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Winter-Wanderung entlang des Königswegs

Eine Frühjahrswintertour in der herrlichen Landschaft Lapplands. Von Abisko aus gibt es mehrere Möglichkeiten, in Berghütten und auf Schwedens höchster Bergstation zu übernachten. Wir haben die Skier untergeschnallt und uns in Nordschwedens Weite gewagt.

Die Ankunft in Abisko mit dem Zug im Frühlingswinter, wenn die Berge mehr als einen Meter tief eingeschneit sind, ist ein besonderes Erlebnis. Der schwedische Bergtourismus wurde hier geboren, als Anfang 1900 die Eisenbahnlinie zwischen Gällivare und Narvik gebaut wurde. Die STF-Anlage in Torneträsk hat sogar einen eigenen Bahnhof. Im Hintergrund thront Lapporten (dt. das Tor zu Lappland). Dies ist eines der beliebtesten Fotomotive in den Bergen, wo das Inlandeis ein U-förmiges Tal zwischen mehr als 1.500 Meter hohen Gipfeln geschaffen hat.

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Wir sind eine große Gruppe erwartungsvoller Passagiere, die mit Skikoffern und Rucksäcken auf die sonnenüberflutete Plattform treten. Es dauert nicht viele Minuten, bis wir die Touristenstation erreichen, die direkt neben dem Naturum liegt. Im Innenhof treffen sich Kungsleden-Tourenskiläufer, Winterwanderer und Abfahrtsskifahrer. Einige haben die Seilbahn auf den Hausberg Njullá im Visier, wo man abseits der Pisten fast 500 Meter hinunterfahren kann. Die Nordlichtsaison ist vor einem Monat zu Ende gegangen – die Stadt ist einer der besten Orte der Welt, um die tanzenden Lichter zu beobachten. Am besten von der Aurora Sky Station, der obersten Hütte des schwedischen Tourismusverbandes auf Njullá. Aber jetzt steht bei den meisten das Skitourengehen im Fokus. Sofia Jeppsson, Louise Laurenius und Sofia Ringner aus Göteborg haben sich gerade für ihre erste Tour auf dem Kungsleden zum Kebnekaise und zur Nikkaluokta fertig gemacht.

Sie sind gestern mit dem Zug in Abisko angekommen und haben sich vor der Abreise am Bahnhof mit Proviant eingedeckt. »In der Vergangenheit haben wir meistens Gipfeltouren gemacht, auch zum Kebnekaise. Aber jetzt wollte ich den Kungsleden ganz klassisch auf Skier ablaufen und nach einigem Gezeter habe ich die anderen überredet«, sagt Louise mit einem Augenzwinkern zu ihren Freunden. »Allerdings sind unsere Taschen vielleicht ein bisschen zu schwer, wenn man bedenkt, dass es sich um eine Hüttentour handelt«, stellt Louise nach dem Wiegen der Ausrüstung fest. »Wir wollten es beim Essen ein bisschen luxuriöser machen«, schnauft Sofia.

Von Hütte zu Hütte

Eine vernünftige Tagestour von 14 Kilometern entlang des Abiskojåkka, bis zur Abiskojaure-Hütte am Südende des Sees wollen der Fotograf Sam und ich heute zurück legen, um morgen nach Westen zur Kårsavaggestugan und zur Bergstation Låkktatjåkko abzubiegen. Eine etwas andere Hüttentour, entlang des Kungsledens, bei der wir uns für alpines Tourenski entschieden haben, um auch bequem die Berghänge hinunterschwingen zu können. Und es ist ein wunderbares Gefühl, sich auf den Weg zu machen, mit einer Sonne, die einen fast brät und schon nach dem ersten Anstieg im lichten Birkenwald die Shell-Jacke ausziehen lässt.

Es ist später Nachmittag, als wir uns Abiskojaure nähern, einer entspannten Hütte am am Fuße des 1.500 Meter hohen Giron. Margareta und Bosse Persson heißen uns mit warmer Limonade willkommen, zusammen mit dem verschmitzten Lagotto-Hund Harry, der gähnend im Schnee herumtollt. »Wir sind seit neun Jahren jeden Sommer als Hüttenwirte in der Gegend und pendeln zwischen Sälka, Alesjaure und Abiskojaure. Aber dies ist das erste Mal, dass wir im Winter Gastgeber sind«, sagt Margareta. Da Abiskojaure der erste Hüttenstandort nach Abisko ist, kommen normalerweise viele Gäste in die Gegend. »Aber das Seltsame ist, dass wir in der Osternacht ganz allein waren, während am Karfreitag viele Besucher da waren.«

Inzwischen hat Margareta eine reichhaltige Linsensuppe gekocht. Sie köchelt schon lange auf dem Holzofen mit Pastinaken, Karotten, Sellerie und Zwiebeln sowie dünnen Scheiben von Elchwurst. »Ich habe das Gemüse selbst getrocknet, und der Vorrat reicht für den gesamten Aufenthalt«, sagt sie. So sind wir eingeladen, sowohl die Suppe als auch die frisch gebackenen Pfannkuchen mit Moltebeermarmelade zu probieren, die in der Abendsonne köstlich schmecken. Kurz vor dem Kaffee kommt Åsa Säfström mit ihrem Motorroller vorbei. Sie fährt Transporte für die Kreisverwaltung und den STF, dazwischen auch Schneemobil-Taxis, und kommt aus Alesjaure, wo sie zwei Hüttenwirte abgeliefert hat. Und auf dem Heimweg gibt es immer eine Kaffeepause mit Bosse und Margareta.

