Unsere Leserin Anna-Katharina hat es für ihre Doktorarbeit ein Jahr lang nach Finnland verschlagen. Für NORR berichtet sie von ihrem Ausflug in den lappländischen Pyhä-Luosto-Nationalpark in der Nähe ihrer neuen Wahlheimat Rovaniemi.
Die ersten Blätter in meiner neuen Wahlheimat Rovaniemi schimmern bereits Rot. Der nahende finnische Herbst und das Farbschauspiel Ruska bringen die Landschaft zum Leuchten. Mit Rucksack und Zelt begeben wir uns in die raue Natur des Pyhä-Luosto-Nationalparks. Wir starteten im grauen Dunst des Morgens am Fuß des Pyhätunturis Richtung Norden, folgen den Holzbohlenwegen im lichten Kiefernwald und schlängeln uns im Schatten der Fjells durch von Granitschutt überdeckte Schluchten. Dann geht es hinauf auf eine Anhöhe bis der Wald lichter wird und sich der Blick über die Fjellketten erstreckt. Um uns herum stehen kleine Kiefern, und ein buntes Mosaik aus hellen Flechten, Moosen, blutroten Heidelbeersträuchern und goldgelben Birken bringen uns zum Staunen über so viel Farbenpracht. Unser Zeltlager schlagen wir in der Nähe des Huttujärvi auf und genießen bei einem lautlosen Bad die Stille der heraufziehenden Nacht. Der See schimmert silbern vor uns, ein paar Enten quakten in der Dämmerung während unsere Erbsensuppe über dem Lagerfeuer köchelt
Die Dimension der Stille
Die Kälte der Nacht kriecht heimlich in die Ritzen unserer eher sommertauglichen Schlafsäcke und scheucht uns am Morgen recht bald aus unserem mobilen Heim. Der Unglückshäher folgt uns auf unserem Weg, lässt seine rot-grauen Schwanzfedern aufblitzen und beäugt uns mit seinem runden Kopf vom Ast einer Fichte. Eine Gruppe Rentiere kreuzt vor uns den Weg und scheucht ihre Jungen den nächsten Hang hinauf. Wir erreichen den höchsten Punkt der Tagesetappe und blickten zwischen Elchlosung und Granitgestein hinab auf eine weitläufige Ebene aus rötlichen Mooren und grünen Nadelwäldern – bis zum Horizont. So thronen wir dort hoch oben auf unserem Fjell, blickten hinab in die Tiefe und in die Weite der finnischen Landschaft und versuchten die Dimension und Stille zu fassen, die uns umgibt.
Natur, Ruhe und Zufriedenheit
Unser nächstes Ziel liegt am Fuß der Fjellkette am Pyhälampi und solle uns eine warme behagliche Nacht bescheren. Hangabwärts durchbrechen wir den Waldrand und stehen plötzlich am Rand eines von Zwergweiden und Moorbirken eingefassten Sumpfareales, das im weichen Abendlicht bereits dunstig schimmert. Dahinter liegt unser Traum von einer Blockhütte. Die Käsenudeln auf dem Schoß, sitzen wir wenig später v erhüllt gegen allerlei Stechgetier auf den Stufen unserer Behausung, lauschen dem Gesumme und Gezirpte des dahinschwindenden Tages und sehen der Sonne dabei zu, wie sie als rotgoldene Scheibe hinter dem Moor untergeht. Die Bettschwere fordert bald ihren Tribut und wir verziehen uns ins wohlig-warme Innere der befeuerten Holzhütte, lauschen einer Maus beim Verzehr unserer Lebensmitteltüte, während die Nacht draußen vor dem Fenster alles verschluckt. Am Morgen regnet es und wir beeilen uns, nach Luosto zu kommen und von dort die Heimreise anzutreten. Ein letzter Blick zurück auf Natur, Ruhe und Zufriedenheit – ein Leben, heruntergebrochen auf das Wesentliche.