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Mein Oslo: Jonathans Insider-Guide für die grüne Metropole

Die einst trostlose Hafenstadt Oslo hat sich zu einer lebendigen grünen Oase gewandelt. NORR-Autor und Oslo-Local Jonathan Fraenkel-Eidse nimmt uns mit auf eine Wanderung durch die Europäische Umwelthauptstadt 2019.

Es gibt wohl keine andere Metropole, die derartig ausgezeichnete Vorausetzungen für eine grüne Stadtentwicklung besitzt, wie Oslo. Wer sich selbst davon überzeugen will, sollte sich zum Aussichtspunkt von Frognerseteren begeben – am besten mit der U-Bahn-Linie 1, die auf ihrem Weg dorthin 400 Höhenmeter überwindet. Oben angekommen, wartet eine beeindruckende Aus- sicht über die Stadt und die Natur, die sie von allen Seiten umschließt. Im Norden, Osten und Westen erblickt man die grünen Wälder und vielen Seen der Marka, endlose Wanderwege, Wasserläufe und Wildnis, die nur darauf wartet, entdeckt zu werden.

Im Süden breitet sich der Oslofjord aus, ein 100 Kilometer langer Seitenarm der Ostsee, der bis zur norwegischen Hauptstadt ins Fest- land hineinragt. Die von Inseln gesprenkelte Bucht glitzert geheimnisvoll in der Ferne. Von hier oben erinnert der Fjord an einen eleganten Schwan, der seinen Kopf ins Wasser steckt – und von der norwegischen Hauptstadt gekrönt wird. Segelboote, riesige Kreuzfahrtschiffe und Paddler, die nach Seerobben und Schweinswalen Ausschau halten, sind auf dem Wasser unterwegs. Der Grund für meine ausführliche Einleitung über Wälder und Wasser außerhalb der Stadt liegt darin begründet, dass beide eine nicht unerhebliche Schuld an Oslos Attraktivität tragen. Und ich nichts lieber tun würde, als von Frognerseteren aus in die Wildnis aufzubrechen. Doch jetzt ist es Zeit für den Abstieg – schließlich ist das hier offiziell ein Städteguide.

Moderne Gebäude säumen die Wasserkante, wo man sich trifft, um zu baden und zu entspannen.

Geteilte Stadt

Fjord und Wälder sind durch einige Wasserläufe miteinander verbunden, doch keiner ist so schön anzusehen wie der Fluss Akerselva. Von seiner Quelle im Maridalsvannet fließt er durch Oslos Zentrum. Seine vielen Stromschnellen und Wasserfälle belieferten während der industriellen Revolution Sägewerke und Fabriken der Stadt mit der nötigen Energie. Der Fluss ist auch deshalb bedeutsam, weil er seitdem eine demografische Trennlinie für Oslos Bevölkerung darstellt: Der alte Adel und die kulturelle Elite residieren auf der westlichen Seite; Arbeiter und Einwanderer sind hauptsächlich im Osten ansässig. Diese Aufteilung ist mehr oder weniger bis heute gültig. Wie lange sie noch Bestand haben wird, ist jedoch ungewiss. Die Gentrifizierung der attraktiv und zentral gelegenen Arbeiterstadtteile schreitet auch in Oslo langsam, aber unaufhörlich voran.

Nach ein oder zwei Zwischenstopps an den kleinen Wasserfällen und einem kurzen, erfrischenden Bad an einer der zahlreichen Badestellen am Fluss gelange ich in ein Viertel, in dem die Gentrifizierung bereits in vollem Gange ist: Grünerløkka: Dies war einst ein lebendiger Arbeiterstadtteil – heute laufen hier hauptsächlich Hipster herum, für die Arbeit eher ein Fremdwort zu sein scheint. Doch wenn ich ehrlich bin, kann ich nicht gerade behaupten, dass meine Abneigung für das, was ich hier sehe, besonders groß ist: An der Thorvald Meyers Gate reihen sich supercoole Cafés, Fusion-Restaurants und Vintage-Shops aneinander und rund um den Olaf Ryes Plass und Birkelunden folgt ein Flohmarkt auf den nächsten. Auch wenn die Einwohner nicht mehr die gleichen wie früher sind, hat das Viertel nichts von seiner Dynamik und Lebendigkeit eingebüßt. Einen Kokos-Latte in der Hand gehe ich leichten Fußes am Fluss weiter und denke darüber nach, wie schwer es ist, sich über die Veränderungen eines Viertels zu beklagen, dass ich eigentlich gar nicht kenne.

