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Schatz am Rande der Stadt

Der Nuuksio-Nationalpark ist dank seiner hauptstadtnahen Lage extrem populär. Wir haben den geheimen Nordosten erkundet, in dem man selbst im Sommer kaum auf Menschen stößt.

Der Zauber beginnt schon vor der Grenze des Nationalparks. Ein alter Weg führt vom Bauernhof Yli-Takkula in den Wald. Zu beiden Seiten liegen Wiesen, auf denen violette Lupinen blühen. Schwalben segeln im Tiefflug über sie hinweg. Der Nuuksio-Nationalpark, der sich über Espoo, Vihti und Kirkkonummi erstreckt, ist Teil der Metropolregion Helsinkis. Vom Zentrum der finnischen Hauptstadt aus erreicht man die Wildnis, in der Urwälder mit Tälern, Schluchten, felsigen Hügeln und Moorlandschaften schlummern, in einer halben Stunde. Im Nationalpark liegen mehr als 80 Seen. Die beliebtesten Wanderwege sind die markierten Rundtouren von Haukkalampi aus, die in Länge und Schwierigkeit variieren. Die kürzesten sind auch für Kinder geeignet.

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Geheimnisse im Nordosten

Der Nuuksio-Nationalpark mit seinen vielen Seen und Teichen ist gespickt mit Urwäldern voller tiefer Schluchten, felsigen Hügeln und weiten Moorlandschaften, die einen verzaubern.

Wir aber sind dabei, einen geheimnisvolleren Teil von Nuuksio zu betreten und haben eine Tagestour im Gebiet Saarijärvi an der Nordostseite des Parks geplant. Selbst in der Hauptsaison ist es hier nicht überfüllt, und die Landschaft zählt zu den schönsten des Nationalparks. »Dort singt ein Mauersegler. Er mag diese grüne Landschaft«, sagt Mika Aronen, unser Naturguide. Mika hält diesen Teil des Nationalparks für ein weniger bekanntes Juwel der Gegend. Fichten biegen ihre Äste über den Waldweg und Farne bedecken den Boden. Spechte haben ihre Löcher in die alten Bäume gehämmert. Nach den Regenfällen des Vortages steigt ein üppiger Duft von Nadelbäumen und Erde aus der Landschaft auf. Im Nationalpark nisten Gleithörnchen. Für zufällig Vorbeiwandernde sind sie allerdings nur schwer zu entdecken. Die größten Tiere sind Elche und Weißwedelhirsche. »Vor einigen Jahren wurde hier auch ein Bär gesichtet«, sagt Mika. »Statistisch gesehen lebt ständig ein halber Bär im Nuuksio-Park, denn alle zwei Jahre kommt einer, der hier permanent unterwegs ist.« Die häufigsten Tiere sind natürlich Vögel, es sei denn, man zählt die Insekten mit. »Jetzt hört ihr einen Seidenreiher singen«, sagt Mika. »Er ist ziemlich selten in Finnland.«

Statistisch gesehen, lebt ständig ein halber Bär im Nuuksio-Park.

Der Fichtenwald wird immer moosiger, als wir das Ufer des Sees Saarijärvi erreichen. Hier kommt noch kein Wildnisgefühl auf, denn am gegenüberliegenden Ufer befinden sich Ferienhäuser. Die Grenze des Nationalparks verläuft entlang des Sees. Wir erklimmen die erste der vielen Klippen auf der Strecke. Die gesamten sieben Kilometer, die vor uns liegen, führen bergauf und bergab. Eine Herausforderung für die an Asphalt gewöhnten Füße. In diesem Teil des Nuuksio gibt es zwar keine markierten Wanderwege, aber wenn man dem Ufer des Saarijärvi folgt, können auch weniger Erfahrene den Überblick behalten. »Vom Strand aus kann man auch gut Kanu fahren«, sagt Mika. »Und im Winter kann man wunderbar über das Eis des Sees wandern.«

Viele seltene Tier- und Pflanzenarten finden im Nuuksio-Nationalpark die perfekten Bedingungen. Trotz der Nähe zur Stadt tut sich hier eine unvergleichliche Wildnis auf.

