Der kleine Ort Ytterjärna südlich von Stockholm ist schon seit vielen Jahren ein Zentrum für Menschen, die auf der Suche nach einem alternativen Lebensstil sind. Der Künstler James Turell hat den Platz zum Leuchten gebracht.
Es dämmert in Ytterjärna. Zeit für den Skyspace, eine begehbare Installation des amerikanischen Lichtkünstlers James Turrell. Zweieinhalb Stunden betrachten die Besucher durch eine Öffnung in der Decke den nordischen Abendhimmel: Das dunkler werdende Blau, vorbeiziehende Wolken und Flugzeuge, die schnurgerade Kondensstriche durch das Blickfeld zeichnen. Im Raum variieren während- dessen Lichtintensität und -farbe. Sanftviolett, knallgelb, grellweiß – mit jedem Ton, den die Innenwände annehmen, ändert sich die Wahrnehmung des Himmels. Ein faszinierendes visuelles Erlebnis und ein Spiel mit der Realität.
Der Skyspace ist Teil der Ausstellung »See! Colour!« auf dem Campus des Kulturforums Ytterjärna. James Turrell ist mit mehreren Licht-Installationen vertreten. Parallel dazu werden originale Wandtafel-Zeichnungen aus Vorträgen Rudolf Steiners gezeigt sowie Werke von Hilma af Klint, der schwedischen Pionierin der abstrakten Malerei. Und überall auf dem Campus lässt sich in Experimenten das Phänomen Farbe eigenäugig erforschen.
Nicht zuletzt wirkt »See! Colour!« wie der perfekte Claim für Järna selbst: Außergewöhnlich geformte Gebäude in kräftigen Naturtönen und ein phantastischer Park, der sich bis hinab ans Ufer des Järnafjärdes erstreckt, machen das anthroposophische Zentrum rund fünfzig Kilometer südlich der schwedischen Hauptstadt Stockholm zum Farberlebnis per se. »Wir wollen mehr Menschen in Kontakt mit dem Ort bringen«, sagt Rembert Biemond, Initiator von »See! Colour!«. Er ist Geschäftsführer der Vidarstiftung, unter deren Dach mit Kulturforum und Vidarklinik zwei der wichtigsten Institutionen auf dem Campus agieren.
Eine Ausstellung macht aus seiner Perspektive doppelt Sinn: Sie sorgt im wunderschönen doch menschenleeren Sommer für mehr Leben. Und sie verschafft dem Ort auch außerhalb der anthroposophischen Community mehr Aufmerksamkeit. Ein »Topshot« wie Turrell ist gerade deshalb besonders wertvoll, weil er Kunst- und Designfans hinaus in die Provinz lockt und seine Werke sich so hervorragend in das geistige Klima Ytterjärnas einfügen. Der Skyspace bleibt als permanentes Highlight über das Ausstellungsende hinaus erhalten. Projekte wie »See! Colour!« beleben und fordern die Zusammenarbeit der Akteure auf dem Campus. Für das Ganzfeld, Turrells größte und wohl eindrucksvollste Walk-in-Skulptur der Ausstellung, wurde die im Rohbau befindliche Turnhalle der Waldorfschule genutzt.
Das Naturwirtschaftsgymnasium stellte Räume zur Verfügung. Und ohne Volontäre aus dem Youth-Initiative-Program, einem einjährigen Studiengang für »Social Entrepreneurship«, wäre der personelle Aufwand kaum zu bewerkstelligen gewesen. Entsprechend sieht sich Biemond als Netzwerksmanager, jemand, der Mitstreiter für eine Idee gewinnt und dann die gemeinsame Umsetzung vorantreibt.
Lange Zeit war die anthroposophische Welt in Ytterjärna wie eine Insel – gefühlt weit weg vom rational modernen Leben. Das sieht inzwischen anders aus. Die Vidarklinik etwa zieht heute viele Menschen aus den Zentren an, weil sie in ihrer Verbindung aus Schul- und Naturmedizin Alternativen zur standardisierten Ärztelandschaft bietet – plus ein natürliches, lärmfreies Umfeld für die Regeneration. Produkte aus biodynamischem Anbau, wie er in Ytterjärna seit Jahrzehnten betrieben wird, werden im ernährungs- bewussten Schweden immer populärer. Die Öko-Mühle Saltå Kvarn hat sich zur Trendmarke für ökologische Lebensmittel entwickelt, die erst jüngst eine Dependance im hippen Stockholmer Stadtteil Södermalm eröffnete.
Einen weiteren Anziehungspunkt soll in Zukunft das Hotell Kulturhuset bilden. Pünktlich zu »See! Colour!« wurde eine umfangreiche Neugestaltung abgeschlossen,
die aus der Seminarunterkunft ein Designhotel im »Ytterjärna-Stil« werden ließ.
Wer den Tag am Järnafjärden ausklingen lassen will, braucht nach dem Skyspace-Erlebnis die Nacht also nicht im Freien zu verbringen.