Insider-Guide Trondheim: Puzzle der Epochen
Von einer mittelalterlichen Handelshochburg über eine Industriestadt zur Norwegens trendiger Studentenmetropole. Folge uns auf einem Streifzug durch Trondheim.
Bevor wir die 172 Treppenstufen zum Turm des Nidarosdoms erklimmen, warnt uns unser Guide Per vor: »Wenn wir die Galerie da oben durchqueren, funktioniert die Kirche wie ein gigantischer Lautsprecher. Also tauscht um Himmels Willen keine Geheimnisse aus, denn sonst kennt sie direkt ganz Trondheim.« Per erklimmt an einem Arbeitstag vier bis acht Mal den Turm der Kathedrale. Nur der Gedanke daran, wie viele Treppenstufen er dabei täglich zurücklegt, beschert mir Muskelkater in den Waden.
Von hier oben erscheint mir die Stadt wie ein Puzzle aus nostalgischen und futuristischen Teilen
Von oben eröffnet sich uns ein Blick auf die 190 000- Seelen-Stadt in Mittelnorwegen mit ihrem gleichnamigen Fjord, dem Fluss Nidelven und der Küste, an der sich moderne Gebäude in den Himmel recken. Die engen Gassen der Altstadt Bakklandet, die ich noch durchqueren werde, liegen mir zu Füßen. Und die grünen Hügel, die ich noch erklimmen möchte, schmiegen sich in der Ferne an Trondheims Ausläufer. Von hier oben erscheint mir die Stadt wie ein Puzzle aus nostalgischen und futuristischen Teilen, die trotz ihrer Verschiedenheit nahtlos ineinander greifend ein pittoreskes Stadtbild ergeben.
172 steil nach unten abfallende Schritte später verlasse ich die Kathedrale und wandere nach Osten über die von farbigen Häuserzeilen eingerahmte Brücke Gamle Bybro. Die bunten Holzhäuschen, die das Tor zur Altstadt bilden, sind Modellprofis, denn als wohl beliebtestes Fotoobjekt der Stadt geraten sie täglich unzählige Male vor die Linse begeisterter Touristen. Am anderen Ufer angekommen, zieht mich die Altstadt mit ihren winzigen Cafés, aus denen es nach frisch gebackenen Leckereien duftet, in ihren altertümlichen Bann.
Reise in die Vergangenheit
Anfang des 19. Jahrhunderts waren es Handwerker, kleine Kaufleute und Arbeiter, die in den einfachen Häusern Bakklandets lebten. Das Viertel war lange Zeit Trondheims Industriezentrum und berühmt für den vor Ort produzierten, qualitativ hochwertigen Backstein. Auch Boote wurden hier gebaut und repariert. Inzwischen aber sind die alten Produktionshallen in Wohnungen, Hotels, Restaurants und Geschäfte umfunktioniert. Ich lasse mich im Café Baklandet Skydsstation nieder. Handstickereien, verwinkelte Zimmer und ein Innenhof, dekoriert mit antiken Damendessous, die an einer Wäscheleine baumeln, verleihen dem Ort einen speziellen, nostalgischen Charme.
Als ich später die Buchbar Antikvariatet passiere, locken mich die Gitarrenklänge zweier Herren an, die vor dem Café auf einer Bank musizieren. Ich beschließe, einen Moment zu verweilen, das lokale IPA zu kosten und der Musik zu lauschen. Währenddessen brausen zahlreiche Zweiräder an mir vorbei. Trondheims Fahrradfreundlichkeit ist ein Aushängeschild der Stadt, die sich darum bemüht, viele Wege für Räder neu auszubauen. In Bakklandet befindet sich auch der einzige Fahrradlift seiner Art: der Trampe, der müden Stramplern den steilen Hang hoch hilft.
Meditation mit Hochgenuss
Trondheims grüne Hügel möchte ich aber lieber zu Fuß erkunden. Mit dem Bus gelange ich bis zum Rande des Bymarka Naturreservats. Am lauschigen Ufer des Bächleins Ilabekken werde ich zurück Richtung Hafen wandern. Auf Holztreppen und Kieswegen passiere ich kleine Wasserfälle. Das durchdringende Rauschen, das mich immerzu begleitet, während ich dem Wasserlauf folge, bringt mich in einen derart zeitlosen Zustand, dass ich erst am Ende meiner Wanderung bemerke, wie hungrig ich in Trondheims grünen Ausläufern eigentlich geworden bin.
