Mystisch wird die Landschaft der Lofoten in Literatur, ja sogar in teilweise sehr nüchtern gehaltenen Reiseführern beschrieben. Eine Wunderwelt der Natur, ein Spielplatz für Elfen und Trolle – ein Traumland für alle Nordlandurlauber.
Wolkenfetzten hängen an den Berghängen, die norwegische See ist unruhig, schlägt gegen haushohe Felsgebilde und gischtet in feinem Sprühregen auf sattgrüne Grasflächen. Ich bin auf der E10 – der Hauptstraße der Lofoten unterwegs. Die Hauptstadt Svolvær habe ich bereits hinter mir gelassen, einen Zwischentop in Kabelvag mit der fantastischen Kabelvag Kirke absolviert – jetzt bin ich auf dem Weg zu der Insel der Lofoten, die am wenigsten touristisch ist.
Allein in Norwegens Natur
Vor mir taucht die beeindruckende „Gimsøystraumen bru“ auf, ein Prunkstück der norwegischen Hochbauarchitektur. Die Windsäcke stehen horizontal im straffen Wind, als ich die Brücke überquere. Am Ende dieses Bauwerkes biege ich rechts in die Straße mit der Nummer F861 ein und finde mich plötzlich vollkommen alleine in der norwegischen Natur wieder. Die Halbinsel Gimsøya kann laut Reiseführer nicht mit ihren bekannten Schwestern Austavagøya, Vestvagøy oder Moskenesøya mithalten und so donnert der Touristenstrom an diesem fantastischen Kleinod hoch über dem Polarkreis vorbei. Die Asphaltstraße geht in eine Schotterpiste über, unzählige Wasserläufe und Schafe queren meinen Weg.
Im Hauptort der Insel steht die weiße Kirche von Hovsund. Direkt am Meer, umgeben von fantastischen Sandstränden. Mit dicken Stahlseilen gesichert, trotzt sie den Gewalten der lofotischen Natur. Uralte, verrostete, vom Salzwasser angegriffene Kreuze umgeben den religiösen Mittelpunkt der Insel Gimsøy. Der ständige Wind zerreißt die Wolkendecke und taucht diesen Ort in mystisches, unbeschreibliches Licht. Entlang des Nordatlantiks führt mich die Straße weiter Richtung Südwesten. Die Kämme der sich brechenden Wellen funkeln im Licht, am Horizont erkenne ich die Konturen der Versterålen. Vorbei an rot gestrichenen Gehöften und dem nördlichsten Golfplatz Europas erreiche ich mein Hauptziel.
Auf dem »Dach der Lofoten«
Der mächtige Hoven beherrscht die morastigen Ebenen der Insel. Der Nordgrad des Berges ist steil, aber gut begehbar. So schaffe ich den Anstieg in gut 45 Minuten. Ein Steinhaufen markiert den Gipfel. Tief beeindruckt stehe ich auf dem »Dach der Lofoten«, mein Blick schweift über unzählige Berggipfel, zu meinen Füßen erstrecken sich karibisch schöne Sandstrände. Im Osten zaubert eine Regenfront Regenbögen in den dunklen Himmel, im Westen funkelt das Meer und der Himmel verfärbt sich zum finalen Tagesshowdown in Purpurtönen. Über zwei Stunden genieße ich diese Szenerie der Superlative – Mitternachtssonne inklusive.
Nach dem Abstieg treffe ich Knuth Johannessen. Er lebt seit Geburt an auf Gimsøy. »Das Leben geht seinen Weg, langsam, beständig. Hier ist ein Ort, der das Leben lebenswert macht. Ruhe und Natur – liebenswerte Menschen. Ich frage dich – was benötigt man sonst noch zum Leben?« Gemeinsam mit Knuth sitze ich in dessen Haus, mit Blick auf die norwegische See. Es ist ein Uhr Morgens. Die Sonne schickt die ersten Strahlen des neuen Tages auf die Reise, um dieses Wunderland von Neuem zu erkunden.