Liebe zum Osten

Der nächste Halt auf meiner Flusswanderung ist Grønland – ein vollkommen anderes Kapitel. Hier habe ich den Großteil der letzten zehn Jahre verbracht, was eine starke emotionale Bindung zu diesem Quartier zur Folge hat. Hier kann die Gentrifizierung von mir aus zusehen, dass sie Land gewinnt. Im Gegensatz zu vielen anderen skandinavischen Städten hat Oslo seinen multikulturellen Bezirk nicht in die Peripherie verbannt. Menschen aus aller Welt mit ihrem eigenen Kleidungsstil und ihrer eigenen Esskultur machen das Herz von Grønland aus. Man hat das Gefühl, gleichzeitig überall und nirgendwo zu sein. Wer wie ich ein eingefleischter »Oslo-Ossi« ist, kann sich nicht mal ebenso von den üblichen Vorurteilen befreien, wenn er den Westen der Stadt betritt – was eigentlich ein Jammer ist. Hier ist es nämlich wunderschön, wenn auch etwas leblos. Ruhige Parks, faszinierende Museen, mittelalterliche Festungen und königliche Schlösser dominieren diesen Teil, den die Mitarbeiter der Touristeninformation nur zu gerne Besuchern empfehlen.

Streetfood mit ökologischen Köstlichkeiten gehören zum reichhaltigen kulinarischen Angebot in Oslo.

Alle wichtigen Sehenswürdigkeiten sind auch in den Tipps noch einmal aufgelistet, sodass ich es jetzt erst einmal beruhigt sein lasse und weiter nach Süden wandere – Richtung Fjord City, wo die zackigen Silhouetten der Bürotürme in den Himmel reichen und der Akerselva ins Meer mündet. Ein etwas ungewöhnliches Spektakel, das jedoch jedes Frühjahr Hunderte von Zuschauern anlockt, ist die Viehtriebpremiere auf Bygdøy, der Halbinsel westlich des Stadtzentrums. Wenn die Milchkühe nach dem langen Winter endlich wieder auf die grüne Weide dürfen, macht sie das überglücklich – man könnte auch sagen, dass das Vieh regelrecht ausflippt. Ähnlich verrückt verhalten sich übrigens auch die Norweger, wenn die ersten Zeichen des Sommers nahen. Die Gründe dafür sind folgende: Oslo liegt am nördlichen Ende des Fjords – wie eine Krone auf dem Kopf des bereits erwähnten Schwans. Das heißt, dass die gesamte Küstenlinie im Sommer in Sonnenschein badet.

Doch der Großteil der Küste bestand bis vor Kurzem aus industriellen Brachflächen. Auf 60 Grad nördlicher Breite hat das Sonnenlicht aufgrund der langen dunklen Wintermonate eine ganz besondere Bedeutung. Doch weil es keinen Zugang zur Küste gab, hatten die sonnenhungrigen Einwohner von Oslo, so vermute ich, das ganze Jahr über schlechte Laune. Seit die alten Brachflächen in rasantem Tempo dem Erdboden gleichgemacht worden sind, als wollte die Stadt noch-mal nachdrücklich darauf aufmerksam machen, dass sie sich wirklich verändert – sind die Osloer zu 120 Prozent auf Küstenkurs. Ein neues Stadtviertel nach dem anderen wird direkt am Wasser aus dem Boden gestampft. Die Schwanenkrone wird mit immer neuen architektonischen Highlights wie der Oper, prestigeträchtigen Projekten wie dem Munch-Museum und Promenaden wie Aker Brygge mit extrem hoher Restaurantdichte vollgebaut. Mittlerweile erkennen auch regelmäßig wiederkehrende Besucher die Osloer Skyline nicht mehr wieder.

Mit dem Meer vereint

Nun sind die Stadt und ihre Einwohner endlich wieder mit dem Meer verbunden – und die Osloer bevölkern scharenweise die vielen neuen Strände, Bars und Piers; sei es für ein Feierabend- bier oder ihren eigenen »Kuhtanz«. Die grüne Stadt der Zukunft, von unberührten Hängen umgeben und nun auch mit dem Wasser wiedervereint, hatte nur noch ein Problem: das Zentrum. Bis vor Kurzem war es dort laut und richtig dreckig. Nach Jahrzehnten einer autolastigen Verkehrspolitik und einer zu langanhaltenden Wetterumschwüngen neigenden Topografie war Oslo regelmäßiger Kandidat für die Stadt mit der schlechtesten Luftqualität in Europa. Heute gehört Oslo zu den wenigen Städten weltweit, die die Ziele des Pariser Abkommens nicht nur erreichen, sondern überschreiten wollen. Das Dokument ist einst von der norwegischen Regierung mit unterzeichnet worden, verstaubte dann aber Öl- und Gasministeriums. Tatsächlich scheint es, als ob es der Stadt gelingt, ihre Treibhausgase bis 2020 um 36 Prozent zu reduzieren – verglichen mit den Zahlen von 1990. Bis 2030 sollen es sogar 95 Prozent sein. Damit liegt die Stadt 20 Jahre vor dem Zeitplan des Pariser Abkommens.