Kaffeepause mit Gipfelblick

Ein neuer Tag mit Blick auf die Kårsavaggestugan beginnt. Auch heute Morgen scheint die Sonne von einem strahlend blauen Himmel – vorerst. Nach Angaben des Wetterberichts werden gegen Nachmittag Schnee und Wind aufziehen. Wir machen uns recht früh auf den Weg und folgen dem Sommerweg über den östlichen Bergrücken des Boazočohkka. Eine Strecke von etwas mehr als acht Kilometern, die ihre Zeit braucht. Erst am See entlang und durch den Birkenwald, dann einen immer steiler werdenden Berghang hinauf, mit einigen kniffligen Passagen. Es ist eine wunderbare Belohnung, wenn man die Hochebene in knapp über tausend Metern Höhe erreicht und die Aussicht auf die Bergmassive mit Latnjačohkka und Gorsačohkka als klare Orientierungspunkte genießen kann. Das lange, enge Tal erstreckt sich über 20 Kilometer vom Gorsajökeln – einem der zugänglicheren Gletscher der Bergwelt – bis zum Zusammenfluss von Kårsajåkka und Abiskojåkka.

Jetzt ist es Zeit für eine Kaffeepause, bevor die lang ersehnte Fahrt ins Tal beginnt. Wir fahren über einige eisige Abschnitte, um weiter unten auf weichen, angenehmen Frühlingsschnee zu stoßen. Wie geniessen ein Dutzend sehr angenehme lange Schwünge von der Höhe hinunter zum See, wo wir auch mehrere Vielfraßspuren kreuzen.


Jetzt ist es windstill, und die Hütte sieht aus dieser Entfernung wie eine Fata Morgana aus, mit einem herannahenden Wolkenband im Westen, das vor schlechterem Wetter warnt. Die Kårsavaggestugan hat wirklich eine lange Geschichte. Sie ist eine der ältesten Hütten von STF und wurde bereits 1927 erbaut. Obwohl das Innere erst vor kurzem renoviert wurde, hat sie mit ihren zwei Zimmern, die jeweils mit einem Kamin ausgestattet sind, immer noch einen hohen Gemütlichkeitsfaktor.

Die Hüttenwirte Petter Svärd und Katariina Sundén sind selbst auf einem Kurztrip, zusammen mit dem Schäferhund Elsa. Wir treffen uns also schon draußen auf dem See. »Kårsavagge ist etwas Besonderes. Ein kleines Häuschen in einem dramatischen Tal mit einem Gefühl der Unendlichkeit«, sagt Petter, als wir einige Zeit später bei einer Tasse Kaffee vor dem Haus sitzen. »An manchen Tagen passiert nichts – wie gestern und vorgestern – und dann können plöztlich ganz viele Mensche auf einmal kommen und sich die wenigen Betten teilen. Es gibt nicht so viele Leute, die nach dieser Hütte suchen. Ein deutliches Beispiel ist die Osterwoche mit insgesamt nur neun Übernachtungsgästen«.
Pünktlich zum Abendessen setzt das schlechte Wetter ein, mit Windböen, die die Hütte ab und zu zum Wackeln bringen.

Ein neuer Tag bricht an, mit noch mehr Schnee und Wind. Wir müssen unsere Pläne ändern und über Latnjajávri zur Bergstation Låkktatjåkko weiterfahren. Die Hochstraße ist angesichts des Wetters und der steilen und engen Bachschlucht, die zum See hinaufführt, nicht zu bevorzugen. Also beschließen wir, mit den Skiern zurück nach Abisko zu fahren. Denn laut Wettervorhersage soll es morgen wenigstens schön werden, so dass wir weiterfahren können.

Nachdem wir uns mit Feuerholz eingedeckt und Wasser geholt haben, machen wir uns auf den Weg, wobei uns der Rückenwind sehr hilft. Das flache Licht macht es extrem schwierig, Konturen zu erkennen, und so ist es ein gutes Gefühl, nach ein paar Stunden für die letzten Kilometer bis zum Bahnhof den geschützteren Birkenwald zu erreichen. Klugerweise haben wir die holzbefeuerte Sauna per SMS gebucht. Sie befindet sich in Torneträsk und ist es wert, vor dem Abendessen ein paar Stunden zu schwitzen.

