Weiter zum Inhalt

Vollendet: Trekking-Traum in Süd-Grönland

Allein brach Fotograf Martin Hülle in die menschenleere Wildnis des Johan Dahl Landes auf. In Süd-Grönland waren Gletscherzungen, Fjorde und Eisberge eine Verlockung, der er nicht widerstehen konnte.

Es war ein erhabenes Gefühl, am Tasiusaq zu stehen, auf das im Fjord dümpelnde Eis zu schauen und zuwissen, nach all der langen Zeit so gut wie am Ziel zu sein. Okay, ein paar Kilometer bis nach Qassiarsuk, dem Endpunkt meiner Wandertour, lagen noch vor mir. Aber die große Runde durch das Johan Dahl Land war fast beendet. Ich hatte zwei zerrissene Gletscherzungen gequert und fast nicht mehr herausgefunden aus dem Chaos aus Spalten und tiefen Rissen.

Weiterlesen mit NORR+

Ab 1 Euro/Monat erhältst du Zugang zu allen Artikel und exklusiven Aktionen. Jetzt registrieren und einen Monat lang kostenlos testen.


Zwischen Ausläufern des Inlandeises und Fjorden im Süden und Westen liegt das weglose Johan Dahl Land. Markante Täler und Höhenzüge, reißende Flüsse und zahlreiche Seen kennzeichnen das Gebiet im Süden Grönlands. Mit 1 690 Metern ist der Valhaltinde der höchste Gipfel der Region. Neben dem Johan Dahl Land ist Südgrönland gespickt mit weiteren Wandergebieten, die sich zum Meer hin erstrecken und teils besser erschlossen und weniger abgeschieden sind. greenland.com

Ich hatte meist wegloses Gelände über mehr Stein als Stock gemeistert und war mit einem Fuß in ein Loch gerutscht, aus dem ich mich zum Glück jedoch wieder befreien konnte. Am Hullet, diesem kaum in Worte zu packenden Chaos aus Eisbergen, einer Szenerie, so spektakulär und eindrücklich, wie ich es anderswo noch nie gesehen hatte, waren mir vor Freude die Tränen gekommen.Diese Reise in den Süden Grönlands war ein würdiger und ein krönender Abschluss meines Fotoprojekts Mein Norden.

Wo Berge segeln. Nur die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs ist sichtbar – der größte Teil verbirgt sich unter
Wasser.

Dabei war mir auf der Zielgeraden fast die Puste ausgegangen. Quer durch Skandinavien war ich bereits gereist, hatte die Färöer-Inseln, Island und Svalbard besucht, als vor einem Jahr die zu jenem Zeitpunkt schon als finaler Trip angesetzte Grönland-Reise urplötzlich ins Wasser fiel. Die Billigfluglinie, bei der ich zu der Zeit gebucht hatte, stellte kurzerhand ihren Betrieb ein. So ein Mist, dachte ich mir. Aber was sollte ich machen?

Eine Schäferhütte in der Nähe der Bucht Qajuuttaq. Sie wirkt wie eine verlassene Raumkapsel, ist voller Gerümpel und stinkt nach Petroleum.

Spontan rief ich statt des Herbstes alternativ eine Wintertour auf der grünen Insel ins Leben. Doch wegen Schneemangels wurde auch daraus nichts. Meine Motivation und der Glaube, das Projekt zu einem guten Ende zu bringen, wurden kleiner und kleiner. Doch ich gab nicht auf und landete schließlich ein Jahr später als ursprünglich geplant in Narsarsuaq, dem Dreh- und Angelpunkt in Südgrönland, der nur aus einer Landebahn zu bestehen scheint. Endlich aufgebrochen in die wilde grönländische Welt, in der ich elf Tage lang keine andere Menschenseele traf, loderte die Flamme in mir umso heller und ich war zurück auf Kurs. Die Bilder, die ich auch von diesem Flecken nordischer Natur noch haben wollte, lagen mir zu Füßen. Ich pflückte sie wie reife Früchte und genoss mein stilles Dasein in der Einsamkeit.

Mein Plan einer Rundtour ging trotz aller Herausforderungen und Schwierigkeiten auf. Durch das Blomsterdalen lief ich zum Gletscher Kuussuup Sermia. Über die eisige Zunge, deren Querung mit meinem schweren Rucksack ein heikler Balanceakt war, gelangte ich ins Johan Dahl Land. Weiter ging es zum Nordbosø und dem darüber thronenden Valhaltinde. Meine Idee, diesen Berg bei gutem Wetter zu besteigen, verwarf ich zugunsten eines Tages am Hullet. Umgeben von Ausläufern des Inlandeises, zog mich dieser Ort so sehr in seinen Bann, dass ich mich nur schwer davon lossagen konnte. Doch es folgten weitere Highlights. Nachdem ich auch den Gletscher Kuukuluup Sermia überschritten hatte, konnte mich selbst Hagel nicht davon abhalten, nach einem Zeltplatz zu suchen.

Meine Beharrlichkeit wurde hoch auf einem Bergrücken belohnt mit einer Panoramaaussicht über den Nordbosø und den darin kalbenden Nordbogletscher. Zurück im Tal des Flusses Qinngua lag der schwerste Teil hinter mir. Von nun an zeichneten sich zumindest ab und an schmale Pfadspuren ab, denen ich durch dichtes, hartes Gebüsch folgen konnte. So kam ich auch zur Bucht Qajuuttaq am Fjord Eqalorutsit Kangilliit. Nach der schroffen Bergwelt eine willkommene Abwechslung. Schließlich lief ich zum Tasiusaq, wo ich erstmals wieder auf Menschen traf, und weiter nach Qassiarsuk, das ich am vierzehnten Tag erreichte. Der Kreis war fast geschlossen. Ich rief Jacky von Blue Ice Explorer an und kurz darauf kam er mit seinem Boot, um mich abzuholen. Fünf Minuten dauerte die Überfahrt über den Eriksfjord und ich war zurück in Narsarsuaq.

Am See 475 im Mellemlandet – dem Mittelland zwischen den Gletschern Kuussuup Sermia und Qooqqup Sermia.

Ohne Grönland wäre Mein Norden unvollendet. Daher war es gut, beharrlich daran festzuhalten und zu guter Letzt dorthin aufzubrechen. Manche Abenteuer, die ich allein in der rauen Wildnis bestehen musste, zerrten an meinen Nerven. Doch ein paar Opfer zu bringen, hatte sich mehr als gelohnt: Die wunderschönen Orte, zu denen ich gelangt war, ließen alle Strapazen im Nu vergessen und erfüllten mich mit großem Glück. Ein Traum war Wirklichkeit geworden.

Ein perfekter Lagerplatz am Tasiusaq, einem Seitenarm des Fjordes Eqalorutsit Kangilliit, wo mich ein Föhnsturm 24 Stunden im Zelt gefangen hielt.

Mehr für dich