Bootsfahrer von überall hierherkommen. Doch dieses Gebiet ist bekanntermaßen weniger von Touristenmassen
überschwemmt als der Stockholmer Schärengarten. Man kann hier allein sein, und ein eigenes Eiland finden.
Bei starkem Eis ist dieser Archipel zugänglich auch für diejenigen, die kein Boot oder Kajak
haben. Wir gleiten in das Herz des Naturschutzgebietes unter den Hängebrücken hindurch, über die Wanderer und Fischer streifen. Die Stille des Meeres wird durch das Gelächter von Familien ersetzt, die hier schwimmen, grillen und es sich gut gehen lassen. Wir folgen dem Beispiel der anderen, bleiben für das Mittagessen und gehen Schwimmen. Nach der Pause paddeln wir an Aspnäset und dem dortigen Naturzentrum vorbei, in dem man mehr über die Ostsee und die Natur der Schären erfahren kann.
Draußen auf dem Wasser treffen wir auf eine große Gruppe in Kanus. Wir begegnen auch vielen Paaren und Familien in Kajaks. Es bestätigt, was Kajak-Klas gesagt hat; dass immer mehr Menschen entdecken, dass Paddeln ein einfaches Abenteuer ist. Dazu muss man kein Sportler sein.
Wütende Widder
In der späten Nachmittagssonne, die den Nacken verbrennt, paddeln wir nach Südosten und vorbei an üppig bewachsenen Inseln, auf der Suche nach einem Zeltplatz für die Nacht. Wir umrunden die Örnklubbarna und entdecken eine schöne Stelle auf der schönen Brännskär. Zu unserer Enttäuschung aber, wir hier mit einem Schild vor einem wütenden Widder gewarnt. Auch Klas hat uns schon vor diesem gewarnt – das Zeichen ist anscheinend nicht übertrieben. Um eine nächtliche Begegnung mit dem Tier zu vermeiden schlagen wir unser Lager stattdessen auf der benachbarten Insel auf. Hier ist ruhig und geschützt. Wir finden einen Streifen mit Blick auf das offene Wasser. Das Zelt steht direkt an den Felsen und wir lassen die Zelttür offen, um so viel wie möglich von der Aussicht aufzusaugen – und reden uns ein,dass Widder sicher nicht schwimmen können.
Am nächsten Morgen kommt ein Pärchen in einem Kanu vorbei. Ihr kleiner Hund schaut fröhlich aufs Wasser und knurrt dabei. Der wütende Widder verteidigt sein Territorium vom Strand der Insel neben. Wir können sein wütendes Schnauben im Rücken hören, wenn wir lospaddeln.
Es ist der letzte Tag und wir verbringen genauso viel Zeit auf sonnengewärmten Badefelsen wie in den Kajaks. Wir fassen die Erfahrungen des Wochenendes als größer zusammen, als wir zunächst dachten. Stendörren bietet viele Naturerlebnisse im kleinen, kompakten Format – ob zwischen grünen Insellabyrinthen oder am Rande des offenen Meeres.