Fjäll auf Bayerisch
NORR-Leserin Tabea Haverkamp liebt das Wandern im Norden und wagt für NORR den Fjällräven Classic der anderen Art: im Allgäu. Dabei trifft sie auf ungeahnte Herausforderungen.
Denke ich an Fernwandern mit Rucksack, Zelt und Schlafsack, dann kommen mir direkt meine vielen Touren in Skandinavien in den Sinn. Dass so ein Abenteuer auch in Deutschland funktioniert, erfuhr ich in der NORR-Frühlings-/ Sommerausgabe 2023, in der es einen Startplatz für den Fjällräven Classic in Bayern zu gewinnen gab. Ich war Feuer und Flamme, bewarb mich sofort und hatte Glück – ich durfte die Tour im Allgäu wagen, auf der Teilnehmende in drei Tagen 57,9 Kilometer und 2 200 Höhen- meter bewältigen, während die ganze Ausrüstung selbst getragen wird.
Raureif und Kuhglocken
Der erste Tag des Fjällräven Classics ist auch gleich der längste der gesamten Tour: 24 Kilometer sollen wir wandern und dabei zwei Checkpoints passieren. Zunächst geht es über Bergstraßen, bevor der Weg matschig und steil in den Wald führt. Als ob das mit einem 16 Kilo schweren Rucksack nicht heraus- fordernd genug wäre, beginnt es zu regnen. Ich muss mich stark konzentrieren, um auf den glatten Wurzeln nicht auszurutschen. Doch irgendwann sehe ich das große blaue Fjällräven-Zelt: Den ersten Checkpoint. In der benachbarten Hütte schlüpfe ich aus den nassen Sachen und in eine Daunenjacke. Ich bin nicht die Einzige mit dieser Idee und blicke in viele erleichterte Gesichter, die nach einer Mahlzeit im Warmen in trockenen Klamotten weiterwandern. Gering motiviert laufe ich weiter. Es ist so nebelig, dass man nichts sieht. Die beiden Gipfelkreuze signalisieren die höchsten Punkte – Aussichten eröffnen sich nicht. Immerhin lässt der Regen nach. Nach einer langen Tour über die Alm beginnt der Teil, über den fast alle am Abend klagen: der steile Abstieg.
Doch am Fuße des Berges angekommen, kann ich bereits das Nachtlager sehen – die Ersten sind angekommen und haben ihre Zelte aufgebaut. Während ich meines aufstelle, unterhalte ich mich mit meinen Zeltnachbarinnen über Knieschmerzen und verschmutzte Hosen. Das Fjällräven-Team überrascht uns mit Unmengen an leckerem Kaiserschmarrn. Nach dem Tag sind alle erschöpft. Nie zuvor habe ich so viele Höhenmeter zu Fuß zurückgelegt.
Kaffee und Weitsicht
Der nächste Tag beginnt mit Raureif und einem wunderschönen Sonnenaufgang. Ich packe mein Zelt und mache Kaffee und Frühstück. Schnell finde ich eine Wanderbegleitung und wir plaudern, während sich grüner Laubwald und felsige Almen abwechseln. Das Geläute der Kuhglocken begleitet uns auf dem von Wasserfällen gesäumten Weg.
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Die Sonne entfaltet ihre volle Kraft und ich kann ein gutes Tempo beibehalten, während ich mich mit meinen Mitwandernden austausche und die Aussicht genieße. Bevor ich zur Mittagshütte gelange, muss ich noch den Hündlekopf – den höchsten Punkt des Tages – erklimmen. Oben belohne ich mich mit einer großen Portion Käse.
Frisch gestärkt geht es weiter, über Felder und Waldpfade hinab. Sicher am Tagesziel angekommen, werden wir mit Applaus vom Classic-Team empfangen. Das Camp liegt bei einer Almhütte, in die viele von uns auf ein Getränk einkehren. Später bereite ich mein Abendessen auf dem Trekking-Kocher und unterhalte mich mit zwei Frauen, mit denen ich tagsüber gewandert bin. Beide hatten, im Gegensatz zu mir, keinerlei Probleme mit den Höhenmetern, da sie in den Alpen wohnen, sind es aber nicht gewohnt, so viel Gewicht zu tragen. Obwohl der letzte Tag der kürzeste ist, zehrt er an meinen Kräften. Ich höre auf meinen Körper und mache viele Snack- und Trinkpausen.
Am ersten Checkpoint werden wir mit frisch gebrühtem Kaffee begrüßt. Am höchsten Punkt des Tages, der Salmaser Höhe, ist der Weg zu erkennen, den wir am ersten Tag gewandert sind – und der Blick,
den wir verpasst haben. Daher nehme ich mir Zeit und genieße das Gefühl, fast am Ziel zu sein. Bei Ankunft werden alle Wandernden mit Live-Musik und Applaus begrüßt: Ich habe es geschafft. Es ist ein tolles Gefühl! Als Krönung gibt es den letzten Stempel, einen Aufnäher für den Rucksack und die Siegermedaille.
Der Fjällräven Classic
Der Classic hat Tabea gezeigt, dass Wandern keine einsame Aktivität sein muss: 200 Menschen aus 18 Ländern waren auf dem Allgäu- Abenteuer unterwegs, bei dem abends feste Zeltplätze zur Verfügung stehen. Tabea ist während des Classics an ihre Grenzen geraten, aber ihr Stolz über ihre eigene Leistung macht alle Anstrengungen wett.