Ob am Meer oder am Fluss – überall in Oslo gibt es kleine grüne Oasen die zur Erholung einladen.

In den letzten fünf Jahren konnten die Osloer auch endlich wieder beruhigt durchatmen, da sich die Luftqualität zumin- dest im rechtlich zulässigen Rahmen bewegt. Und das, obwohl die norwegische Hauptstadt mittlerweile zu den am schnellsten wachsenden Städten Europas gehört. Dass diese leise Revolution möglich war, ist zum Großteil der Tatsache geschuldet, dass es der Stadtverwaltung gelungen ist, den gesamten Verkehrssektor zu transformieren. Massive Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr mit Straßenbahnen, U-Bahnen und Fähren, die mit erneuerbarer Energie aus Wasserkraft betrieben werden, sowie die größte elektrisch betriebene Busflotte Skandinaviens gehören ebenso dazu wie 20 Kilometer neuer Radwege pro Jahr und eine autofreie Innenstadt mit stark reglementiertem Lieferverkehr. Außerdem ist Oslo die Welthauptstadt der Elektroautos. Acht von zehn Neuwagen, die in diesem Frühjahr zugelassen worden sind, hatten Elektromotoren.

Ich lebe seit mehr als zehn Jahren in Oslo und übertreibe wirklich nicht, wenn ich behaupte, dass der Unterschied zu früher so groß ist, dass man ihn fast mit den Händen greifen kann. Heute ist ein Stadtbummel in der Innenstadt ein ruhiges und friedvolles Erlebnis, wenn man es mit dem Verkehrschaos der Vergangenheit vergleicht. Und wer mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, begibt sich nicht mehr automatisch in Lebensgefahr. Doch am bemerkenswertesten an dieser grünen Verwandlung ist vielleicht die Tatsache, dass sie gar nicht weh getan hat. Kritiker des Pariser Abkommens fürchten in Anbetracht der nötigen Veränderungen eine Rückkehr in die Steinzeit, doch in Oslo wurde nicht gejammert. Im Gegenteil, die Kursänderung wurde von begeisterten Einwohnern mit offenen Armen willkommen geheißen.

Triumpf für Oslo

Auch wenn Norwegen immer mal wieder international von sich reden gemacht hat, war es historisch, im Vergleich zu den hochentwickelten Ländern in der Mitte Europas, eher als Hinterland verschrien. Von diesem provinziellen Charme ist bis heute noch etwas zu spüren, sogar in der Hauptstadt. Die etwas zurückhaltenden, aber freundlichen Einwohner Oslos kommen weitestgehend ohne die Snob-Allüren von Großstädtern aus. Der Titel Europäische Umwelthauptstadt 2019 ist ein wichtiger Triumpf für Oslo – und eine wohlverdiente Auszeichnung für die Mühen von Stadtverwaltung und Einwohnern. Obwohl Oslo nur 700 000 Einwohner hat, ist es heute ein internationaler »Influencer«, von dem auch Bürgermeister weitaus größerer Metropolen noch etwas lernen können. Die Stadt ist noch nicht am Ziel. Die Verwandlung in eine rundum grüne Hauptstadt geht weiter, aber Oslo ist bereits ein gutes Stück vorangekommen.

HOTELS & HOSTELS

1. Lysebu Hotel

Traditionelles Hotel auf der Spitze des Holmenkollen mit großem Garten, Ausstellungen nordischer Kunstwerke und Livemusik-Events.

lysebu.no

2. Ps:hotell

Hotel am Fluss Akerselva in Grünerl.kka mit sozialem Arbeitsprogramm, das Menschen den Einstieg in einen Job erleichtert.

pshotell.no

3. Scandic Oslo City

Mitten im Zentrum von Oslo gelegenes Hotel mit nachhaltigem Biofrühstücksbuffet.

scandichotels.de

RESTAURANTS & SNACKS

4. Nordvegan

Veganes, besonders umweltfreundliches Restaurant, fokussiert auf gesunde Mahlzeiten, kreiert vom Sternekoch Reuben Waller.

nordvegan.com

5. Ekeberg Restaurant

Art-déco-Restaurant mit Blick über die Stadt und den Oslofjord, erreichbar mit der U-Bahn-Linie 19.

ekebergrestauranten.com

6. Maaemo

Restaurant mit drei Michelin-Sternen, einem tollen Biomenü aus der Region und zeitgenössischer Kunst an den Wänden.