Da fällt mir ein, dass mir ein Freund wärmstens den Verzehr einer Norwegischen Waffel empfohlen hatte. Waffeln mit braunem Käse, Sauerrahm und Erdbeermarmelade – klingt definitiv nach einer Mutprobe. Doch als ich an einem Eisstand am Hafen fündig werde, entpuppt sich die Kreation tatsächlich als überraschend schmackhaft.
Kulinarik ist einer von Trondheims Schwerpunkten und die Stadt rühmt sich mit einigen Spitzenrestaurants, die für ihre vorbildliche Nachhaltigkeitsarbeit bekannt sind: Die renommierte Trondheimer Sterneköchin Heidi Bjerkan gilt hier mit ihrem Gourmettempel Credo als Vorreiterin. In den Räumen des Restaurants gedeihen Früchte, die später in lokal produzierten Menüs auf dem Teller landen. Aber auch die rund 40 000 Studenten, die die Stadt zur größten Studentenmetropole Norwegens machen, kommen auf ihre (geringerpreisigen) Kosten und tummeln sich in den zahlreichen Burger Bars und Mikrobrauereien. Die Technisch-Naturwissenschaftliche Universität Norwegens ist eine der wichtigsten des Landes und sorgt für den Großteil der jungen Städter von heute.
Mir hat Trondheim sehr alte und ganz neue Geheimnisse gleichzeitig verraten. Und sicher gibt es hier noch viele weitere Puzzleteile der Epochen zu entdecken – womöglich mehr als Treppenstufen, die Per an einem seiner Arbeitstage erklimmt.
HOTELS
1. Scandic Bakklandet Hotel
Eingereiht zwischen den traditionellen Häusern der pittoresken Altstadt, als idealer Startpunkt für Stadterkundungen zwischen Alt und Neu.
2. Clarion Hotel
Modernes Hotel am Hafen mit Dachterrasse, die Aussicht über Fjord und Stadt bietet.
3. Nidaros Pilegrimsgård B&B
Einfache und gemütliche Pilgerunterkunft, die gerne beim Pilgern behilfl ich ist, aber auch Nicht-Pilgerer herzlich willkommen heißt.
ESSEN & TRINKEN
4. Troll
Norwegisch essen mit exotischem Twist, umgeben von Segelbooten und Schiffskuttern.
5. Bula Neobistro
Edles Fast-Food-Bistro, in dem Chefköchin Reneé Fagerhøi ausgefallenes Essen kreiert, von dem sie als Kind immer geträumt hat.
6. Credo
Restaurant der preisgekrönten Sterneköchin Heidi Bjerkan mit Mehrg.ngemenüs u. a. aus hauseigenem Biogemüseanbau.
7. To rom og kjökken
Traditionelle, bodenständige norwegische Küche mit Fokus auf saisonalen Zutaten, die alle aus Mittelnorwegen stammen.
8. Kalas & Canasta
Von den Küchenchefs persönlich gezauberte einfache und kreative Gerichte, die sich speziell an probierfreudige Gäste richten.
9. Habitat
Lockere Atmosphäre, ungewöhnliche Pizzen und Craft Beer von der hauseigenen, im Keller ansässigen Brauerei Monkey Brew, die schon zur besten des Landes gekürt wurde.
CAFÉS & SNACKS
10. Sellanraa Bok & Bar
Viel gutes Gemüse zum Verschlingen und interessante Bücher zum Lesen in einer stilvoll eingerichteten Umgebung.
11. Dromedar Kaffebar
Ein Platz für alle, ungeachtet von Herkunft, Alter oder sozialem Status, in gemütlicher Kaffeebar an mehreren Standorten.
12. Jacobsen og Svart
Kaffeeladen mit Fairtrade-Kaffee-Verkauf, Kaffeeabos, Brühkursen und entsprechendem professionellen Barista-Equipment.
13. Baklandet Skydsstation
Verwinkeltes, charmantes Café in der Altstadt mit Mittelalterflair, das schon zum besten Café Skandinaviens gewählt wurde.
14. Antikvariatet
Musikcafé und Buchbar, wo Konzerte in gemütlicher Atmosphäre veranstaltet werden.