Das Wasser im Saarijärvi ist klar. Der kalte Südwestwind ist heute lebhaft und formt kleine Wellen. Das einzige Geräusch neben dem Plätschern des Sees ist das Rascheln der Bäume. Wir kommen an einem von der Eiszeit gespaltenen Felsen vorbei, an Zwergkiefern, die an Bonsaibäume erinnern, und an verschiedensten Moosen. So sieht ein finnischer Wald aus: Voll von kleinen Schönheiten, die man übersieht, wenn man nicht innehält, um sie zu betrachten. »Gibt es hier noch andere Hunde?«, schallt eine fragende Stimme durch die Bäume. Ein großer, bellender und nasser karelischer Schäferhund zischt an uns vorbei, obwohl Hunde hier nicht frei herumlaufen dürfen. »Hunde sind im Nationalpark willkommen, aber sie müssen an der Leine bleiben«, sagt Mika. Grund dafür ist der Schutz der Natur. Der Wald beherbergt auch viele bodenbrütende Vögel. Umherlaufende Hunde sind ein unglücklicher Umstand für ihre Küken.

Zum Wohle der Natur

Es gibt noch einige andere Regeln für das Wandern im Nationalpark, über die Mika gerne spricht, weil sie von vielen Besuchern ignoriert werden. So sind zum Beispiel Lagerfeuer nur an gekennzeichneten Feuerstellen mit selbst mitgebrachtem Holz erlaubt. In diesem Teil des Nuuksio sind überhaupt keine Feuer gestattet. Trotzdem sind wir schon an einigen felsigen Halbinseln vorbeigekommen, auf denen die Reste eines Lagerfeuers oder Zigarettenstummel glühten. Der Anblick lässt Mika jedes Mal zusammenzucken. »Ist das Dummheit oder Gleichgültigkeit?«, fragt Mika und tritt das Feuer aus. »Die sind oft der Auslöser für Waldbrände.« Natürlich darf man sich im Nuuksio frei bewegen, zum Beispiel Beeren und Pilze sammeln und schwimmen. Auch das Angeln ist erlaubt. »Das ist auch ein guter Flusskrebssee«, verrät Mika über den Saarijärvi.

Von den Ufern des Saarijärvi geht es tiefer in den Wald hinein und in Richtung Sarkki und Suolikas. Am Ufer des Sarkkinen blühen purpurne Sumpfblumen, und ihr süßlich-herber Duft liegt in der Luft. Fliederfarbene Seerosen schwimmen im Teich, Rohrschwingel blüht in einem nahen Graben. Hinter meinem Rücken höre ich ein wimmerndes Knarren wie rostige Scharniere. Es kommt von einer großen Kiefer, die gegen den Stamm einer anderen Kiefer gefallen ist und sich nun in ihren Armen im Wind wiegt. Auf der kleinen Landenge zwischen Sarkkinen und Suolikas machen wir eine Picknickpause. Am gegenüberliegenden Ufer steht eine Pfadfinderhütte, von denen es in Nuuksio mehrere gibt. Wenn man hier sitzt und das Wasser beobachtet, fällt es einem leicht, den Studien Glauben zu schenken, die belegen, dass ein Spaziergang im Wald beruhigend wirkt und Herzfrequenz und Blutdruck senkt. Es wäre schwer, dabei gestresst zu sein. Das Wichtigste beim Wandern ist, dass man innehält.

Der Zauber beginnt schon vor der Grenze des Nationalparks.

Der beste Weg, den Kopf frei zu bekommen, ist, nichts Bestimmtes zu tun. Auf unserer Route liegen zwei weitere Teiche, der perfekte, runde und glasig-grüne kleine Majaslampi (dt. Biberteich) und der große Majaslampi. Am kleinen Biberteich sehen wir ein einsames Zelt. Nachdem wir die Teiche hinter uns gelassen haben, erreichen wir den letzten Teil der Wanderung, einen Felsvorsprung, auf dem ein Turm aus Steinen aufgeschichtet wurde. »Willkommen auf dem höchsten Punkt des Nationalparks. Wir haben ihn jetzt erreicht«, grinst Mika. Die Felsen um uns herum sind niedrig. Wir befinden uns 114 Meter über dem Meeresspiegel. Vor uns liegt noch ein weiteres Stück Weg, zurück zu der Lupinenwiese, von der aus wir gestartet sind. Wir beginnen den Abstieg über den Felsen in Richtung Fichtenwald. Nach fünf Stunden Wanderung, beginnen meine Oberschenkel zu schmerzen. Aber die Laune ist gut. Wir haben einen echten Schatz am Rande der Stadt gefunden.

Text von Kati Kelola

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