Sich einmal im Leben wie ein richtiger Naturforscher fühlen – das kann man bei den Touren der Vargas Vildmarkslodge in Schweden. Das Highlight: Braunbären beobachten. Doch für NORR-Leserin Michaela hat der Wald noch mehr zu bieten.
Es ist dunkel, draußen tropft der Regen von den Bäumen. Leises Schnarchen dringt an mein Ohr. Ich bin als einzige noch wach. Es ist halb zwei in der Nacht, und ich warte auf den großen Augenblick – einen Bären sehen, ganz nah. Leider ist bisher keiner aufgetaucht. Ich denke an heute Mittag zurück: Gegen zwölf Uhr sind wir angekommen in der Vargas Vildmarkslodge in Hälsingland. Mitten im Urwald an einem See haben sich Håkan Vargas und seine Frau Eva ein kleines Paradies erschaffen. Dreieinhalb Stunden entfernt von Stockholm. Hier ist man allein mit der Natur.
Håkan und Eva bieten einmalige Naturerlebnisse an, unter anderem auch Bärenbeobachtungen. Es gibt allerdings keine Garantie für eine Sichtung. Beim gemeinsamen Mittagsessen im urigen Esszimmer, erzählt Håkan, dass er in letzter Zeit immer weniger Bären gesehen hat. Warum, weiß er nicht. Wir sind trotzdem guter Dinge, als wir aufbrechen. Wir, das sind neben uns beiden Deutschen noch ein Pärchen aus Stockholm und zwei Freunde aus Norwegen. Wir alle möchten gerne einen Braunbären sehen, ganz nah, Wildnis zum anfassen sozusagen.
Nach einer halben Stunde Fahrt im Landrover sind wir mitten im Wald. Ab jetzt geht’s zu Fuß weiter. Alle sind still. Die Bären sollen uns nicht schon von weitem hören. Auch Deo oder Parfüm sind verboten. Meister Petz hat eine gute Nase. Nach rund zehn Minuten hält Håkan an. Ein Bär war hier: Kratzspuren am Baum, es hängt noch Fell an der Rinde. Gespannt gehen wir weiter. Die Beobachtungshütte steht getarnt am Rand einer Lichtung. Drinnen ist es eng und dunkel. Betten stehen an der Wand, es gibt ein Bad mit Plumpsklo. Jeder setzt sich vor ein kleines Guckloch, Kamera und Fernglas liegen bereit. Wir warten. Håkan legt ein Lockmittel aus: Fischferment. Es stinkt bestialisch. Ob Bären das wirklich mögen? Das Pärchen aus Stockholm erzählt, ältere Schweden würden Fischferment als Delikatesse ansehen – allerdings gehört dazu immer ein guter Schluck Selbstgebrannter.
Es wird spät, die einzigen Gäste, die der stinkende Fisch anlockt, sind Eichhörnchen, große, blauschwarze Raben, und andere Waldvögel. Es beginnt zu regnen. Nebel steigt auf, der Wald ist wie verzaubert. Ein bläulicher Schimmer legt sich über alles. Ich erwarte halb, Elfen oder Trolle über die Lichtung geistern zu sehen. Inzwischen ist es zwei Uhr morgens. Ich kann die Augen nicht mehr aufhalten. Um halb sechs stehen die ersten wieder auf. Der Fisch ist noch da. Der Wald erwacht und ein schillernder Eichelhäher holt sich seinen Anteil. Gegen sieben machen wir uns auf den Rückweg durch den morgendlichen Wald. Immer noch liegt ein Zauber in der Luft, keiner sagt ein Wort. Wieder an der Lodge angekommen ziehen die letzten Nebelschwaden über den See. Wir haben keine Bären gesehen, doch niemand ist enttäuscht. Der Wald hat uns alle in seinen Bann geschlagen.