COOLE WARE
15. Livid Jeans
Bekleidungsgeschäft mit Werkstatt-Store, wo Jeans vor Ort hergestellt werden und Kapputtes günstig repariert wird.
16. Prisløs
Secondhandshop mit Vintage-Klamotten und daraus entstandenen Eigenkreationen.
17. Gaven
Handgemachtes von neun Ladys, die u. a. Strickwaren, zierlichen Metallschmuck oder Kleiderhaken aus Besteck fabrizieren.
KUNST & KULTUR
18. Kunsthall Trondheim
Ausstellungen, Lesungen, Performances und mehr im Zentrum für zeitgenössische Kunst.
19. Rockheim
Modernes, interaktives Gebäude am Hafen, das alles über die Geschichte der norwegischen Pop- und Rockmusik lehrt.
20. Nidaros Domkirche
Nördlichst gelegene gotische Kathedrale der Welt und wichtige Pilgerstätte.
21. Folkemuseum
Freilichtmuseum Sverresborg Trøndelag mit mehr als 80 Häusern aus verschiedenen Epochen der Region Oppdal.
22. Gehörlosenmuseum
Informative Ausstellungen zur Zeichensprache und der Geschichte und Gegenwartskultur von gehörlosen Menschen.
NACHTLEBEN
23. Trondhjem Mikrobryggeri
Vielseitige Auswahl an Selbstgebrautem und -gebranntem im Herzen der Stadt.
24. Raus
Spritzige Cocktails, serviert von preisgekrönten Bartendern in einer eleganten Lounge.
25. ØX Tap room
Bierkurse mit Tastings und lange Liste an in- und ausländischen Bieren.
26. Verkstedhallen
Konzerte und Veranstaltungen im Alternativkulturviertel Svartlamoen.
OUTDOOR & AUSFLÜGE
27. Munkholmen
Kleine Insel direkt vor Trondheim, dessen Infrastruktur schon als Burg, Kloster, Gefängnis und Kriegsabwehr genutzt wurde.
28. Bymarka Naturreservat
Trondheims »Stadtwald« mit Netz aus über 200 Kilometern Wander- und Langlaufwegen.
29. Ladestien
14 Kilometer langer Pfad entlang der Halbinsel Lade, von dem sich Fjord, Strände, Buchten und Klippen zu Fuß bewundern lassen.
30. Ilabekken
Kleiner Wasserlauf, ideal für einen entschleunigten Spaziergang entlang seiner Uferkante.
5 AUSFLUGSTIPPS NAHE TRONDHEIM
31. MUNKSTIGEN VIA FERRATA
Nur eine Autostunde von Trondheim entfernt befindet sich der Klettersteig Munkstigen, auf dem Groß und Klein, am Seil eingehakt, auf 950 Metern Länge kletterische Fähigkeiten und Schwindelfreiheit unter Beweis stellen können.
32. ST. OLAVSWEG
Viele Wege führen nach Trondheim und zur Pilgerstätte Nidarosdom: auf dem längsten Weg von Oslo durchs Gudbrandsdal oder auf kürzeren Alternativen, wie zum Beispiel über Trysil, durchs wilde Østerdal oder von Küste zu Küste mit Start im Osten Schwedens.
33. INDERØY
Die Halbinsel im Norden von Trondheim bietet speziell entlang der »Golden Road« zahlreiche Möglichkeiten für Aktivitäten wie Fahrrad fahren, wandern, fischen und vieles mehr. Die grüne Landschaft hat sich das Gütesiegel »Sustainable Destination« verdient und bemüht sich dementsprechend um nachhaltige Aktivitäten, die Erhaltung der Natur, Kultur, Umwelt und lokalen Wirtschaft.
34. MOSCHUSOCHSEN IM DOVREFJELL
Das Dovrefjell ist einer der wenigen Plätze der Welt, an dem man die 400 Kilogramm schweren Moschusochsen noch in ihrer natürlichen Umgebung erleben kann. Auf einer geführten Tour durch das Fjell, mit vielen spannenden Infos, lassen sich die Tiere aus nächster Nähe betrachten.
35. RADELN IN RØROS
Gut markierte Fahrradrouten in malerischer Landschaft auf unterschiedlichem Terrain führen durch die historische Region Røros, dessen gleichnamiger Hauptort einer der ältesten Orte Europas ist und seit 1980 zum Unesco-Weltkulturerbe gehört.
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