Geheimnis der Schnecke

Die Motivation

Ich liebe Zimtschnecken. Die besten gibt es bei uns in Stockholm, in den vielen preisgekrönten Bäckereien, die sich gegenseitig im Geschmack der süßen Backware übertrumpfen: innen saftig, fluffig, buttrig – außen goldbraun und knusprig. Dass diese Köstlichkeit bei eigener Herstellung in meiner WG-Küche aber stets misslingt, steinhart wird, fast verkohlt und geschmacklich Lichtjahre von seinen makellosen Konditoreivorbildern entfernt liegt, brachte mich zu dem Entschluss, es mir von schwedischen Backprofis zeigen zu lassen und einen Zimtschnecken-Workshop zu testen.

Der Hintergrund

Die Zimtschnecke ist ein Teil der schwedischen Identität. Sie gilt hierzulande als Nationalgebäck, für das sogar ein eigener Feiertag am 4. Oktober (schwed. Kanelbullens dag) geschaffen wurde. Initiiert wurde dieser 1999 vom Hembakningsråd, einer Organisation, die Schweden motivieren will, mehr selbst zu backen. Ihre Zimtschnecke haben die Schweden 2013 übrigens als traditionelle Spezialität eintragen lassen, was ihnen erlaubt, mehr Zimt (bis zu 50 Milligramm pro Kilo) in ihrem Gebäck zu verwenden zu dürfen als die anderen EU-Länder. Als sich herausstellte, dass der Cassia-Zimt in besonders großen Mengen Cumarin enthält, welches nicht gerade gesund- heitsförderlich ist, erließ die EU eine Verordnung, dass das Gebäck pro Kilo maximal 15 Milligramm Cumarin enthalten darf. Bei den schwedischen Schnecken wird aber ein Auge zugedrückt.

Das Erlebnis

Zur Verstärkung nehme ich meine Freundinnen mit: Unser deutsches Power-Duo Luca und Davina sowie Jamie aus Kanada und Irene aus Spanien. Der Workshop findet in einem gemütlichen alten Holzhaus auf der Insel Vaxholm im Stockholmer Schärengarten statt, in dem Linda Wahlström ihr B&B führt. In Lindas Küche, die supergemütlich und in wundervollem schwedischen Design eingerichtet ist, hält die Backkoryphäe bereits Schürzen für uns parat. Jede von uns bekommt auch ein Geschirrtuch. »Das Tuch darf dreckig werden«, sagt Linda. »In Schweden sagen wir hierzu ›Släng‹ und nutzen es zum Abtrocknen und Abwischen der Hände, die ohnehin nicht sauber bleiben dürfen.« Wir sind alle noch etwas schüchtern, da wir schon ahnen, dass unsere bisherigen Backkünste hier bei Weitem nicht mehr ausreichen werden.

Die Geheimnisse

Ausgerüstet mit Schürze und Släng sind wir bereit loszulegen. »Die goldene Regel lautet: Sei kein Schwede!«, witzelt Linda. »Die meisten schwedischen Rezepte geben nämlich falsche Tipps. Butter sollte keinesfalls geschmolzen werden und das Abmessen in Dezilitereinheiten – herrje, ebenfalls ein großer Fehler. Das perfekte Mischverhältnis von Mehl und Butter funktioniert nur beim Abwiegen in Gramm und verhindert, dass die Schnecken zu trocken werden.«

Die Durchführung

Vorsichtig machen wir die Hefe klein und fügen Eier hinzu. Und schon landet vor Aufregung ein zu großer Schuss Milch in der Schüssel. So langsam steht uns allen der Schweiß auf der Stirn. Scheitern wir etwa schon am Teig? »Die Milch könnt ihr einfach wieder abschöpfen«, beruhigt uns Linda. Wir werkeln nach altem Familienrezept der Wahlströms und lernen: Worauf es wirklich ankommt, ist das Gluten, das im Teig arbeitet. Nur so wird dieser fluffig. Daher ist es auch wichtig, das ganze Mehl direkt hinein zu geben. Wir beginnen zu kneten. Nun kommt der frisch gestampfte Kardamom hinzu. Um zu überprüfen, ob die Konsistenz korrekt ist, zupfen wir kleine Stücke vom Teig und versuchen sie in die Länge zu ziehen. »Wenn sie nicht reißen und sich wie eine dünne Wand vors Gesicht halten lassen, ist der Teig perfekt«, lehrt Linda.

Der Geschmack

Die Füllung macht den Meister. Hier müssen wir ausnahmsweise mal nicht genau wiegen, sondern können frei nach Schnauze arbeiten. Zimt und Butter dürfen ruhig mehr als großzügig portioniert werden. Dann ist es an der Zeit, die süße Masse auf unserem Teig, der sich schon weit über den Schüsselrand ausgedehnt hat, zu verteilen. Wir rollen ein großes Quadrat aus und sind fasziniert davon, wie fluffig die Masse geworden ist. »Daraus machen wir jetzt 40 Schnecken«, sagt Linda. Wir machen große Augen. 40? Wie soll denn das gehen? »Ihr unterschätzt, wie elastisch der Teig ist«, lacht sie und zeigt uns drei unterschiedliche Techniken, wie wir die Schnecken falten können. Das sieht einfach aus und wir machen uns ans Werk. Die Mädels prusten los, als sie meinen ersten Versuch sehen und auch ich muss über meinen verdrehten Knoten lachen. Beim zweiten Mal klappt es schon viel besser und wir sind richtig stolz auf unsere Kunstwerke.

Das Ergebnis

Während unsere Schnecken noch einmal ruhen, genießen wir die Sonne in Lindas Garten. Lindas Mann Jesper bereitet uns draußen am Grill eine Mahlzeit aus Hering auf Knäckebrot zu und wir vergessen fast, dass wir die Schnecken im Ofen haben, als uns ihr himmlischer Geruch zurück in die Küche lockt. Ich muss schmunzeln, als ich in die begeisterten Gesichter meiner Freundinnen schaue. Wir können es kaum erwarten, in die Schnecken zu beißen und schnell wird klar: Das sind die besten Kanelbullar, die wir jemals gegessen haben. Wir genießen jeden Bissen und stecken uns schnell noch eine zweite in den Mund.

Das Fazit

Ich bin satt und überglücklich, dass es mir tatsächlich gelungen ist, die perfekte Zimtschnecke aufs Blech zu zaubern. Mit den Taschen voller Kanelbullar und dem Kopf voller gelüfteter Geheimnisse verlassen wir die Insel. Ich kann allen, die Stockholm einen Besuch abstatten und dem schwedischen Gebäck verfallen sind, nur empfehlen, Lindas Kurs zu besuchen und sich die Tricks von einer Profibäckerin abzuschauen, die uns mit ihrer großen Liebe zur traditionellen Backkunst unendlich inspiriert hat.

Ihr wollt euch schon einmal Zuhause an der perfekten Schnecke versuchen? Lindas Rezept findet ihr hier!