Ein Leben im Freien
Maria Berking hat über ein Jahr auf den Lofoten verbracht. NORR will wissen, warum sie sich für Nordnorwegen als Ort zum Leben entschied und was sie in der Zeit besonders bewegte.
Wie verschlug es dich nach Norwegen ?
Nach meinem Abschluss (B.A.) in Produkt Design in Dänemark wollte ich mich intensiver der Fotografie widmen. Von den Lofoten habe ich mich seit einer Weile angezogen gefühlt und ich entschied mich dazu, ein Jahr an der Lofoten Folkehøgskole in Kabelvåg zu verbringen und dort den Kurs »Analoge Fotografie« zu belegen.
Was waren die größten Herausforderungen während deiner Zeit dort?
Die ersten Wochen haben mich ganz schön gefordert, so wie aller Anfang an einem neuen Ort, mit neuer Sprache und neuem Alltag, in den man alleine aufbricht, eben herausfordernd ist. Da ich Dänisch spreche, konnte ich mich aber schneller als gedacht ins Norwegische eindenken. Die größte Herausforderung für mich waren die Wintermonate und die Dunkelzeit, in der die Sonne gar nicht aufgeht.
Die Dunkelheit, Kälte und fehlenden Vitamine waren für mich ziemlich kräftezehrend. Gleichzeitig verbinde ich mit dieser Zeit aber auch spektakuläre Naturphänomene wie die Nordlichter, unglaublich viel Schnee und einen herzlichen Zusammenhalt der Mitmenschen sowie eine meiner größten Lektionen meiner Zeit dort: Je mehr Stunden ich draußen verbringe, desto glücklicher bin ich. Das Gefühl, dem Wetter zu trotzen und bei Schneetreiben, eisigem Wind und vor spektakulärer Kulisse zu surfen, Touren zu gehen und zu fotografieren, hat mich immer wieder wahnsinnig stolz und euphorisch gemacht.
Wie ging es nach deiner Ausbildung für dich weiter?
Als das Schuljahr im Mai zu Ende war, wollte ich unbedingt den Sommer auf den Lofoten erleben und bin einen Ort weitergezogen – nach Henningsvær, einem kleinen Fischerdorf. Dort habe ich in einem Kindergarten und der Trevarefabrikken – einer alten Holzfabrik, die zu einem super kultigen Treffpunkt mit Café, Restaurant, Bar, Hotel, Yogastudio und eigenem Festival umfunktioniert wurde, als Barista und Fotografin gearbeitet. Auch habe ich besondere Anlässe wie Hochzeiten oder andere Events fotografiert.
Was hat dir an deinem Leben in Norwegen besonders gut gefallen?
Die Verbundenheit aller zur Natur, und dass alles Spektakuläre zum Alltag wird – und damit noch schöner. Das Wetter ist so präsent – das verbindet. Dabei ist die Landschaft immer fotogen. Ich hatte überall zwei Kameras dabei und habe besonders durchs analoge Fotografieren gelernt, auf mich zu hören, zu entschleunigen und nicht nur die spektakulären Kulissen, sondern kleine Momente des Alltags wertzuschätzen und festzuhalten.
Welches Erlebnis ist dir am stärksten in Erinnerung geblieben?
Tatsächlich all die kleinen Freuden und Hürden des Alltags zusammen mit meinen Freunden: das Jubeln, wenn uns auf dem Weg von der Arbeit nach Hause die Nordlichter überraschten, das gemeinsame Frieren beim Surfen, das kollektive Begrüßungsritual der Sonne zum Ende der Dunkelzeit, die vielen Bergtouren, die Yoga- und anschließenden Saunastunden, der gute Kaffee und die so familiäre Stimmung, sowohl an der Folkehøgskole als auch in Henningsvær. Auch muss ich an einen Tag Ende Juni denken. Wir haben in einer kleinen Gruppe zusammen den Berg Himmeltindan erklommen. Das war wahnsinnig schön und herausfordernd. Dann haben wir am Fuße des Berges am Strand gebadet und unter freiem Himmel in der Mitternachtssonne geschlafen.
Warum bist du nicht dort geblieben?
Ursprünglich war der Plan, nur ein Jahr auf den Lofoten zu verbringen. Ich bin dann aber noch ein paar Monate länger geblieben, da ich es genossen habe, als Ende des Sommers der große Touristenstrom abfuhr und der Alltag im Ort wieder ruhiger und intimer wurde. Ganz konkret kam dann aber mit Beginn des Winters das Gefühl, dass ich noch nicht so richtig wieder bereit war für den nahenden Lofotenwinter. Da hat es mich wieder Richtung Heimat gezogen. Außerdem habe ich einen Job an der Højskole in Dänemark bekommen und es hat sich richtig angefühlt zurückzukehren.
Was vermisst du am meisten?
Den Raum und die Bedeutung, den die Natur in meinem Alltag eingenommen hatte, sowie die damit verbundenen täglichen Erlebnisse, Herausforderungen und Erfahrungen. Und ich vermisse natürlich auch die Zeit mit meinen Freunden in der Trevarefabrikken. Wir hatten immer diesen gemeinsamen Spruch: »Tenk, at vi bor her« (dt. Kannst du dir vorstellen, dass wir tatsächlich hier wohnen?). Der fiel immer, wenn die Natur mal wieder wahnsinnig kitschig war oder wir etwas besonders Schönes erlebten.
Würdest du wieder nach Norwegen ziehen?
Ja, wenn sich die Gelegenheit bietet und es sich richtig anfühlt. Die Lofoten sind mir als langfristiges Zuhause zu weit weg von meiner Familie, beziehungsweise wäre ein permanentes Leben dort mit regelmäßigem Fliegen oder kompliziertem und langem Reisen verbunden, das sich für mich nicht richtig anfühlt. Aber vielleicht zieht es mich ja weiter in den Süden von Norwegen, wer weiß!
Was machst du aktuell?
Ich bin mittlerweile zurück nach Norddeutschland gezogen und arbeite hier als freiberufliche Fotografin. Dabei plane ich viele weitere Reise in den Norden und besonders hoffe ich natürlich, dass es mich bald wieder auf die Lofoten verschlägt.
7 Tipps für ein Leben in Norwegen von Maria
- Ein Folkehøgskole/Højskole-Aufenthalt ist eine tolle Art zu starten, da man schnell ein großes soziales Netzwerk hat. Højskoler sind auch super Plätze, um eine Sprache zu lernen.
- Lerne Norwegisch. Man kommt mit Englisch klar, aber die Sprache verschafft Heimatgefühle.
- Such dir eine Beschäftigung bzw. Hobbys, wo du automatisch Menschen kennenlernst.
- Verbringe im Winter viel Zeit draußen.
- Investiere in gute, warme Wollunterwäsche.
- Hab Geduld. Manchmal braucht es ein paar Anläufe, um Hindernisse zu überwinden.
- In einer Kita zu arbeiten, gibt dir die Chance in das örtliche Alltagsgefüge hineinzuwachsen.