maaemo.no

7. Funky Fresh Foods

Vegane, bunte und sehr abwechslungsreiche Bioküche sowie regelmäßige Kochkurse mit Blick auf den Fluss Akerselva.

funkyfreshfoods.no

8. Grønland Frukt og Grønt

Beliebte Markthalle mit bunten Essensständen und großer Auswahl lokaler Spezialitäten.

gronlandstorg.no

GRÜNE OASEN

9. Botanischer Garten

Norwegens ältester Botanischer Garten, von 1814, mit 5 500 Pfl anzenarten aus aller Welt, Wiesen und Holzbänken zum Entspannen.

nhm.uio.no

10. Sørenga

Ehemaliges Hafengelände, umdesignt in von Kanälen durchzogene Parks mit nachhaltigen Wohnblocks und Kajakverleih am Friluftshuset.

visitoslo.com

11. Losæter

Urbanes City Farming mit Wiesen, Beeten, Kornfeldern, Bäckerei und Pferdewagen im ehemaligen Containergelände Bjørvika.

loseter.no

12. Huuk

Der beliebteste Strand und Park der Stadt, auf der Halbinsel Bygdøy, in dem man Sonne tanken und tolle Spaziergänge machen kann.

visitoslo.com

13. Ekebergparken

Park mit alter Kulturlandschaft, Eichen, wilden Tieren und schönen Spazierwegen, auf denen einem fantasievolle Skulpturen begegnen. ekebergparken.com

ORTE DER ZEITREISE

14. Königliches Schloss

Klassizistisches Schloss mit frei zugänglichen Gärten und Führungen durch die Innenräume.

kongehuset.no

15. Norsk Folkemuseum

Freilichtmuseum über Norwegens traditionelle Architekturgeschichte mit antiken Gebäuden.

norskfolkemuseum.no

16. Domkirke

Mächtige Kathedrale aus dem Mittelalter mit alten Malereien und Holzschnitzwerken.

visitoslo.com

17. Frammuseet

Museum zu Ehren des Polarschiffes Fram, das komplett aus Holz besteht.

frammuseum.no

18. Interkulturelt Museum

Ausstellungen und Workshops zur Völkerverständigung und zum kulturellen Erbe von Oslos traditionellem Einwandererviertel Grønland.

oslomuseum.no

19. Akershus Festning

Im Zentrum gelegene Mittelalterfestung mit verschlungenen Gängen und zwei Museen.

visitoslo.com

20. Munchmuseet

Museum mit der größten Kollektion von Werken des berühmten norwegischen Malers und Grafikers Edvard Munch.

munchmuseet.no

MODERNE KUNST & KULTUR

21. Astrup Fearnley Museet

Fantastisch gelegene Galerie und echtes architektonisches Highlight mit eigenem Strand ganz am Ende von Aker Brygge.

hopealinjat.fi/viikinsaari

22. Salt

Kulturgelände an der Spitze des Fjords mit Kunstinstallationen, Konzerten, DJ-Sets, Nachtmärkten, Freiluftkino und Sauna.

salted.no

23. Den norske Opera

Osloer Oper mit Konzerten, Ballett und kostenlos zugänglichem Fußgängerdach mit einem tollen Ausblick auf die Innenstadt.

operaen.no

24. Nobels Fredssenter

Ausstellung über die Friedensnobelpreisträger und deren Arbeiten sowie aktuelle Konfliktherde und Einsätze für den Frieden.

nobelpeacecenter.org

URBANE AUSFLÜGE

25. Frognerseteren

Aussichtspunkt mit gleichnamigem Restaurant und Blick über die Stadt, direkt von der Endstation der U-Bahn-Linie 1 erreichbar.

frognerseteren.no

26. Hellviktangen

Café mit Biowaren auf Nesoddtangen, am Ende eines Küstenspaziergangs, mit der Fähre von Aker Brygge zu erreichen.

hellviktangen.com

27. Oscarsborg

Festung zur einstigen Verteidigung des Oslofjords mit Theateraufführungen im Sommer, erreichbar per Schnellfähre von Aker Brygge.

forsvarsbygg.no

28. Tusen Fryd

Vergnügungspark mit Wildwasser- und Loopingbahn, Ballonfahrten und Abenteuerbad.

tusenfryd.no

29. Summer Park Zipline

Kletterpark mit 900 Metern Zipline, Kinder- Parcours, Action-Strecke für Erwachsene und besonderem Fokus auf Baumschutz.

oslosommerpark.no

30. Villa Malla

Mediterranes Restaurant südlich von Oslo mit Mittelmeerbuffet und Ausstellungen, neben einem idyllischen Leuchtturm gelegen.

villamalla.no

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