Gerade noch ging es darum, den riesigen Rucksack irgendwie über die nächste Kuppe zu befördern. Immer schwerer ist er in den letzten Minuten geworden. Ähnlich wie die Bergstiefel an den Füßen. Doch dann sind die Strapazen wieder weit weg: Zu grandios ist die Aussicht auf das sich öffnende Tal. Zu spektakulär ist das Panorama mit dem türkis leuchtenden See und den schneebedeckten Bergkuppen, die wie schlafende Riesen über die weite Natur wachen. Nur einige winzige Holzhütten erinnern hier, kurz vor dem südlichen Ufer des Alesjaure- Sees, an die Zivilisation. Ansonsten herrscht vollkommene Einsamkeit.
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Szenen wie diese gehören zum Alltag beim Fjällräven Classic. Seit 2005 gibt es die Veranstaltung bereits, deren Prinzip simpel wie genial ist: Mit dem Gepäck für mehrere Tage in der Wildnis auf dem Rücken wandert man auf dem nördlichen Teil des Kungsleden, einem der berühmtesten Fernwanderwege der Welt. Von der kleinen Siedlung Nikkaluokta bis zum Dorf Abisko, rund 110 Kilometer durch die unberührte skandinavische Natur. Ohne Handyempfang. Ohne Zivilisation. Die einzigen Begegnungen sind die gelegentlichen Treffen mit den hier frei umherziehenden Rentier- herden – oder eben mit den anderen Teilnehmern, die das Abenteuer Fjällräven Classic wagen. Denn das Event ist viel mehr als nur eine einfache Wanderung: Zahlreiche Trekkingfans aus der ganzen Welt streifen jedes Jahr während der einwöchigen Veranstaltung gemeinsam durch die nordschwedische Natur – und stellen sich der Herausforderung, eine mehrtägige Trekkingtour mitten durch einen der letzten unbewohnten Flecken Europas zu unternehmen.
Gemeinsam durch die Wildnis
Die ursprüngliche Idee für den Fjällräven Classic stammt von Fjällrävens Gründer Åke Nordin. Als Anfang der 2000er Jahre das Interesse am »Friluftsliv«, also dem Aktivsein in der freien Natur, in Schweden zurückging, wollte er gegensteuern. Die Idee: Eine Veranstaltung schaffen, die erstens die Begeisterung für das Draußensein zurückbringt. Und eine Plattform ins Leben rufen, die Menschen die Möglichkeit gibt, eine mehrtägige Wanderung zu erleben, ohne dass sie dafür absolute Trekkingprofis sein müssen. Zwar tragen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen ihr eigenes Gepäck mit Zelt, Schlafsack, Proviant und Kocher und müssen in der Wildnis schlafen. Trotzdem gibt es entlang der Strecke Checkpoints, an denen sie helfende Hände und medizinische Betreuung vorfinden. Ein Abenteuer in der Gemeinschaft. Ganz ohne Wettbewerbsdruck und ohne Ranglisten. Perfekt, um das Friluftsliv mit Bergstiefeln zu erfahren bzw. zu erlaufen, neue Freundschaften mit Gleichgesinnten zu schließen und eine Liebe zur Natur zu entwickeln. Besonders aufregend ist dabei das Wildcampen, das Zelten in der freien Natur.
Nur einige winzige Holzhütten erinnern hier an die Zivilisation.
Während das in Deutschland an vielen Orten ausdrücklich verboten ist, fällt das Wildcamping in Schweden unter das sogenannte »Allemansrätten«, das Jedermannsrecht. Jenes Allemansrätten ermöglicht es, überall zu wandern, zu campen, zu angeln, zu jagen und Beeren und Pilze zu sammeln, solange man dabei keine Schäden anrichtet oder die Umwelt beeinträchtigt – ganz unabhängig davon, ob das Land öffentlich oder privat ist. Beim Fjällräven Classic bedeutet das, dass man sein Zelt überall aufstellen kann, sofern man einen geeigneten Ort findet. Geschlafen wird dann mitten in der Einsamkeit, fernab jeglicher Zivilisation, vollkommen umringt von der wilden Natur. Damit Letztere auch in Zukunft so bleibt, bekommt übrigens jeder Teilnehmende einen Müllbeutel mit auf die Tour: So kann der Abfall wieder mitgenommen werden.
Friluftsliv auf Bayrisch
Den ganzen Tag wandern und in der freien Natur schlafen – eine Teilnahme am Fjällräven Classic reduziert demnach das ansonsten mit Terminen und Verpflichtungen vollgepackte Leben auf das Wesentliche: Strecke machen, unterwegs genügend essen und am Abend einen Schlafplatz suchen – und eben die Natur und die Umwelt genießen. So einfach kann der Alltag sein. Dass das ankommt, zeigt die Entwicklung der Veranstaltung: Inzwischen gibt es das Event nämlich nicht mehr nur in Schweden, sondern in insgesamt sechs Ländern auf drei Kontinenten. Selbst in Korea hat die Veranstaltung dazu beigetragen, das Wanderfieber zu entfachen.
Ein Abenteuer in der Gemeinschaft. Ganz ohne Wettbewerbsdruck.
Und auch in Deutschland wird es in diesem Jahr wieder einen Classic geben. Auch hier steht die Liebe zur Natur und das Umweltbewusstsein im Vordergrund. Die Route der deutschen Ausgabe führt die Teilnehmer und Teilnehmerinnen drei Tage lang 57 Kilometer durch die idyllische Landschaft der Allgäuer Voralpen – über saftig grüne Wiesen hinweg, vorbei an beeindruckenden Berggipfeln und klaren Seen. Wer schon einmal in den Bergen südlich von Immenstadt unterwegs war, weiß, dass es auch hier viele unberührte Flecken gibt. Vielleicht nicht in der Dimension des Kungsleden in Nordschweden mit dem beeindruckenden Alesjaure-See und den schneebedeckten Bergriesen im Hintergrund. Aber dennoch großartig genug, um ein Stück schwedisches Friluftsliv zu erleben – wenn auch mit einem bayerischen Touch.
Mehr Infos zum Fjällräven Classic findest du hier!