Schneesturm im Anmarsch

Am nächsten Morgen verspricht das Wetter viel schöner zu werden und Låkktatjåkko wartet auf uns. Nach einem ausgiebigen Frühstück nehmen wir den bequemen Weg auf die Njullá – eine stilvolle Fahrt mit der alten Seilbahn aus den 60er Jahren. In etwas mehr als 20 Minuten erreichen wir die Bergstation auf 900 Metern Höhe. Doch die Idee, über das Måndalen zu fahren, sollten wir wohl besser fallen lassen, denn trotz des schönen Wetters heute Morgen türmen sich im Westen wieder die Wolken. »Ein neuer Schneesturm ist im Anmarsch«, sagt Bosse Boström von der Nuolja-Skipatrouille.

Er empfiehlt uns, stattdessen zum Skigebiet von Björkliden weiterzufahren und von dort den Winterwanderweg hinauf zur Bergstation zu nehmen. Das scheint ein kluger Vorschlag zu sein, denn der Wind nimmt zu und die Wolken auch, als wir über den Pass zwischen Njullá und Slåttatjåkka nach Westen fahren. In etwas mehr als einer Stunde erreichen wir bei zügigem Tempo den oberen Teil der Piste, wo wir uns entscheiden, die Höhe in Richtung Winterwanderweg zu halten. Auf den letzten acht Kilometern werden wir dann vom Gegenwind ordentlich durchgeschüttelt. Die Sicht ist jedoch einigermaßen gut, und erst beim letzten steilen Anstieg nach Låkktatjåkko wird der Schneefall stärker und macht es recht schwierig, zwischen den Loipenkreuzen zu finden. Eine plötzliche Lücke in all dem Weiß und ein dunkles Gebäude ragt empor.

Wir sind an der höchsten Bergstation Schwedens angekommen. Die Hüttenwirtinnen Jonna Hägglund und Anna-Lena Kroonsind gerade dabei, die Treppe und die Eingangstür aus dem Schnee zu schaufeln, und bieten dann in der Wärme der Hütte heißen Saft an. Hier muss man wirklich alle Wetterlagen mögen. Denn nach einem sonnigen Tag kann es am nächsten Morgen zu einem heftigen Sturm kommen – wie im Januar vor ein paar Jahren, als die Windstärke 40 Meter pro Sekunde erreichte.
»Ja, Låkkta ist wirklich eine ganz andere Welt und ein echtes Blowhole. Ich habe noch nie ein so wechselhaftes Klima erlebt, manchmal gibt es vier Jahreszeiten an einem Tag«, sagt Jonna. Die Wechselhaftigkeit ist auch ein Grund, warum sie sich für die Arbeit in der alten Bergstation entschieden haben.

Und dann ist da natürlich noch die Zeitlosigkeit, die das Haus bietet. 1939, mitten im Krieg, wurde die Låktatjåkkostugan in 1.228 m Höhe als Erholungsgebiet fertiggestellt. Alle Materialien wurden mit Pferden hinaufgezogen, und die Hütte wurde am Fuße des 1.400 Meter hohen Loktačohkka-Bergs vollständig von Hand gebaut. Im Winter fahren die meisten Leute hier oben Ski, aber einige nehmen auch den Zug. Denn während der Wintersaison gibt es täglich Touren. Bei schönem Wetter ist das Hinauffahren mit der Bahn und die Abfahrt mit Skiern sehr beliebt. »Ein perfekter Tagesausflug, um die Aussicht zu genießen und Waffeln zu essen«, sagt Jonna.

Ausklang in der Sauna

Nach einem Saunagang und einer Ruhepause auf dem Zimmer ist es Zeit für das Abendessen mit lappländischem Einschlag. Heute Abend gibt es Rentiersteak auf dünnem Brot, Elchsteaks und Eis mit gebräunter Butter und Apfelspalten. Nicht ganz falsch, wenn der Sturm nur noch stärker wird und wir an Tischen mit Kerzenlicht und je einem Glas Rotwein sitzen. Die andere gebuchte Gruppe ist ebenfalls eingetroffen, schwer verschneit nach einer windigen Fahrt von Björkliden, um es vorsichtig auszudrücken.

Nach dem Essen ist der Aufenthaltsraum mit dem knisternden Feuer im Kamin und den Holzstühlen in modernem Design der naheliegende Treffpunkt. Wir sitzen lange und plaudern, während der Wind pfeift und der Schnee an den Fenstern klebt. Aber laut Wetterbericht soll es morgen früh aufhören, und dann können wir hoffentlich unsere lang ersehnte Fahrt vom Gipfel des Loktačohkka hinunter nach Björkliden machen. Dann fahren wir mit dem Zug zwei Stationen weiter nach Abisko Östra. Dort erwartet uns eine letzte Übernachtung in der Abisko Mountain Lodge – mit einem eindeutig hohen Gemütlichkeitsfaktor und einem sehr beliebten Bergrestaurant.

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