Wandern mit Welpe
Mit Mann, Sohn und einem haarigen Gepäckstück begibt sich NORR-Leserin Nina Plotzki ins bärenreiche Sonfjället. Das jüngste Familienmitglied, den Labradorwelpen Larry, hat sie auf der Trekkingtour im Tragetuch dabei.
Seit einem Jahr sind wir glückliche Besitzer einer Sommarstuga in Dalarna, einem gemütlichen kleinen Blockhäuschen direkt am See. Neben Kanutouren, Boot fahren, angeln und allen anderen Aktivitäten, denen man als Naturliebhaber hier nachgehen kann, planen wir in jedem Sommer auch traditionell eine Wildnistour: Raus aus der Komfortzone hinein in die frische Luft. Für unseren diesjährigen Wildnistrip stehen mein Mann Walter und ich vor einer neuen Herausforderung – aufgrund eines neuen Familienmitglieds: Larry, unser vier Monate alter Labradorwelpe.
Freude auch für den Jüngsten
Wie bei kleinen Kindern muss sich somit die Wahl der richtigen Etappe nach dem Jüngsten richten. Das jüngste meiner drei Kinder ist Benjamin, 14 Jahre alt, der schon längst selbstständig, auch mit ordentlichem Rucksack, laufen kann. So können wir die Gedanken auf unser kleinstes Mitglied fokussieren. Das Sonfjället in Härjedalen erscheint uns mit seiner überschaubaren Größe und atem- beraubenden Schönheit als perfekt für eine vierköpfige Familienbergtour. Da meine drei Kinder einen Teil ihrer ersten Jahre im Tragetuch verbrachten, erscheint mir diese Lösung auch für Larry mehr als geeignet.
So packen wir unsere Rucksäcke mit Zelten, Schlafsäcken, Bekleidung, Lebensmitteln und Hundefutter. Doch bereits beim Probegehen muss ich feststellen, dass Larry mit seinen 16 Wochen weitaus schwerer ist, als wir, zu beschäftigt mit unserer euphorischen Planung, erwartet hatten.
Felliges Gepäck mit Blasendrang
In Nyvallen, einem Ort mit geschäftigem Almbetrieb in den Sommermonaten, parken wir unser Auto. Der Parkplatz
ist mäßig besetzt und nach wenigen Begegnungen mit einigen anderen Wanderern auf dem ersten Anstieg finden wir uns über der Baumgrenze überwiegend allein auf unserem Weg wieder. Mit 16 Kilogramm Rucksack hinten und 15 Kilogramm Larry vorne im Tragetuch erscheint mir bereits die erste Etappe wie eine Meisterleistung, doch es sollte noch anstrengender werden.
Unsere erste Pause eröffnet uns einen weiten Blick von Härjedalens Wäl- dern und Vemdalen im Osten bis zur weit gestreckten Bergkette des schwedisch- norwegischen Grenzgebiets mit ihren Schneeresten im Westen. Neben der gewohnten Flüssigkeitsaufnahme und kurzen Durchschnaufens kommt bei jeder Pause nun ein neues Ritual hinzu: Hund raus aus dem Tuch, schnüffeln und sein Geschäft verrichten lassen (Welpen müssen das noch sehr viel öfter als große Hunde), Hund wieder rein ins Tuch, weiterwandern.
Rentiere und Geröll
Ein Geröllfeld ungeahnter Länge erstreckt sich von dem bereits erklommenen Gipfel bis hin zum höchsten Punkt im Sonfjället, dem Högfjället. Angesichts der fortgeschrittenen Tageszeit wandern wir weiter nach Westen hinab Richtung Sododalen, um unsere schwindenden Wasservorräte zu füllen und einen Lagerplatz zu finden. Den Wassermangel im oberen Bereich des Fjälls haben wir unterschätzt – der trockene Sommer hat zum Versiegen der kleinen Wasserläufe unterhalb der weiten Geröllfelder geführt. In wechselndem Abstand von einem neugierigen Rentierbullen begleitet, nden wir schließlich einen klirrend kalten, erlösenden Bachlauf.
Benjamin, unser Wasserfiltermann, macht sich ans Werk und befüllt unsere leeren Flaschen, während Larry von sämtlichen Beerensorten kostet. Am Ende kann er die faden Krähenbeeren von den schmackhaften süßen Blaubeeren unterscheiden und sein Morgenritual besteht im Abkrallen der Blaubeeren, genau so, wie es die Bären tun. Das Sonfjället gilt als bärenreiche Gegend, was sich jedoch zur Erleichterung meines Sohnes und zu meinem Bedauern für uns nicht bestätigt. Einzig der frische Bärenkot auf unserem Weg am Folgetag unterhalb der Baumgrenze zeigt uns, dass wir hier nicht ganz allein sind. Eine zauberhafte Stimmung liegt über unserer Bergwiese. Das warmgoldene Abendlicht nimmt uns in den Arm.
Lagerfeuer und Sternenhimmel
Dem Bachlauf folgend steigen wir am nächsten Morgen hinab durch das Sododalen zur dort gelegenen Raststuga. Die Hütte dient im Winter als Schutz vor Schnee und Kälte, uns verschafft sie eine Verschnaufpause. Zähen Schrittes und mit einem sich immer wieder vor Neugierde nach vorne reckenden Larrys geht es auf den kleinen Trampelpfaden immer weiter vorwärts. Linker Hand das stolze Massiv, dessen Größe mich teils fasziniert, teils ärgerlich macht, da ich nicht mehr tragen kann. Die Kräfte schwinden und nur eine Pause kann helfen.
An einem kleinen Bergsee gibt es die Möglichkeit für einen erfrischenden Sprung ins kalte Wasser. Bennys seit Jahren gehegter Wunsch erfüllt sich, als er am Ufer ein Rentiergeweih findet. Nach einem Riegel Schokolade stiefeln wir weiter. Die Krüppelbirken zeigen uns die nahende Baumgrenze mit einem märchenhaften Wald. Auf einem langgestreckten Höhenweg stiefeln wir an der ausgedehnten Ostseite des Sonfjällets entlang, um schließlich an einem See einen Lagerplatz zu finden.
Unser kleiner Vierbeiner schafft es tatsächlich, in den See zu fallen und muss am Lagerfeuer in Walters Jacke aufgewärmt werden. Es wird abends bereits ziemlich kühl, doch am wärmenden Feuer macht der Sternenhimmel über dem majestätischen Bergmassiv die Anstrengungen des Tages vergessen. Nach Zeltabbau und morgendlichem Waschritual im nahe gelegenen See treten wir die letzte Etappe der Tour an – auf diesen wunderbaren, traumhaft urwaldlichen Wegen. Ich jedoch bin am Ende meiner Kräfte mit meinem jugendlichen Strampelhund im Tragetuch und fühle mich bisweilen dem Kollaps nahe. Doch mit unbedingtem Willen und Durchhaltevermögen schaffen wir auch die letzte Etappe. Der heldenhafte Einsatz meines Mannes, der beide Rucksäcke nimmt, macht es möglich, dass ich nur noch Larry zu tragen habe. Auf Lebzeiten wird das Sonfjället nun für eine beeindruckende Tour mit Walter und mir als Paar, Benny und unserem süßen Welpen Larry stehen.